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9.0
Jetzt liegt tatsächlich "Worship Music" im CD-Player, das 10. Studioalbum der New Yorker Thrash-Urgesteine Anthrax, und das erste echte solche seit 8 Jahren. Dass "Worship Music" überhaupt noch erschienen ist, lässt einen an die kleinen Wunder der Musikszene glauben, denn dem Release des Albums war eine geradezu Soap-Opera-hafte Entstehungsgeschichte vorangegangen, während der Scott Ian und sein fideler Musikantenstadel einiges an Sympathien einbüßten, sich ein kaum enden wollendes Vokalistenkarussel in Bewegung setzte, man von einem Tag nicht mehr wusste, wer da eigentlich das Mikro bei Anthrax in der Hand hält, am Ende dieser unendlichen Geschichte aber Joey Belladonna, der schon zuvor von 1984 bis 1990 den Sound von Anthrax entscheidend prägte, wieder an die Urstätte seines musikalischen Schaffens zurückkehrte.
Als Anthrax-Fan seit den 80ern war der Verfasser dieser Zeilen immer hin und her gerissen zwischen den ungestümen, aber stilprägenden Belladonna-Jahren mit all den verrückten, heute rückblickend teils kindisch anmutenden Crossover-Experimenten a la "I Am the Man" und der musikalisch weitaus anspruchsvolleren und gereiften John Bush-Phase. Die Rückkehr von Belladonna roch doch etwas zu sehr nach Ausverkauf und einem letzten großen Abcash-Versuch bei den inzwischen zu Kaufkraft gelangten Ur-Fans, die seit Teenager-Zeiten in den 80ern Anthrax die Stange hielten und gar zu gerne ihre Geldbörse weit aufgerissen hätten für einen letzten Gig mit Joey an den Vokals, eine wunderbare Reise zurück in die 80er. (Die verstörende Episode mit Dan Nelson, der ursprünglich Worship Music schon eingesungen hatte, sei hier überhaupt einmal ausgeklammert.) Doch Schwamm drüber, lasst uns zur Besprechung des fertigen Produktes kommen, dessen Entstehungsgeschichte in einer irgendwann erscheinenden Anthrax-Biographie sicher mehrere Kapitel einnehmen wird. Und dieses Produkt, das beim ersten Anhören so überhaupt nicht zünden wollte, das sei hier gleich vorweg gesagt, entpuppt sich nach mehrmaligem Anhören tatsächlich als ein wirkliches Highlight. Grundsätzlich stellt "Worship Music" natürlich ein absolutes High End-Produkt dar, geschaffen von absoluten Vollprofis, die eigentlich niemandem mehr beweisen müssen, wozu sie in der Lage sind. Denn eigenständig sind und waren Anthrax immer und die Trademarks der Band, allen voran die zwar simplen, aber absolut brachialen, Moshpit-zerstörenden Killerriffs kombiniert mit großartigen Hooks und Melodien, finden sich auch auf "Worship Music" zuhauf. Der Opener "Earth on Hell" brettert mit ungebändigter Energie und brutaler Härte los, als wäre die Zeit nach "Among the Living" stehen geblieben. Auch "The Devil You Know" und noch mehr "Fight 'Em Til You Can't" schlagen in diese Old-School-Kerbe, wobei letzteres im Refrain beinahe schon zu freundlich happy beschwingt wirkt, ein krasser Gegensatz zur harten Bridge und Strophe. Dass es auch anders geht zeigen dann" I'm Alive" mit verhalten-ruhigen Akustikgitarren und besonders das epische, getragene "The End", der heimliche Höhepunkt dieses Albums. Beide Songs könnten ohne weiteres auch aus der John Bush-Ära stammen und repräsentieren perfekt die post-80er-Anthrax-Phase, die sich immer mehr vom Thrash/Hardcore weg hin zum Power Metal entwickelte. Überhaupt wird man den Eindruck nicht los, dass dieses Album mit John Bush genau so gut funktioniert hätte, zumal Joey Belladonnas Gesang sich großteils anscheinend tatsächlich an seinem Nachfolger/Vorgänger orientiert. Weniger schrill und sirenenartig klingt der gute Joey anno 2011, dafür scheint seine Tonlage nun tiefer und näher an John Bush und dessen rockig-rauchigem Timbre. Der Grund dafür liegt sicher in der Entstehungsgeschichte des Songmaterials, an dem ja wahrscheinlich alle drei Sänger mitgewirkt haben und somit den Songs auch ihren eigenen Stempel aufdrücken konnten. Welcher Vokalist dann für Überraschungen wie das Soundgarden/Alice in Chains-artige "Crawl" verantwortlich zeichnet, wird wohl noch in diversen Interviews offenbart werden – die CD hilft hier nicht weiter, denn als Composer-Credits findet man lediglich "All songs written by Anthrax" – welche Anthrax das auch immer sein mögen. Was am Ende bleibt, ist ein überraschend kraftvolles, abwechslungsreiches Album, das den Geist der alten Schule atmet, diesen aber ziemlich erfolgreich in ein modernes Gewand steckt. Der Professor, andächtig in stiller Anbetung verharrend, verpasst Scott Ian, Charlie Benante, Joey Belladonna, Frank Bello und Rob Caggiano für "Worship Music" 9 von 10 blutigen Moshpit-Nasen, denn dass sich die Band nach all den unnötigen Kaspereien der letzten Jahre noch zu solcher Form aufraffen konnte, ist wohl eine DER Überraschungen dieses ziemlich ereignisreichen Metal-Jahres. Letztlich bleibt nur noch zu hoffen, dass die New Yorker Stilbegründer bis zum nächsten Album weitere 8 Jahre verstreichen lassen, ein paar neue Vokalisten ausprobieren und daraus eine fiese MTV-Reality-Show mit dem Titel "Pimp Your Vocalist: Scott Ian's Rockstar Factory" machen … NOT! Trackliste
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Reviews
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