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Man stelle sich folgendes Szenario vor: man schreibt das Jahr 1986. Kleine grüne Aliens landen spätabends im Garten des elterlichen Hauses und wünschen harte Musik! Was tun?
Schnell zum Plattenschrank gestürmt. Aber welche Platte ist die Richtige? Iron Maidens "The Number of the Beast" (zum Review)? Nah. Nicht hart genug. Europes "The Final Countdown"(zum Review)? Kurzes, glucksendes Lachen. Slayers "Reign in Blood"(zum Review)? Nee. Man will die herzigen Dinger doch nicht gleich vertreiben. Außerdem gab es diesen Wutbrocken im März des Jahres 1986 noch gar nicht. Dann, es fällt wie Schuppen von den Augen, die erlösende Eingebung. Hier kann es nur eines geben: Metallicas "Master of Puppets". Schnell die grünen Typen vor den Plattenspieler gezerrt. Schließlich regierten im Jahre 1986 schwarzes Vinyl, Plattenteller und Diamant. Die kleinen Typen lachen sich ob des antiquierten Audiosystems halb krumm. Denen wird das Lachen schon noch vergehen. Schon kracht die Tonnadel knacksend auf die Langrille und nähert sich, den Lautstärkeregler bedrohlich bis zum Anschlag aufgedreht, rauschend dem ersten Track … Was wurde über Metallicas Jahrhundertwerk "Master of Puppets" nicht schon alles geschrieben. Aggressiv, brillant, böse, wunderschön und brutal zugleich: mit seiner markerschütternden Härte brachte das dritte Album den Thrashgiganten aus Los Angeles Metallica den endgültigen Durchbruch auf breiter Flur. Nach "Master of Puppets" sollte für Metallica nichts mehr so sein, wie es einmal war. Und nicht nur für sie. Millionen von Hörern rund um den Globus halten diesen Urknall des Thrashmetal bis zum heutigen Tag, und wohl auf alle Ewigkeiten, in höchsten Ehren. Es fällt schwer, die Bedeutung des Albums auch nur halbwegs objektiv in Worte zu fassen, ohne dabei einen Superlativ nach dem anderen zu bemühen. Ungezählt all diejenigen, die "Master of Puppets" als das wichtigste, beste, einflussreichste Heavy Metal Album aller Zeiten preisen. Ob es das nun ist oder nicht, muss wohl jeder für sich ganz allein entscheiden. Was man aber guten Gewissens sagen kann, ist dass der Heavy Metal Kosmos ohne "Master of Puppets" mit großer Wahrscheinlichkeit in ein anderes Paralleluniversum abgebogen wäre. Ohne Hetfields und Hammets bahnbrechende Gitarrenarbeit, knochentrockenen Sounds, Burtons tonnenschwere Bassriffs, Ulrichs unbarmherziges Drumming und den alles plattwalzenden Songs von "Master of Puppets" hätte die Musikgeschichte einen anderen Verlauf genommen. Schon das Cover, ein Friedhof mit weißen Grabkreuzen vor einer tiefstehenden Sonne, suggeriert Menschen an Marionettenschnüren, die nicht mehr Herr ihrer eigenen Handlungen sind, sondern von einem „Meister“, einem Puppenspieler gleich, dessen Macht noch bis ins Grab hinein reicht, gesteuert werden. Zwischen den Händen des Puppenspielers thront majestätisch, ähnlich den Grabkreuzen in Marmor gehauenen, das Metallica-Logo. Entworfen wurde es von Don Brautigam, der in der Folge unter anderem Cover für AC/DC "The Razors Edge" oder Mötley Crües "Dr. Feelgood" geschaffen hat. Inspirieren hat sich Brautigam offensichtlich vom fünften Album der Scorpions "Taken by Force" lassen. Los geht es, man wähnt sich anfangs noch in einem Spaghettiwestern, mit einem Gitarrenintro auf der klassischen Gitarre das in die Klangwelten eines Ennio Morricone erinnert. Der Hörer wird bedeutungschwanger auf das Kommende eingestimmt und unbarmherzig auf dem Stuhl festgezurrt und auf eine Reise zu den Abgründen menschlicher Abhängigkeiten und Abgründe geschickt. Ein jeder der Songs auf dem Album stellt, wenn man so will, einen dieser „Puppenspieler“, dar. Gleich zum Einstand wird mit "Battery" das Thema Wut thematisiert. "Battery", auch „Schlägerei“ oder „Körperverletzung“, ist überdies auch eine indirekte Anspielung an den Old Waldorf Club in der Battery Street in San Francisco wo Metallica ihre ersten Auftritte absolvierten. Der Einstand könnte nicht besser sein. Schon an diesem Punkt war klar, dass die "Master" eine Vollbedienung allererster Güte werden würde. Nach diesem gewaltigen Einstieg zementierten die Thrashikonen mit dem Titelsong "Master of Puppets" ein für alle Mal ihren Status als bis dato härteste und innovatiste Metalband aller Zeiten für immer und ewig in Granit ein. "Master of Puppets" ist vielleicht einer der besten Metal-Songs aller Zeiten. Text und Musik - alles perfekt. Brutales Riffing, das zur Mitte des Songs in einen atmosphärischen Breakdown mündet. Mit diesem Refrain konnte einfach nichts mehr schiefgehen. Ein Chorus, der jedes Livekonzert in einen Hexenkessel verwandelt. Jetzt alle: „Come crawling faster - Obey your master - Your life burns faster - Obey your master – Master!” Schon beim Eingangsriff von "The Thing That Should Not Be" ist es wieder da, dieses bedrohliche Gefühl, das Hetfield und Hammet so unvergleichlich heraufzubeschwören imstande sind. Inspiriert von “Shadow Over Innsmouth”, einer Kurzgeschichte von H.P. Lovecraft bahnen sich alles zermalmende Mid-tempo Thrash-Gitarren ihren Weg durch die Gehörgänge des Hörers. Von allen typischen Halbballaden die Metallica im Laufe ihrer Laufbahn geschrieben haben ist "Welcome Home (Sanitarium)" die mit Abstand eindringlichtse. "Fade to Black" mag vielleicht zuvor gekommen sein, "One" und " Nothing else matters" waren zweifelsohne kommerziell erfolgreicher. Aber bei kaum einem Song war man der Zwangsweste näher, konnte den Gummi der Zelle intensiver riechen, als auf diesem Schlachtross von einem Song. Allein der dramaturgische Aufbau des Songs verdient die Höchstnote. Vom ruhigen, bedächtigen Intro bis zum furiosen Finale jagt ein Gänsehautmoment den anderen. 6.27 Minuten die das Leben eines jeden Hörers nachhaltig prägen sollten. Nach dieser ersten Seite der Platte – remember? wir schreiben1986 – war man erst einmal vollkommen geplättet, musste sich sammeln um den Weg zum Plattenspieler zurückzulegen und irgendwoher die Kraft aufbringen um das schwarze Gold behutsam, andächtig und voller Ehrfurcht seinem weiteren Zweck zuführen. Was konnte nach so einem Hammer, so einer Wucht noch kommen? Nichts anderes als eine der geradlinigsten, eindringlichsten Abrechnungen mit der Ohnmacht des einfachen Soldaten gegenüber dem irrationalen und unkontrollierbaren Wahnsinn des Krieges. " Disposable Heroes" ist sicher einer der schweißtreibendsten, schnellsten und mit 8‘17“ Minuten komplexesten Songs auf "Master of Puppets". Auf "Leper Messiah" mahlen die Gitarren, diesmal rhythmisch etwas vertrackter, aber nichtsdestotrotz umso unbarmherziger. Es gibt sicher eingängigere Tracks auf "Master of Puppets" aber anno dazumal, eingebettet in das Album als Gesamtkunstwerk, war auch "Leper Messiah" ein nackenbrechender Headbanger, der sich besonders nach dem Solopart nochmals zum Thrashmonster steigert. "Orion" veranschaulicht einmal mehr in aller Deutlichkeit, welchen Verlust Metallica mit dem Tod von Cliff Burton erleiden mussten. Von diesem, Hetfield und Ulrich geschrieben, wurde jedem Hörer unmissverständlich vor Augen geführt, wie wichtig Burton für den Gesamtsound der Band, die musikalische Vision und überhaupt den ganzen Werdegang der Thrasher aus Kalifornien war. Spätestens ab diesem Zeitpunkt liegen unsere kleinen grünen Aliens röchelnd auf dem Fußboden und winseln um Gnade. Da kann es nur eines geben: mit "Damage Inc." die Thrash-Adrenalinspritze angesetzt und Erste Metal Hilfe geleistet. Noch einmal werden alle Kräfte für das große Finale mobilisiert. Hier regiert unbarmherzige Härte, pures Thrash-Riffing und gnadenlose Schlagzeugattacken, die den Hörer völlig ermattet in den Sessel fallen lassen. Was für eine Vorstellung! Was für ein Sound, was für Songs! "Master of Puppets" war Metallicas drittes Album und wurde am 3. März 1986 von Elektra Records herausgebracht. Das Album ist, man kann und muss es einfach so sagen, einer der Meilensteine des Thrash Metals, wenn nicht DER Meilenstein. Es ist zweifelsohne einer der wirklich bahnbrechenden und richtungsweisenden Monolithen der Musikgeschichte. Ein Album, an dem sich alles was danach kam auf ewig lassen musste. Und es war das letzte Album, das Metallica mit Basserikone Cliff Burton, der noch im Erscheinungsjahr bei einem Busunfall während der Tour in Schweden ums Leben kam, aufgenommen haben. "Ride the Lightning" hatte bereits eingeschlagen wie eine Bombe. Da verwunderte es nicht, dass man sich auf "Master of Puppets" dramaturgisch am Vorgänger orientierte: beinahe jedem Stück des 1984er-Releases kann man stilistisch ein entsprechendes Stück auf "Master of Puppets" zuordnen. Auf beiden Alben geht es mit einem, auf der akustischen Gitarre gezupften Intros, vorerst atmosphärisch zu Wege. Nur um dann umso brachialer mit einem Thrash-Metal-Opener der Sonderklasse "Fight Fire with Fire" vs. "Battery" loszubrechen. Auf beiden Alben wird die A-Seite mit einer episch ausladenden Ballade beendet: hier "Fade to Black", da "Welcome Home (Sanitarium)". Und dann gibt es auf beiden Alben noch ein langes Instrumentalstück "The Call of Ktulu" bzw. "Orion". Einzig der Schlusssong war im Jahre 1986 eine Thrash-Schleuder, die den Hörer nochmals zurück in den Metal-Orbit schoss. Produziert wurde "Master of Puppets" von Flemming Rasmussen, der eine Höllenproduktion hinzauberte und eine neue Benchmark setzte. Noch heute drückt der Sound dermaßen gnadenlos aus den Lautsprechern, dass es einem förmlich die Nase plattdrückt. Dabei wollten Metallica ursprünglich Martin Birch verpflichten. Hatte man doch einen satten Vorschuss für das neue Album kassiert. Diesen Gedanken verwarfen die Mannen um James Hetfield jedoch schnell wieder und man entschied sich erneut mit Rasmussen zusammenzuarbeiten. Der Studioaufenthalt dauerte insgesamt drei Monate und wurde nur durch einen Auftritt beim Loreley-Festival in Deutschland unterbrochen. Bei seiner Veröffentlichung im März 1986 stieg das Album auf Anhieb auf Platz 29 der US-Albumcharts ein. Bereits einen Monat später gabs die erste Goldene Schallplatte. Metallica spielten als Vorgruppe von Ozzy Osbourne in Nordamerika bevor man schließlich im Herbst 1986 zusammen mit Anthrax auf Europatournee ging. Am 27. September, man befand gerade auf dem Weg von Stockholm nach Kopenhagen, kam der Tourbus von Metallica auf der vereisten Straße in der Nähe von Ljungby ins Schleudern und überschlug sich. Dabei wurde Burton aus seiner Koje ins Freie geschleudert, und von dem auf ihn stürzenden Bus erdrückt. "Master of Puppets" ist ein nicht unbeträchtlicher Teil von Cliff Burtons Vermächtnis. Es ist und bleibt auf ewig der Thrash-Defibrilator, der Tote wieder zum Leben erweckt. Metallica traten nach dem Release, ungeachtet dieses Schicksal Schlages, einen Siegeszug sondergleichen an. Und mit ihnen eine ganze Generation neuer Bands, die von "Master of Puppets" beeinflusst wurden und im Kielwasser von Metallica das Metal-Universum zu bevölkern begannen … Trackliste
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