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Katatonia, Solstafir, SOM
01.02.2023, Backstage, München
"Corona-Blues" hin, Altersschwäche her! Wenn ganz große Ereignisse passieren, steht es außer Frage, dass das Darkscene-Mobil wieder magaziniert wird, um zum gefühlt 500. Mal die Fahrt nach München anzutreten. Wann, wenn nicht für die überragende "Twilight Burials"-Tournee zweier Ausnahmebands, "muss" der Musikgenießer von Format vom gelobt Heiligen Land aus wieder mal in die benachbarte Weißmetropole pilgern.
Zwei der eigenständigsten, besten, innovativsten, fesselndsten, betörendsten und besten Bands der letzten Dekade geben sich bei dieser Double-Headlinertour die Ehre. Katatonia und Solstafir gemeinsam am selben Tourtross. Mehr geht in meiner Welt nicht. Mehr dunkle Schönheit. Mehr erhabene Kunst und mehr Atmosphäre, fernab aller gängigen Muster gibt es nicht. Sowohl die Schweden, wie auch die Isländer musizieren jeher in ihrer ganz eigenen Welt, ohne sich auch nur im Geringsten an große Vorbilder anzubiedern, oder sich mit anderen Bands vergleichen zu müssen. Das allein ist im Hier und Jetzt ebenso herausragend, wie alleinstellend. Dass beide Bands dazu seit knapp zwanzig Jahren immer wieder aufs Neue nahezu makellose Alben abliefern, adelt dieses Package überdies. SOM Während wir noch die letzten Gläser unserer standesgemäßen Augustinerhalben leeren, sind die Amis von SOMbereits mitten drin in ihrem grundsoliden Set. So sind es zwar nur noch 15 Minuten, die wir erleben dürfen, das Fazit scheint aber ähnlich wie beim Studioalbum "The Shape Of Everything". SOM spielen gekonnten, sphärischen Dream Pop mit Post-Rock und Shoegaze-Ambiente. Handwerklich einwandfrei und durchaus interessant, letztendlich und dem Genre entsprechend aber auch sehr gleichförmig und teils natürlich auch eine Spur zu elegisch und hypnotisierend, um live so richtig zu zünden. Wer solche Musik mag, der wird mit SOM durchaus seine Freude haben. Auch ich finde ihre Songs schön und stylish anzuhören. Letztlich aber deutlich lieber auf Platte, als live und heute wäre wohl nicht nur mir lieber, wenn die beiden Headliner je 15 Minuten Spielzeit mehr draufgepackt hätten, als den Amis diese halbe Stunde als Appetizer zu gönnen. SÓLSTAFIR Ich liebe Solstafir und sie fesseln und vereinnahmen mich mit ihrer Kunst, wie es nur wenige andere Bands vermögen. Sicher nicht, weil die Isländer die beste Band der Welt sind. Auch nicht, weil sie die besten Songs der Welt schreiben. Keineswegs. Ihr Aura, ihre Dramatik, ihre Atmosphäre und ihre unfassbar authentische Performance und das zugehörige Gesamtkunstwerk, haben mich aber schon vor vielen Jahren übermannt und ihre Kunst lässt mich bis heute nicht los. Solstafir sind aber auch optisch und in Sachen Präsenz eine unfassbar coole und noch viel "unfassbarer gute" Band. Wer die Nordmänner einmal live erlebt hat, der wird ihnen immer wieder folgen. Zu intensiv, zu übermannend und beeindruckend fesselnd sind ihre Kunst und ihre Performance. Gerne erinnern wir uns an die legendäre Show, im noch legendäreren Weekender Club Innsbruck (zum Livereview). Egal auf welcher Bühne. Egal vor welchem Publikum. Früher oder später, ziehen Solstafir jeden in ihren Bann. Die unscheinbaren und dennoch so intensiv unter die Haut gehenden Melodien, die harschen, teils monotonen, fast hypnotischen Grooves und der wehklagende, aber auch kraftvolle Gesang machen den Sound der Isländer so unglaublich dicht und groß und zu psychedelischem, kargen, düsteren Viking-Post-Rock. Die perfekte Vertonung von "Valhalla Rising". Intensiv, zutiefst emotional, ausladend und packend. Auch heute, wenn die Nordmänner ihren dramaturgisch perfekten Set präsentieren. Die Band ist optisch und in Sachen Stageacting einmal mehr genauso unantastbar, wie auch musikalisch makellos. Der Sound ist kristallklar und perfekt. Mit der ausladenden "Náttmál" Epik-Keule ziehen einen die Isländer gleich unweigerlich tief in ihren Bann. Hypnotisch, betörend und geradezu berauschend ist der, der Klangkosmos ihrer störrischen und eigenständigen Kunst. Langsam nehmen sie einen damit ein, fast meditativ beschleichend lassen sie einen aber einfach nicht mehr los. Ein ruppiges "Köld" setzt markante Akzente, "Melrakkablús" mit seinen groovigen Pop-Vibes prallt auf "Bloodsoaked Velvet" mit seinem harten Intermezzo, bei dem die Band eindrucksvoll in die Seiten drischt. Dreckig heavy und harsch. Auch das sind Solstafir. Vor Allem heute, wo sich fast keine der ausladenden Atmosphäre-Gottgaben der beiden Jahrhundertalben "Bedreyminn" (zum Review) und "Otta" (zum Review) im Set wiederfinden. Das ist schade, angesichts der durch und durch großartigen Show aber verschmerzbar. Spätestens wenn die magischen Melodien der vielleicht andächtigsten Viking-Ballade aller Zeiten ertönen, steht sowieso jedem staunend der Mund offen. "Farja", der Song der diese Band groß gemacht hat, erschallt mit seiner kalten Schönheit und endlosen Melancholie. Inszeniert voller Inbrunst, episch und beeindruckend zugleich. Genau so erhaben und andächtig folgt "Ótta" mit seiner packend elegischen Melodie und tristen ausladenden Kulisse. Solstafir haben mittlerweile längst jeden einzelnen im rappelvollen Backstage in ihren Bann gezogen. Zu betörend klagen sie sich durch ihre düsteren Kompositionen. Zu erhaben offenbaren sie ihren rauen und rohen Sound. Immer zutiefst packend, andächtig, nachdenklich und harsch und spätestens, wenn Solstafir mit "Goddess Of The Ages" das große Finale inszenieren, darf ich mich selbst zitieren: Der Prunk der Solstafir-Songs sind die Melodien und Grooves, die raue Atmosphäre und die emotionalen Farbgebilde der kargen Weiten ihrer Heimat. Die Kunst dieser Band sind ihre betörenden Melodien und Rhythmen die anfangs unscheinbar sein mögen, sich aber immer tiefer in der Seele manifestieren, bis man ihrer Magie und ihrem Bann erliegt und sie nicht mehr loswird. Dramaturgisch perfekt inszeniert und zu Songkolossen aufgetürmt, die immer wieder auf einen magischen Punkt hinsteuern, der verhalten ausbricht und einen endgültig mitreißt. Keine andere Band kann das. Keine andere Band inszeniert ihre Kunst so andächtig und eindringlich. Keine andere Band klingt wie Solstafir! Eine Band mit Charisma und Kraft ohne Ende, die heute einmal mehr einen beeindruckenden Set offenbart und deutlich macht, was für eine bockstarke und perfekt eingespielte Rockband sie ist! 75 Minuten Solstafir sind um und jeder, absolut jeder ist betört und begeistert zugleich! Solstafir Setlist: 1. Náttmál 2. Köld 3. Melrakkablús 4. Bloodsoaked Velvet 5. Rökkur 6. Fjara 7. Ótta 8. Goddess of the Ages KATATONIA Es ist ein schweres Los, das sich Katatonia mit dieser Co-Headlinertour auferlegen. Solstafir sind live so derart beeindruckend und vereinnahmend, dass man schon die ganz große Liveperformance raushauen muss, um da noch einen draufzusetzen. So sehr ich Katatonia verehre und so sehr ich sie vielleicht als die beste Band unserer Zeit beschreiben würde, so klar muss ich eigenstehen, dass die Schweden diese Hürde heute nicht nehmen können. Dafür gibt es letztlich mehrere Gründe. Sicher "nicht" Schuld daran hat die Songauswahl. Die ist wie erwartet makellos. Jeder einzelne Track ist ein Geniestreich und vor Allem die neuen Songs vom "Sky Void Of Stars" Überalbum (zum Review) sind ein zusätzlicher Genuss im perfekten Set, der letztendlich aber mit 75 Minuten leider auch viel zu kurz ausfällt. Einer der Hauptgründe dafür, dass Katatonia mit ihrer überragenden Kunst live nicht so restlos überzeugen wie auf Platte ist der Sound, der heute gerade zu Beginn der Show überhaupt nicht passt. "Austerity" als ohnehin schon fordernder Opener krankt nicht nur an der hektischen Lightshow, sondern auch am katastrophalen Klang. Die Drums sind zu laut, die Stimme verliert sich im Nirgendwo und Gitarren höre ich gar keine. Genauer gesagt schläft mir gerade ganz mächtig das Gesicht ein. Nach der perfekten Klagkulisse von Solstafir ist dieser Start eine amtliche Watschn und Enttäuschung. Katatonia ohne perfekten Sound, das ist absolut unmöglich. Das ist keine Metal-Truppe oder Rock N Roll-Band wo es egal ist, wenn‘s mal nicht so passt. Hauptsache laut und heavy geht hier nicht. Katatonia-Sound muss kristallklar, transparent, tiefgängig und perfekt sein. Die Klangkulisse der Schweden muss high-end sein, um die Kunst in ihrer vollen Pracht zu offenbaren. Das ist sie heute aber leider nicht, auch wenn sich der Sound gottlob zunehmend bessert. Ehrlich gesagt hätte ich mir aber auch gedacht, dass Katatonia mittlerweile auch bühnentechnisch größer sind. Ich hätte gehofft, dass die Schweden ihren so atmosphärisch dichten Klangkosmos in eine zauberhafte, stylishe und stimmungsvolle Lightshow und perfekten Sound hüllen können. In eine visuell große Produktion, die ihrem Klanggebilde die verdiente Größe und Tiefe verleihen würde. Vielleicht sollten sich‘s die Schweden auch einfach leichter machen. Hier kommt nämlich im Gegensatz zum Großteil vieler Bands fast gar nichts vom Band und auch kein Keyboard ist dabei. So fehlen notwendige Klangteppiche und das schmälert die Dichte und Sphäre der Kunst. Livesound in Ehren, aber manchmal darfs dann doch ein wenig mehr sein. Offensichtlich haben Katatonia aber eben doch noch nicht die Größe von Bands wie Porcupine Tree oder Anathema, die es schaffen ihrer Kunst den würdigen Rahmen zu finanzieren. Schade. Nun aber genug der Kritik, denn letztendlich haben Katatonia dann ja doch geliefert und ihre Musik bleibt ja ohnehin unantastbar. Das superbe "Colossal Shade" vom neuen Meisterwerk kränkelt noch am Klang, der Sound wird aber langsam besser und beim ersten großen Klassiker kann man dann langsam aufatmen. "Lethean" ist überragend und natürlich ebenso grandios wie "Deliberation", "Behind The Blood" oder das erhabene "Forsaker". Natürlich. Das ist überirdisch. Kompositorisch über den Dingen. Genial. Melancholisch. Gefühlvoll. Heavy. Katatonia sind eben eine Ausnahmeband und ihre Songs sind nicht von dieser Welt! Die musikalische Ausnahmestellung der Schweden ist nicht zu diskutieren. Genius und Frontman Jonas Renske "brilliert" zwar immer noch mit introvertierter Optik und Undertaker-Frisur und dazu passt auch, dass wie schon vor knapp zehn Jahren an fast selber Stelle (zum Livereview aus der Theaterfabrik) alle Lichter von hinten kommen, sodass man die Band eigentlich nur sehr spärlich erkennen kann. Kann man machen, macht dem Publikum aber eher wenig Spaß. Schöner als die Musik von Katatonia kann indes nur wenig sein. Das nagelneue "Opaline" überzeugt mit zweistimmigen Vocals, das Manifest "Buildings" beweist ebenso deutlich, wie erhaben diese Band ist, wie der Gänsehautmoment "My Twin" vom Referenzalbum "Great Cold Distance" (zum Review). Hier stimmt einfach alles und natürlich nehmen uns die Schweden mit diesen Traumsongs auch richtig mit. Herrlich. Genauso, wie das wundervolle "Atrium", die introvertierte Ballade "Old Heart Falls" und das wunderschöne "Untrodden", das den regulären Set nach "nur" 60 Minuten leider viel zu früh beendet. Unnötig übrigens hier von der Bühne zu gehen, um sogleich wieder für zwei Zugaben anzutreten. Egal. "July" ist natürlich ebenso überragend, wie das auf Ewig endgeile "Evidence". Das Publikum hat die Krankheitsbilder und Symptome mittlerweile auch längst verschmerzt und singt und träumt angefixt mit. 75 Minuten und das war’s dann auch für Katatonia. Es war eine gute, aber eben leider keine magische Show einer der besten Bands unserer Zeit und "Stand heute" sind die Schweden auf Platte in jedem Fall eine Klasse besser als live. Vielleicht schaffen wir es ja irgendwann doch mal, Katatonia in einer würdigen Klag- und Lichtkulisse und mit einer richtig großen Produktion zu erleben. Einer Produktion, die es schafft, all die unter die Haut gehenden Spannungsbögen, die Emotionen und Gefühlswelten, die einfach nur von dieser Band stammen können, perfekt rüberzubringen. Ihre herausragenden und unvergleichlichen Kompositionen voll düsterer Schönheit hätten das jedenfalls schon längst genauso verdient, wie ihre Fans. Katatonia Setlist: 1. Austerity 2. Colossal Shade 3. Lethean 4. Deliberation 5. Birds 6. Behind the Blood 7. Forsaker 8. Opaline 9. Buildings 10. My Twin 11. Atrium 12. Old Heart Falls 13. Untrodden --- 14. July 15. Evidence Am Ende des Tages bleibt nebst der Gewissheit eines weiteren gelungen DS-Trips mit alten Freunden, gutem Bier und toller Musik jedenfalls die Begeisterung darüber, dass wir heute zwei der besten und eigenständigsten Bands unserer Zeit erlebt haben. Zwei Bands, die in ihrer ganz eigenen Welt komponieren und musizieren und von denen wir in Zukunft hoffentlich noch viel erwarten dürfen. Das salomonische Urteil beendet sogleich die heutige Erzählung: Die genialere Band und die größeren Komponisten bleiben Katatonia. Die bessere Liveband und die beeindruckenderen Künstler waren heute aber eindeutig Solstafir Für die Fotos bedanken wir uns ganz herzlich bei Libor Vocaldo , dessen coole Arbeiten ihr hier unter liborvocadlo.eu anchecken könnt! Thanx! |
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