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8.5
In den mittleren Neunzigerjahren erklärte Sänger Warrel Dane in sämtlichen Interviews, die Auswahl des Bandnamens Nevermore sei kein Zufallsprodukt, sondern ein Statement der Vergangenheitsbewältigung, wonach man nie mehr wieder dieses (geschäftliche) Desaster wie zu Sanctuary Zeiten erleben möchte, welches 1991/92 bekanntlich die Band-Auflösung zur Folge hatte. Die ständigen Anfragen nach Sanctuary Songs vor oder nach den Nevermore Shows kotzten den stimmgewaltigen Langhaardackel irgendwann dermaßen an, dass spätestens nach der Killerscheibe "Dead Heart In A Dead World" (2000) die letzten Nostalgiker dessen Bitte, jenes Erbgut gänzlich ruhen zu lassen, endgültig akzeptieren mussten.
Und heute? Ein Vierteljahrhundert nach der Götterscheibe "Into The Mirror Black" (zum Classicreview), vier Jahre nach dem vorläufigen Nevermore Endprodukt "The Obsidian Conspiracy" (zum Review) und nach den internen Querelen bei letzteren tritt das – man muss es so sagen – schier Unfassbare in Kraft: im Anschluss einiger Reuniongigs (u. a. beim Metal-Assault 2012) haben die zu vier Fünftel in Originalbesatzung (Brad Hull fiedelt anstelle von Sean Blosl) zurück gekehrten Herrschaften aus Seattle endlich ihr drittes Baby ausgebrütet, auf das wir seinerzeit vergeblich gewartet hatten. "The Day The Sun Died" soll nun die geduldserprobten Alt-Fans belohnen und die Fraktion der auf Eis gelegten Nevermore ebenfalls zufrieden stellen. Wenn man der modernen Wissenschaft glauben möchte, hat unsere seit jeher verehrte Sonne tatsächlich ein Ablaufdatum, wenngleich Sanctuary dies wohl als Metapher benutzen dürften. Alleine der Umstand, die kompositorische Handschrift eines Gitarristen, der ausnahmsweise nicht Jeff Loomis, sondern im konkreten Fall Lenny Rudledge heißt, an sein Trommelfell zu lassen, ist insofern begrüßenswert, als dass das Nevermore Songwriting-Schema bei aller Qualität zuletzt etwas ausgereizt schien. Sanctuary haben selbst nach fast fünfundzwanzig Lenzen Dienstfreistellung der Metal-Szene sehr wohl etwas zu sagen, bietet das Quintett bei dieser einstündigen Audiogala eine glaubwürdige Mischung aus Tradition und Moderne, oder wenn man so will, ein am Puls der Zeit angedocktes Power Metal Häppchen inklusive Speed-Vibes, jenem man gelegentlich eingestreute Nevermore Zitate mal bitte verzeihen mag. Zugegeben, der an der Pforte weilende "Arise And Purify" ist ein unglücklich gewählter Opener, weil dessen Duftnote einfach einen Tick zu profan ausgefallen ist. In Anbetracht der restlichen Stücke allerdings kein Beinbruch. Spätestens der vor Schmerz triefende Chorus bei "Exitium (Anthem Of The Living)" lässt das alt gediente Sanctuary Herz dahin schmelzen und zeigt eine kompositorische Klasse auf, für die andere sämtliche Organe spenden würden. Dass es dann noch besser kommt, haben wir den Jungs in Gegenwart von "I Am Low" zu verdanken, für mich eine emotionale Fortsetzung des Jahrhundertsongs "Epitah": balladesk und zutiefst melancholisch zeigt sich der Initial-Reigen, ehe man von mächtig-passionierten Klangwolken regelrecht fortgetragen wird. Keinen Deut schlechter das aggressiv nach vorn preschende "Frozen", dessen ausladende Refrains und prickelnde Leads in glanzvoller "Mustaine-Manier" (Mega-Dave hat seinerzeit das Sanctuary Debüt (zum Classicreview) produziert) gleichfalls am Niveau des Zweitlings von 1989 kratzen. Nicht zu vergessen "Let The Serpent Follow Me" - ja, das ist feinster Speed Metal, wenngleich etwas komplexer zur Schau gestellt. Die angedeutete Tendenz zu Nevermore begrüßt uns beim groovigen "Questions" sowie bei "The World Is Wired", wo das Ideen-Arsenal allerdings nüchterner ausfiel. Fällt ebenso kaum ins Gewicht: das Titelstück am Ende wird der ein oder andere nämlich als logische Adaptierung des "Into The Mirror Black" Herzstücks enttarnen, zumindest der vorherrschend tragende Rhythmus, der morbid gefärbte Hintergrund und die Eingängigkeit verleiten schnell zu dieser Umschreibung. Mit dem thematisch dazu passenden "Waiting For The Sun" hat man zudem einen Cover-Bonustrack drauf gepackt, den seinerzeit The Doors schrieben. Fazit: Obschon Sanctuary anno 2014 keinen Geniestreich in den Orbit pulvern, überwiegt die Freude über die Rückkehr auf Konserve, sowie die Tatsache, dass die Identität trotz der immensen Zeitspanne größtenteils bewahrt wurde – na gut, einige Arrangements haben bereits über zwei Dekaden am Buckel und wurden würdig ins Hier und Jetzt transferiert. Warrel Dane jagt seine Stimmbänder zwar nicht mehr über sämtliche Berggipfel wie anno dazumal, brilliert dafür aber immer noch mit Klasse, Eindringlichkeit und Charisma. Fünf absolut herausragende, vier überaus gelungene, sowie zwei akzeptable Lieder entsprechen somit einer uneingeschränkten Kaufempfehlung, allerdings an den Hinweis gekoppelt, das Stück keinesfalls links liegen zu lassen, wann es nicht sofort „bumms!“ macht. Trackliste
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Reviews
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