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Fragt man Metalfans nach ihrer Lieblingsscheibe von Judas Priest hört man immer wieder "Painkiller" (zum Classic Review), "British Steel" oder "Screaming For Vengeance". Warum meine Wahl ausgerechnet auf das 1984er Album "Defenders Of The Faith" fällt, ist schnell erklärt. Zu jener Zeit hat Priest gerade eine lange Welttournee mit "Screaming For Vengeance" im Gepäck hinter sich. Mit dem Smash-Hit "You’Ve Got Another Thing Comin’" hat man gerade das US-Radio geknackt und in Amiland den endgültigen Durchbruch geschafft, der idealerweise auch als Videodokument für die Ewigkeit festgehalten wurde. Und zwar einmal in Form des sensationellen Auftritts beim US-Metal-Festival in Kalifornien und einmal als Mitschnitt in der Arena von Memphis. Letzterer wurde sogar als Kaufvideokassette veröffentlicht und zeigt die Briten auf ihrem absoluten Höhepunkt. Laser, Leder, Peitschen, Spiegelbrillen, röhrende, schwere Motorräder – ein Bilderbuch des Heavy Metal! Der Auftritt am Rock/Pop in Concert in der Dortmunder Westfahlenhalle, der zeitversetzt auch über hiesige Bildschirme flimmerte, setzte den genialen Schlusspunkt unter ein geniales Jahr. Und exakt bei diesem Auftritt stellt man mit "Freewheel Burning" einen neuen Song vor, der für damalige Verhältnisse einige Geschwindigkeitsrekorde brach. Man muss sich vor Augen halten, dass zu jener Zeit Platten wie Dios "Holy Diver", Mercyful Fates "Melissa", Def Leppards "Pyromania" oder Metallicas "Kill’Em All" gerade mal ein halbes Jahr am Buckel hatten und von einer Speed/Thrash-Welle war noch keine Rede. Neben den Metallicats waren Venom, Motorhead, Raven, Exciter, Accept ("Fast As A Shark"!!!) und eben Judas Priest das absolute Härtemaß. So war die Spannung groß als ich am 4. Jänner 1984 meine Lederjacke schnappe, um an einem kalten, dunklen Spätnachmittag durch den heftigen Schneefall zum hiesigen Plattentempel, Rudis Plattenteller, zu pilgern.
Drinnen hatte sich schon eine ansehnliche Schar Headbanger versammelt, die allesamt andächtig den Songs lauschten, die aus den Boxen schallten. "Defenders Of The Faith" - was für ein Titel! Ja, natürlich sind Priest die Verteidiger des Glaubens! What else? "Fast And Furious, we ride the universe...we accelerate, no time to hesitate!" Solche Textzeilen schreibt nur König Halford und nimmt dabei stilistisch den Schmerztöter bereits vorweg. "Freewheel Burning" knallt wie die Sau. Schnell, hart – der ideale Opener! Mit "Jawbreaker" setzt man schnell noch einen drauf. Genau dieses Mörderriff, bei dem die Fäuste fast automatisch gegen die Decke fliegen. "Rock Hard, Ride Free" - eine Bikerhymne im Stil von "Heading Out Of The Highway" oder "Hellbent For Leather" beginnt mit herrlichen Doppelgitarrenläufen der Herren Tipton/Downing – dem Evangelium des Heavy Metal! Der Refrain atmet die 80er – hymnisch, episch, trotzdem irgendwie radiotauglich. Genial! Man spürt, Judas Priest haben eine Entwicklung durchgemacht, stehen am Scheideweg. Weniger Birmingham, mehr L.A. – wenn ihr versteht, was ich meine. Doch dann: "The Sentinel" - was für ein mächtiges Epos! Alle sind ergriffen, dann begeistert und zwingen Rudi, die Nadel noch einmal zurückzusetzen. "Sworn to avenge, come back from hell…The Sentinel!" Und dann dieser spannungsgeladene Mittelteil, bevor die Nummer wieder explodiert! Eine Hymne ist geboren, die auch heute noch ab und zu in den Liveset rutscht und die wie "Victim Of Changes" unter Priestfans absoluten Kultstatus hat. Die Nadel hebt sich – schnell umdrehen! Der mächtige Stampfer "Love Bites" eröffnet die zweite Seite und wenn nach den ersten Dampfhammerakkorden der gnadenlose Gitarrengroove einsetzt, kann man fast schon die Laserblitze zischen hören, die aus den Augen des überdimensionalen Stahlmonsters schießen. Der geborene Hit für die Metaldisco – das ist uns sofort bewusst! "Eat Me Alive" mit seiner ebenfalls gnadenlosen, nach vorne peitschenden Rhythmik erhöht das Tempo wieder, bevor man mit dem melodischen "Some Head Are Gonna Roll" auf einmal wieder den Sommer in der Stube hat. Da ist er wieder, der leicht amerikanische Einschlag – ein dezenter kommerzieller Touch, der in perfekter Balance zur britischen Stahlschmiede steht. Leider hat man einige Jahre später dieses Gleichgewicht zu weit Richtung Kommerz verschoben, aber im Winter 1984 war die Metalwelt noch in Ordnung. Mit der Ballade "Night Comes Down" subsumieren Judas Priest das Lebensgefühl der 80er wie keine zweite Band. In dieser Disziplin sind die Engländer einfach unschlagbar. Hier mischen sich Melancholie und die Leichtigkeit einer von Neonlicht durchfluteten Sommernacht! Gänsehaut pur! Aber dann wird es Zeit für das Titelstück! Das Zweigestirn aus "Heavy Duty" und "Defenders Of The Faith" mit seinem Stadionchor stampft auf eisernen Füßen schwerfällig daher und rasiert mit seinen messerscharfen Gitarren jede Rübe ab, die sich nicht rechtzeitig bangend duckt. Auf der vor einigen Jahren erschienen Remasters-Serie hat man dann noch die ebenfalls hammermäßige Ballade "Turn On Your Light" (aus der "Turbo Lover"-Session) und die in der Long Beach Arena aufgenommene Liveversion von "Heavy Duty/Defenders Of The Faith" als Bonustracks dazugepackt. Perfekt! Aber auch ohne diese Zugabe ist "Defenders Of The Faith" für mich das perfekte Bindeglied zwischen dem Stil der 70er und frühen 80er und der deutlich melodischere Ausrichtung Ende der 80er. In vielem nimmt dieses Album bereits "Painkiller" vorweg, denn Stücke wie "Jawbreaker" oder "Freewheel Burning" hätten auch auf dieser Scheibe ihre Berechtigung. In einzigartiger Art und Weise dokumentiert "Defenders…" das Lebensgefühl der 80er in einer Zeit, in der aus heutiger Sicht, wohl die größte Dichte an Klassikern veröffentlicht wurde: nämlich von Mitte 83 bis Mitte 84. Und "Defenders Of The Faith" ist einer davon. PS: *kleiner Nachsatz – genau diese Show am 5.5. 1984 (seltsamerweise spielen auch heuer Priest wieder am 5.5, aber diesmal in Linz) liegt mir als Radiomitschnitt vor, dessen Qualität mit Ausnahme einiger kleinerer atmosphärischer Störungen echt brillant ist. Wer eine Kopie möchte, wendet sich einfach vertrauensvoll mit einem USB-Stick an mich. Trackliste
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