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Die gefährlichste Langspielplatte aller Zeiten
Slayer war einst die HÄRTESTE Band auf diesem Planeten. Zumindest 1986, dem Jahr, in dem der Thrash begann und endete. Doch rufen wir uns vors geistige Auge zurück, was zu dieser Zeit als HART galt, zu einer Zeit, in der man als Metal-Fan sein gesamtes Taschengeld für LPs (Tonträger aus Vinyl, ca. 33cm Durchmesser, analoger Vorgänger der CD) ausgab, hauteng anliegende, dadurch die Fortpflanzungsfähigkeit der männlichen Fans schon beinahe fahrlässig gefährdende Hosen mit 90% Gummianteil trug und Schuhwerk gleichbedeutend war mit Adidas JoggingHigh. Nicht zu verwechseln mit jenen Zeitgenossen, welche ihr Budget nicht ausschließlich für Tonträger opferten, sondern einen guten Anteil der Kosmetikindustrie darboten, um sich leicht tuntenhaft mit Haarspray und Schminke als Poser zu outen. Nein, liebe Freunde, von diesen Herrschaften sprechen wir hier nicht. Wir sprechen von HÄRTE. Und HART waren damals die Briten Venom, aber die waen unfassbar hässlich und konnten ihre Instrumente nicht mal richtig rum halten. Noch HÄRTER waren Possessed aus der Schwulenmetropole San Francisco, deren technisches Vermögen an den Instrumenten jedoch – unglaublich aber wahr – nicht mal mit Cronos und Mantas mithalten konnte. Und Metallica waren auch HART, aber irgendwie nicht so richtig und schon gar nicht voll auf die Glocke (Ballade auf "Ride the Lightning" – pfui Deibel, wäh und Poser!), und außerdem durften die mit Ozzy live spielen, waren also quasi eh schon radiotauglicher Mainstream, zumindest ein bisschen. Und dann gab es da Slayer aus dem sonnigen L.A., die sich gebärdeten, als ob sie gerade der Hölle entstiegen waren, weil es ihnen dort zu gemütlich geworden war. Einzig und alleine Rick Rubin, ein Typ mit Bart, einem Faible für HipHop und dank Erfahrung mit unzähligen brothers in the hood ohne Furcht, wagte es, mit diesen Fleisch gewordenen Beelzebuben sein Studio zu entern, um der Welt zu zeigen, wie die HÄRTESTE Band der Welt mit einer messerscharfen, glasklaren, tonnenschweren Majorproduktion noch um ein Vielfaches HÄRTER werden konnte, so dass auf Jahrzehnte mit dem Ergebnis dieser Zusammenarbeit noch Beton wie Butter geschnitten und Titanstahl pulverisiert werden konnte. Ja, Slayer waren HART, schnell, kompromisslos und böse. Und Slayer waren Rebellion! Keine Rebellion a la Sex Pistols-Shirt tragen, auf AC/DC stehen, Kaugummi auf die Straße spucken oder mit dem Fahrrad gegen die Einbahn radeln. Nein, als Slayer-Fan wusste man, dass einen diese Musik endlich zum Mann werden ließ und man allen, aber auch so wirklich allen, den Stinkefinger zeigen konnte, und dass keiner in der Schulklasse mit dir sprechen, sondern ehrfürchtig einen großen Bogen um dich machen würde. Wenn dann sogar die Dead Kennedys-Punks im Schulhof anerkennend zugeben mussten, dass Slayer für eine Metalband schon ganz OK seien, war es sogar egal, dass die Mädels in der Klasse lieber A-HA hörten und demensprechend so gar nicht mit dir abhängen wollten. Und überhaupt: Ein verschwitztes Slayer-Shirt am Leibe fühlte sich sowieso immer besser an als die immergeile Klassenblondine mit Über-Oberweite – somit konnten Slayer praktischerweise auch als willkommene post-pubertäre Rechtfertigung für durch Eiterpickelverseuchung und ungewaschenes Haupthaar erzwungene sexuelle Enthaltsamkeit herhalten. Solch ein Outsider-Dasein war natürlich HART erarbeitet. Keine andere Band, weder im Thrash Metal noch im Hardcore-Punk bretterte mit derartiger Geschwindigkeit drauf los. Die Songs auf "Reign in Blood" waren kurz und unvorhersehbar, kein Riff wurde zu oft wiederholt, die Soli verursachten unsägliche Schmerzen, Tom Araya brüllte sich wie ein wütender Dobermann durch die 10 Songs von "Reign in Blood" und Melodie gab es auf diesem Album nicht eine einzige. So etwas war bis dato beispiellos, vor allem da Slayer ihren musikalischen Watschentanz nicht nur mit grober Faust sondern mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks inszenierten. Jeder einzelne todbringende Snare-Drum-Schlag wurde von Dave Lombardo mit chirurgischer Präzision gesetzt. Schon der "Opener Angel of Death", eingeleitet von Tom Arayas markerschütterndem Urschrei, gab die Marschrichtung eindeutig und unmissverständlich vor: Hier wurde so gnadenlos geholzt, dass sich die Schädeldecke wie von selbst Richtung Zimmerdecke sprengte. Und dann nach 99 Sekunden dieses Break, das Break der Breaks, die Mutter aller Breaks, die bitter nötige, erlösende Low-Speed-Pause in der ersten Etappe eines 28-minütigen Hochgeschwindigkeitsrennens mit durchschnittlich 210 bpm, das am Ende nur Verlierer kennt. Dass der Text zu "Angel of Death" eine beispiellos dämliche Aneinanderreihung von Grauslichkeiten aus Konzentrationslagern war, wollte damals natürlich kein Slayer-Fan wahrhaben; dem um political correctness und simple Erklärungen bemühten Headbanger reichte die erste Zeile „Auschwitz, the meaning of Pain“ als Rechtfertigung, dass Texter Jeff Hanneman hier wohl ein kritisches Anti-Nazi-Statement verfasst hatte. Hannemann selbst, durchaus nicht der Shakespeare des Thrash Metal, wollte wohl nur einen zum akustischen Overkill passenden sauHARTEN Splattertext raushämmern, der historische Hintergrund war ihm in Ermangelung ordentlicher Schulbildung entweder egal oder gänzlich unbekannt. Weiter ging es dann mit "Piece by Piece", einer Hymne auf alle Massenmörder, die ihre Opfer so zerstückeln, wie es dieses akustische Kettensägenmassaker mit dem unvorbereiteten Hörer machte: „The only way to exit is going piece by piece“. Danach folgte "Necrophobic", ein weiteres lyrisches Splatterfest, ein Fleischwolf von einem Song, ein Musik gewordenes Blutbad. Wenn Slayer die 3 Meter-Kettensäge waren, die sich durch Fleisch, Knochen und Stahl fräst, waren Metallica und Konsorten höchstens ein batteriebetriebenes 20cm-Fichtenmoped für mädchenhafte Gartengestaltungslehrlinge in Schloss Schönbrunn. Leatherface hätte zu Slayer gegriffen, keine Frage. In die Knie gezwungen wurde man schließlich durch das ultimative blasphemische Double Feature, den doppelten Vorschlaghammer des Satans, die unheilige Zweifaltigkeit "Altar of Sacrifice" & "Jesus Saves"! Wenn Tom Araya seine ketzerischen Lyrics ins Mikro bellte, Überdrummer Dave Lombardo seine Doublebass trat wie einen tollwütigen Hund und King und Hanneman drüber ihre schmerzhaft-atonalen Soli sägten, wurde auch dem letzten, vor Angst und mit vollgeschissenen Hosen in einer Ecke um Erbarmen winselnden und sich den Lidschatten wegheulenden Poser klar, dass es keine Rettung geben kann: „No promised land to take you to, there is no other way.“ Und dann herrschte erst mal Ruhe, Stille, wenn die erste Seite der gefährlichsten Langspielplatte aller Zeiten nach kaum einer Viertelstunde zu Ende ging. Wer zu diesem Zeitpunkt noch Kraft im Gebein hatte, schleppte sich sodann zur Stereoanlage, um mit zittrigen Fingern das Vinyl umzudrehen und den Tonarm in ängstlicher Erwartung weiterer todbringender Doublebass-Gewitter aufzusetzen. Was dann folgte war nach dem blitzartigen Höllengemetzel der ersten 15 Minuten jedoch unerwartet schleppend, fast schon doomig, quasi metallischer Schongang. Man begann sich schon in Sicherheit zu wiegen, war das alles am Ende doch nicht so grausam, würden uns Slayer in der zweiten Spielhälfte die bitter nötige Ausheilungsphase gönnen, ein bisschen Ruhe, wo Wunden geleckt werden konnten? Mitnichten, denn schon nach wenigen Sekunden startete die Entweidungsmaschinerie wieder voll durch, wenn in "Criminally Insane" ein wahnsinniger Massenmörder um Verständnis bittet und in "Reborn" darüber sinniert wird, ob es nach dem Scheiterhaufen eine Rückkehr geben kann. Das ähnlich rasante "Epidemic", ein weiteres Schlachtfest von untragbarer HÄRTE, war schließlich nicht mehr und nicht weniger als das letzte kurze Vorspiel zum ultimativen, alles zerbröselnden Doppelschlag "Postmortem/Raining Blood". Dieses titanenhafte Riffmonster, das mit schleppendem Groove schon beinahe freundlich lächelnd anhob, fetzte im alles vernichtenden Schlussteil auch die letzten Überlebenden in Stücke und endete, wie dieses Album von Anfang an nur enden konnte: in einem Blutregen, der die paar nach „Noise: Hanneman/King“ noch intakten Leichenteile in den Gulli wegschwemmte. Für Columbia Records, die wie die gesamte Musikindustrie gerade mit der von Al Gore’s Frau Tipper formierten Sauberfrauen-Liga PMRC zu ranggeln hatten, war dieses Album verständlicherweise ein zu heißes Stück Eisen, an dem man sich nicht die Finger verbrennen wollte. Zusätzlich zu den abartig HARTEN Texten über Massenmörder, Serienkiller, Wahnsinnige und Höllendämonen war dieses musikalische Äquivalent eines Lucio Fulci-Splatterfilms noch mit einem derart versaut blasphemischen Cover voller Leichenteile, Blut und einem bockshörnigen Teufel im Zentrum dekoriert, dass die konservativen Plattenbosse, sich mehrmals bekreuzigend, Rick Rubin und seine Rabaukentruppe rauswarfen und zum von Slayer mehrfach besungenen Höllenfürsten schicken wollten. Geffen Records erbarmte sich schließlich der heimatlosen Truppe und ließ "Reign in Blood" auf die Welt los, verschwieg dieses ketzerische Vorhaben aber geschickt in allen offiziellen Releaselisten. Heute, knapp 20 Jahre nachdem "Reign in Blood" die Musikwelt in allen Grundfesten erschütterte, haben die 28 Minuten musikalischen Gemetzels nichts von ihrer ursprünglichen Kraft und HÄRTE eingebüßt. In etlichen Bestenlisten rangiert "Reign in Blood" unter den Top Ten und stellt inzwischen so etwas wie den heiligen Gral des Thrash Metal dar. Und Slayer selbst? Die sind heute immer noch HART wie eine Betonwatsche, gemessen an "Reign in Blood" und den kaum weniger überwältigenden Nachfolgern "South of Heaven" und "Seasons in the Abyss" leider aber nicht mehr uneingeschränkt gut, da endlos selbstzitierend und – dem hohen Alter entsprechend - sogar schon etwas kraftlos. Gäbe es für Klassiker Punkte, müsste der Professor nun 11 von 10 möglichen PUNKTEN vergeben. Ja, ganz richtig, PUNKTE! Denn ein Punkt steht bekanntlich am Ende, am Ende eines Satzes, eines Gedankens oder einfach wirklich ganz zum Schluss, an dem Punkt, an dem alles an sein Ende kommt. Und Thrash Metal endet genau bei Reign in Blood, das war’s dann, Schluss, aus, fertig. Alles was danach kam, ist höchstens noch eine Fußnote zu dieser 45er-Magnum aus Vinyl: It takes your head off clean. Trackliste
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