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Schandmaul
02.03.2011, Bierhuebeli, Bern 
 
Heimdall
Heimdall
(12 Live-Berichte)
Kenner sagen der Musik und den Konzerten von Schandmaul einen therapeutischen Effekt nach. An diesem Abend wird der mit Halsentzündung dahinkränkelnde DarkScene-Reporter die Probe aufs Exempel machen. Rein gesundheitlich betrachtet scheint die Fahrt von Genf nach Bern äußerst unvernünftig zu sein, und außerdem hat er noch keinen Schlafplatz organisiert, doch intuitiv deucht ihm, dass dieser Abend beide Probleme lösen wird ... die Sterne stehen günstig!

Nun schreibe ich schon mindestens das fünfte Schandmaul-Live-Review (hier geht's zu den Live-Reviews aus den Jahren 2008 und 2009) und frage mich wieder mal ernsthaft, wie man seine erklärte Lieblingsband denn da noch objektiv rezensieren kann; außerdem sind Lobeshymnen auf die Dauer fad. Irgendwem muss ich in diesem Text also kräftig ans Bein pinkeln. Noch vor dem Konzert fällt meine Wahl auf ... na klar: die Schweizer! ;-) Die Klischeesaison 2011 anno domini ist somit eröffnet ...



Präludium: (Fast) alles über die Schweizer

Also, was kann man über dieses Volk sagen? Der stereotypische Schweizer (und natürlich gleichsam die Schweizerin) an und für sich kommt ja bereits nicht nur mit einem inneren Präzisionsuhrwerk, sondern auch mit einem chronisch stabilisierten Rückgrat zur Welt. Was sich zunächst wie eine Umschmeichelung anhört, ist aber tatsächlich ein beinhartes Klischee vom Stock im Arsch. Kann eine gewisse Folk-Rock-Band vielleicht sogar den konservativen Schweizer aus der Reserve und zum Frühlingstanz locken? Das ist die Herausforderung des heutigen Abends - für beide Seiten! Der re(trans)formationswillige Schweizer erfährt dabei fachkundige Unterstützung durch seine Nachbarn, namentlich die fleißigen Deutschen und die eigentlich eh auch ganz leiwanden Österreicher.

Wie man die Schweizer aufwärmt - Des Königs Halunken

Wer kann dem neutralen Schweizer besser zeigen, wie man sich im Vorfeld königlich amüsiert, als Des Königs Halunken aus Lenzburg, gelegen in der Schweiz höchstselbst? "In einer abgefahrenen Märchenrockshow berichten ein verblendeter König und sein verlauster Hofstaat von ihren Abenteuern", weiß das Quintett über sich selbst zu berichten (siehe Homepage). Schräge Kostüme, kreative Bühnendekoration, eine Mischung aus Mittelalterrock und Kabarett: das kennt man grundsätzlich auch von anderen Standesvertretern wie Feuerschwanz. Aber die Halunken erzählen ihre Märchen um keinen Deut schlechter, sie spielen lustige Instrumente (neben Drehleier und Dudelsack auch z.B. Digeridoo und Xylophon!) und erzählen unterhaltsame Geschichten; rechts seine verhaltensauffällige Majestät, links der überschminkte Hauptmann bzw. Henker, in der Mitte der todgeweihte Vagabund mit seinem unablässigen Schmäh, dahinter der stumme Gitarrenlakai und der gnadenlose Fellklopper.

Sie bewegen sich fleißig auf der kleinen und vollgeräumten Bühne, und das Publikum lässt sich rasch durch gute Laune anstecken. Bei einem Lied über Kannibalen springt ein junger Tarzan im veganen Lendenschurz über die Bühne (und später durchs Publikum), versucht zunächst die Musiker mit dem Plastikmesser zu meucheln und wird dann mit Bier und Wein gezähmt. Herrlich! Ich wage zwar die kühne Prophezeiung, dass diese Halunken nicht den absoluten Durchbruch erzielen werden, da sich der Klamauk mit der Zeit abnützt und die musikalische Meisterklasse zu fehlen scheint - doch gewiss werden sich Des Königs Halunken als gern gesehener Gast auf allen mittelalterlich angehauchten Festivals und Events etablieren (wie z.B. am diesjährigen Festival Mediaval), und natürlich eine stets willkommene Vorgruppe zur Auflockerung für Bands wie Schandmaul sein.

Interludium: Wie man Schweizer Freunde gewinnt

Anekdote am Rande: In der Umbaupause suche ich nach einem gewissen Stefan, den ich zufällig am Weg zum Bierhübeli kennengelernt habe und der mich zu Beginn des Auftritts von Des Königs Halunken seinem Bruder vorgestellt hat. Ich spreche in meiner Verwirrung erstmal den Falschen an (der ihm nicht mal besonders ähnlich sieht, die Sache aber mit Humor nimmt) und halte dann auch noch einen weiteren Unschuldigen namens Philipp für Stefans Bruder. Mit besagtem Philipp komme ich nach diesem auflockernden Start sehr gut ins Gespräch, und wir rocken letztendlich Seite an Seite beim Auftritt von Schandmaul. :-)

Wie man den Schweizern richtig einheizt - Schandmaul

Nach einem überraschend epischen Intro - man möchte meinen, dass gleich eine Band wie Rhapsody mit Eunuchenschrei und wildem Gitarrengefrickel auf die Bühne springt - sieht man die Silhouetten der sechs Traumtänzer von Schandmaul, denen "Kein Weg zu weit" ist, um livehaftig gute Laune zu verbreiten. Die Abmischung erklingt passabel (in DarkScene-Einheiten etwa 8 von 10 Punkten), die Lautstärke ist angenehm moderat eingepegelt. Auf der kleinen Bühne haben die sechs Spielleute wenig Bewegungsfreiheit, die sie jedoch geschickt zu nutzen wissen. Der Sänger Thomas erzählt von der Freude, den "Traumtänzer"-Tourauftakt in Bern spielen zu dürfen, da die Band zu Beginn jeder Tour immer noch etwas nervös ist und jederzeit ein "Missgeschick" passieren kann. Dabei zeigt sich, dass es auch für den Schweizer (in diesem Fall meist männlichen Geschlechts) genauso wie für den Deutschen und den Österreicher nur eins gibt: die Frauen!

Apropos Frauen: optisch gibt es im ersten Moment keine großen Überraschungen. Anna und Birgit erstrahlen in Schönheit und Anmut wie eh und je, und die Jungs ... oha! Der Blick fällt auf den linken Bühnenrand, wo Ducky normalerweise steht - denn jetzt würgt dort ein russischer Türsteher den Sechssaiter, mit schneidiger Frisur und einem Brett von Bart, das sogar Johan Hegg das Fürchten lehrt und ZZ Top vor Neid erblassen lässt. Laut Schandmaul-Tourtagebuch und makellos dargebotenen Gitarrenriffs scheint es sich dennoch um Ducky zu handeln. Sehr verdächtig!

Weiter geht's für eine Weile mit einem Konzentrat aus 2/3 "Traumtänzer"-Songs, insgesamt werden 9 von 14 Stücken des neuen Albums gespielt. "Auf hoher See" kommt auf Anhieb gut an, und nach "Assassine" folgt die nicht nur für Schweizer wichtigste Message des Abends: "Leb!" - wer dieses Lied einmal kennen und zu schätzen gelernt hat, kann sich beim letzten Atemzug wirklich nicht mehr darauf herausreden, es nicht besser gewusst zu haben. Aber die Schandmäuler belehren nicht, sie erzählen Geschichten. Wie zum Beispiele diejenige vom "Alchemist", der den Weg ins Licht sucht und vor lauter Gier nicht findet. Da kann jeder was mitnehmen, die einen Inspiration, die anderen das Gold der Welt. Na, das passt ja für den Schweizer wie die Faust aufs Auge! Zur "Tür in mir" flippt der Schweizer übrigens so richtig aus und lässt dabei den Grazer uralt aussehen. Die Flucht nach innen, ganz introvertiert, so mag es der Schweizer, oh ja. Er mag aber auch "Käpt'n Koma" und den ältesten Schandmaul-Song "Teufelsweib". Das mag der Grazer auch.

Nun wird bei Duckys Klampfe eine von mehreren technischen Panne behoben, was Thomas und Anna zu einer ausführlichen Ankündigung von "Bis zum Morgengrauen" nutzen. Auf Amazon wurde der Song teilweise als platte Annäherung an Twilight verrissen, aber in Wahrheit sieht das so aus: den Vampirschnösel findet einfach niemand ernsthaft geil, aber den scharfen Eckzähnen einer rassigen Spanierin würde Thomas sich doch gerne hingeben (deshalb also die Flamenco-Parts!). Anna legt noch eins drauf und beichtet, dass sie den Text ursprünglich zur Angstbewältigung geschrieben hat. Danach werden "Die Rosen" gestreut, naja, eher lauwarm. Und überraschenderweise kommt "Geas Traum" live nicht halb so überwältigend, wie der flotte Dudelsack das vermuten ließe. Das Lied klingt ja nett, aber da fehlt irgendwie der Pep!

Schon deutlich mehr Bewegung bringt der "Drachentöter" ins Spiel, und beim "Traumtänzer", dem ich auf dem Album gar nicht so viel Potential attestierte, geht so richtig die Post ab. Wahnsinn, welche Energie im Schweizer steckt! Thomas wertet den Song mit einem gravierenden Texthänger so richtig sympathisch auf und Birgit hilft ihm lachend auf die Sprünge. Dabei zeigt sich einmal mehr, dass die Schandmäuler auch "nur" Menschen sind und keine Scheu kennen, dies auch zu zeigen. Auf den "Pakt" folgt ein kurzer "Lichtblick" und dann verhext der neue Live-Kracher "Hexeneinmaleins" selbst den bewegungsresistentesten Besucher. Zwei Klassiker helfen uns dabei, die überschüssige kinetische Energie wieder abzuführen: "Frei" und "Walpurgisnacht". Es folgt der erste Abgang. Skandal im Bernbezirk?

Mitnichten! Kenner der Schandmaterie wissen längst, dass nach 19 Nummern noch lange nicht Schluss ist - wenngleich der frische Nachwuchs von Birgit sowie Ducky durchaus als Grund dienen könnte, das Set zu verkürzen. Denn wo Schandmaul draufsteht, ist ein langes Set drin. Wir klatschen die Band zurück auf die Bühne, und von tiefrotem Bühnenlicht durchflutet tanzen wir den "Feuertanz". Dann schlüpft Thomas in eine seiner Lieblingsrollen und steigt als "Der Spion" geheimnisvoll, ja fast schon rappend, auf der Bühne umher. Solche Geschichten gefallen nicht nur kleinen Kindern. Ja, bei Schandmaul darf man in jedem Alter wieder richtig Kind sein, das macht vielleicht auch den Reiz dieser Performance aus. Und ohne "Dein Anblick" geht mal gar nix! Ob Schandmaul diese poetische Hymne jemals toppen kann, darf getrost bezweifelt werden. Auch der hartgesottenste Metaller im Publikum singt den Schnulz-Refrain ein gefühltes Dutzend mal oder sogar länger, sehr zur Freude der Musiker. Die Feuerzeuge brennen noch immer beim zweiten Abgang. War es das nun?

Keineswegs! Denn Schandmaul gibt traditionell erst nach der kollektiven Verneigung vor dem Publikum w.o., und für dieses Ritual ist es noch viel zu früh. Nicht eine, nicht zwei, sondern ganze vier Nummern folgen und erhöhen den Zähler auf 26. Zuerst kommt der "Krieger", wo Hagen des Siegfrieds sterbliche Hülle zu Tode piesackt. Dann die nicht minder heimtückische "Mitgift" und abschließend endlich zwei uralte Nummern vom ersten Album: "Trinklied" und ... wir wissen ja, unverzichtbarer Herzschmerz, was willst Du mehr? Ja genau: "Willst Du" lautet die abschließende Frage, nochmal hoch die Feuerzeuge, nochmal wahlweise die bessere Hälfte liebkosen (falls zur Hand) oder im Herzschmerz schwelgen, den Stock im Arsch vergessen und den weichen Kern raushängen lassen. Zuletzt noch ein Gustostückerl: "Auf Euch" - dem kann sich die Menge nur anschließen! Es ist beinahe überflüssig zu erwähnen, dass die Band sich nach einer kurzen Pause wie gewohnt unter die Fans mischt, Autogramme gibt und für allerlei Schabernack zur Verfügung steht - so wie auch Des Königs Halunken.

Postludium: Resümee

Berauscht von diesem so herzhaften Auftritt kann ich meine Sympathie für Schandmaul (wie eingangs vorgewarnt) erneut nicht verhehlen. Was lässt sich kritisieren? Der Sound war nicht optimal, Duckys Klampfe fiel manchmal aus, Anna und Birgit hätten oftmals ein bisserl mehr Lautstärke vertragen, und die Bühne war zu klein. Einige alte Hits (z.B. "Herren der Winde") mussten leider den neuen Songs weichen, denn sieben Alben mit etwa 100 Nummern sind halt doch eine Menge Schandmaterial. Ja, und Schandmaulkonzerte sind einander im Grunde ähnlich, der Einwand "nicht viel Neues" wäre also im Grunde berechtigt. Aber der Schmäh ist, dass es ja gar nicht darum geht, mit Innovation überhäuft zu werden. Nicht umsonst fahren zahlreiche Fans gleich zu mehreren Konzerten derselben Tour, wovon auch das Schandmaul-Forum Zeugnis ablegt. Schandmaul live macht einfach gute Laune, bringt Glück und Zufriedenheit, weckt das Kind in Dir, befreit von Fesseln und Zwängen, vertreibt Ängste, heilt Sorgen und führt Dich ganz zwanglos zu Dir selbst zurück. Bei diesem therapeutischen Nutzen wirst Du freiwillig zum Wiederholungstäter. Und somit kann ich für den Rest der "Traumtänzer"-Tour, insbesondere für das kommende Konzert in der Arena Wien am 23.06.2011, nur eine ausdrückliche Empfehlung aussprechen, ja sogar eine ärztliche Verschreibung urgieren!

Und was kann ich abschließend über den Schweizer sagen? Nur Positives: der Schweizer mag eingangs etwas verhalten sein, doch dann geht er aus sich heraus, er tanzt, singt, lacht und springt wie seine Nachbarn, denn vor Schandmaul sind alle Menschen gleich. Er feiert ausgelassen, lässt sich zum waschechten Traumtänzer verzaubern und bezwingt alle Stereotypen. Hinter der Bar im Bierhübeli ist er freundlich und zuvorkommend, unter den Fans nach dem Konzert ausgesprochen gastfreundlich (vielen Dank an Philipp und seine Freundin, die mir spontan ein Gästezimmer zur Verfügung stellten :-)).
Kurzum: der Schweizer rockt!
Und der Österreicher?
Da bin ich jetzt supernackt.



So wurde in Bern geschandmault:

0. Intro
1. Kein Weg zu weit
2. Missgeschick
3. Auf hoher See
4. Assassaine
5. Leb!
6. Alchemist
7. Tür in mir
8. Käpt´n Koma
9. Teufelsweib
10. Bis zum Morgengrauen
11. Die Rosen
12. Geas Traum
13. Drachentöter
14. Traumtänzer
15. Pakt
16. Lichtblick
17. Hexeneinmaleins
18. Frei
19. Walpurgisnacht

Zugabe 1:
20. Feuertanz
21. Der Spion
22. Dein Anblick

Zugabe 2:
23. Krieger
24. Mitgift
25. Trinklied
26. Willst Du

Bonus:
27. Auf Euch
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