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Tarja
20.05.2008, Orpheum, Graz 
Storm in Europe  
Heimdall
Heimdall
(12 Live-Berichte)
Nicht nur ganz Graz war mit den gelben Plakaten und der Diva im roten Kleid zugepflastert, auch die Bundeshauptstadt Wien zierten Ankündigungen des nahenden Sturmes in Europa. Wer braucht da noch Christa Kummer, wenn man eh schon weiß, wie am 20.05.2008 in Graz das Wetter sein wird? In der Tat ist Petrus so frei, uns mit ausgiebigem Niederschlag auf das vorerst einzige heimische Tarja-Konzert einzustimmen. Mairegen macht bekanntlich schön, und um angesichts der bezaubernden Schönheit aus Finnland nicht wie das Biest dazustehen, strecke ich tagsüber mal vorsorglich mein Antlitz gen Himmel.

Das Orpheum Graz ist diesmal mit etwa 600 Besuchern recht angenehm ausgelastet, und einen Platz in der zweiten oder dritten Reihe zu ergattern fällt erfreulicherweise nicht schwer. Der Anteil an Schwarzgekleideten scheint gering, von Jung bis Alt ist alles vertreten, die Frauenquote ist relativ hoch.

Der Konzertabend beginnt mit einem Soloauftritt: eine freundliche Dame betritt die Bühne und präsentiert den Bassisten Doug Wimbish, der schon mit Größen wie Madonna, Annie Lennox und Living Colour auf der Bühne stand. Dieser bedankt sich wortreich und widmet seine erste Nummer gleich mal seiner Freundin. Die folgenden Minuten vergehen wie im Schneckentempo. Man darf sich das etwa so vorstellen: ein Weltklasse-Bassist dudelt eine langsame Nummer auf seinem Instrument und schläfert damit die versammelte Zuhörerschaft ein. Na, das kann ja Eiter werden! - Das nächste Stück bringt schon eine erhebliche Steigerung mit sich, Doug zeigt mehr von seinem Können und untermalt sein Gefuhrwerk mit flotten Beats aus der Konserve. Stilistisch passt es immer noch nicht ganz zum Headliner des heutigen Abends, und der Applaus fällt dementsprechend spärlich aus.

Dann holt Doug Verstärkung: Mike Terrana setzt sich an die Felle, Alex Scholpp hängt sich den Sechssaiter um, und Max Lilja schnappt sich das Cello. Doug verschafft kurz seinem Unmut über einen gewissen Texaner (wir wollen hier keine präsidentialen Namen nennen) Luft, schliesst seine Einleitung wie immer mit einem "Check it out!" ab (Schmunzeln im Publikum) und dann geht endlich mal die Post ab. Mike drischt wild drauflos. Doug viechert sich am Bass einen ab, entlockt diesem die erstaunlichsten Töne & Effekte, und spielt teils sogar mit der Zunge. Der Text strotzt nur so vor poetischer Lyrik à la "CIA, FBI, CNN ... Terrorism!". Naja, irgendwann ist auch dieser Spuk vorüber, und nachdem wir genug von Dougs bemerkenswertem Können outgecheckt haben, bedankt er sich herzlich bei uns und räumt mit seinen Kumpanen das Feld. Ein toller Auftritt, aber leider etwas fehlplatziert.

Nun ruhen die Hoffnungen auf Passionworks, der offiziellen Supportband von Tarja. Das finnische Quartett kommt dem Hauptthema des Abends stilistisch betrachtet schon deutlich näher. Pop-Rock mit Gothic-Anleihen, klingt gar nicht mal so schlecht, aber auch nicht wirklich mitreißend. Sängerin Harry trägt ein türkisblaues Ganzkörperkostüm und dazu eine braune ... Bärenfellmütze? Etwas gewöhnungsbedürftig, aber passend zum aktuellen Longplayer "Blue Play". Kristian springt mit dem Bass gleich zu Beginn wild herum, während Ersatzgitarrist Jussi sein kleines Territorium am linken Bühnenrand eher statisch verteidigt. Dafür erheitert er das Publikum mit Ansagen à la "Graz, you rock!", selbst wenn wir noch gar nicht wirklich gerockt haben. Harrys Gesang spielt sich meist in denselben Stimm- und Tonlagen ab und weiß auch von der Treffsicherheit nicht restlos zu überzeugen. Doch sympathisch ist die Frontfrau, keine Frage. Zwischendurch fragt sie öfters "Are you ready for Tarja?", um dem Gejohle mit einem schelmischen "We too, so we will play three more songs for you!" zu begegnen. Bei der letzten Nummer "Falling" kommt dann auch endlich richtig gute Stimmung im Publikum auf. Insgesamt also ein sympathischer, wenngleich etwas lasch anmutender Auftritt einer Combo mit Potential, die auf diversen Alternative- und Pop-Rock-Festivals sicher gut aufgehoben sein dürfte.

Nach einem etwas längeren Umbau verlöschen wieder die Lichter im Saal, und das eher helle Gejohlkreische verrät den hohen Frauenanteil des heutigen Abends. Da kann auch das überwiegend männliche Tarja-Lineup das Ruder nicht herumreißen! Am Bass steht wieder Doug Wimbish (ex-Madonna etc.), den Sechssaiter würgt Alex Schopp (ex-Farmer Boys). Mike Terrana (Masterplan, ex-Rage) streichelt liebevoll die Felle, Max Lilja (Hevein, ex-Apocalyptica) fiedelt und zupft am Cello. Familiäre(?) Verstärkung für Tarja kommt von Toni Turunen, der sich um zusätzliche Gitarrenklänge ebenso kümmert wie um Percussion, auf dass Mike bei seinem Ganzkörpereinsatz nicht gar so sehr schwitzt. An den Tasten steht die hübsche Maria Ilmoniemi und steuert auch die wohlklingenden Backing Vocals bei. - So, und wen haben wir jetzt vergessen? Natürlich die Diva, den lang ersehnten Star des heutigen Abends, die zauberhafte Opernstimme, die bildhübsche Dame in farbenprächtigen Gewändern. Tarja Soile Susanna Turunen Cabuli. Kurz: Tarja. Man muss den Namen direkt andächtig mit einem rollenden "r" aussprechen, sonst klingt er gar zu banal.

Die erste Frage des Abends lautet: mit welchen Kleidkompositionen wird Tarja heute Abend das Auge erfreuen? Zum Auftakt - "Lost Northern Star" - erscheint sie in blau-weiß. Ich sage "erscheint", weil sie nicht einfach so die Bühne betritt. Tarja weiß sich zu bewegen, kommt auf hohen Absätzen langsam heraus, hält strahlenden Augenkontakt mit dem Publikum ... und wechselt dann ohne Umschweife zu Pommesgabel und astreinem Headbanging. Eine Spur sanfter geht es mit "My Little Phoenix" weiter. Danach die erste Ansage, wie schön es ist zurück zu sein, "this time on my own" (Moment, da waren doch noch ein paar weitere Musiker auf der Bühne?). Bei Finnen ist für mich oft schwer zu sagen, ob die Worte wirklich vom Herzen kommen oder doch eher einstudiert sind. Aber das ist jetzt erstmal zweitrangig. Geringfügig umarrangiert, und dabei nicht minder geil, walzt der Nightwish-Kracher "Passion and the Opera" aus den Boxenwänden. Da kommen die alten Fans gleich mal ordentlich auf ihre Kosten! Mit "Minor Heaven" folgt eine starke Tarja-Nummer, und dann die nächste Überraschung: "Nemo". Na bumm! Selig waren die Zeiten vor dem Split. Selig sind sie immer noch, wenn eine Sängerin die alten Nightwish-Songs singt, die auch stimmlich das Zeug dazu hat. Die hochprofessionellen Musiker liefern dazu die perfekten Rahmenbedingungen.

Apropos perfekt: da stimmt wirklich jeder Ton. Das Tarja-Album "My Winter Storm" (zum Review) ist ja produktionstechnisch gesehen erste Sahne - dieses Niveau auch live zu halten, alle Achtung! Rhythmus und Klänge werden präzise, ja fast schon zu präzise wiedergegeben. Vielleicht fehlt hie & da auch mal ein bisserl Dreck am allzu sauberen Klangteppich... wir sind hier ja nicht in der Oper! Und auch das Publikum wirkt immer wieder verhalten, es kommt nicht so richtig in Bewegung. Was leider ebenfalls fehlt, ist der Saft, den Max Lilja so gekonnt aus dem Cello presst. Man sieht ihn am mächtigen Gerät fiedeln, zupfen, sägen, streicheln ... jedoch: das Cello seh' ich wohl, allein mir fehlen die Klänge! Der Traum von der perfekten Abmischung bleibt also wieder einmal unerfüllt. Ja, mehr Cello und mehr Dreck, das wär's. Rauf damit auf die Wunschliste, das nächste Christkind kommt bestimmt.

Wir haben uns gerade erst frisch vom angenehmen "Nemo"-Schock erholt, da schwebt Tarja in einem weißen Kleid zurück auf die Bühne. Beim Umziehen müssen ihr wohl ein Dutzend Heinzelmännchen (und/oder Heinzelweibchen?) helfen. Es ist wie verhext, dieser Dame steht einfach alles. Tarja im blau-weißen Kleid. Tarja ganz in weiß. Tarja in schwarz-weiß. Tarja in schwarz. Tarja im Lederrock mit rotem Corsage-Oberteil und roten Armstulpen. Wahrscheinlich wirkt Tarja sogar im Stormtrooper-Outfit bezaubernd, das heute aber in der Faschingskiste bleibt. Obwohl... vielleicht Tarja als Arwen? Sie könnte bei "The Two Towers" beispielsweise "Our Great Divide" trällern, oder bei der Hochzeit mit Aragorn den "Ghost Love Score" darbieten. Noch besser, ein "Beauty and the Beast" Duett mit Sméagol höchstselbst? Tolkien wäre bestimmt entzückt! - Jedenfalls staune ich nicht schlecht, als Tarja bei "I Walk Alone" die Töne teils rauh, ja richtiggehend lasziv ansingt. Alter Schwede, übertrifft die junge Finnin da gerade das Album? Oder verhext sie gekonnt meine Ohren?

Eine weitere Frage dieses Abends: wird Mike Terrana eines seiner berüchtigten 20-Minuten-Drumsolos spielen? Die Antwort lautet: jein. Aber ein paar Minuten müssen schon drin sein. Zuerst beim Auftritt von Doug Wimbish, und jetzt nochmal. Die Crew macht daraus ein Instrumentalstück, das als Intro zum recht heavy klingenden "Ciaran's Well" fungiert. Tarja hat die Pause natürlich wieder zum Umkleiden genutzt. Danach ein paar einleitende Worte über ihre romantische Ader, gefolgt von - welch Kontrast! - "Our Great Divide". Für mich eine der traurigsten und zugleich schönsten Balladen überhaupt, Gänsehaut pur. Da dürfen natürlich auch die Sprühkerzen in der ersten Reihe nicht fehlen. Das Spiel mit den Kontrasten setzt sich im heftig bejohlten "Phantom of the Opera" fort, wo Toni Turunen gekonnt in die Rolle des Phantoms schlüpft. Kaum zu glauben, dass die beiden verwandt sind, wo doch Toni einen guten Kopf kleiner ist als Tarja und mindestens drei mal so starke Oberarme hat! (Oder sind sie doch nur Namensvetter? Selbst das allmächtige Internet schweigt sich darüber aus!)

Es folgen "The Reign", das bombastische "Sing For Me", dann "Oasis" und der Alice-Cooper-Smasher "Poison", der live deutlich besser rüberkommt als auf der Platte. Anschließend die erste Verschnaufpause vor den Zugaben. Dass die Band dann aber gleich mit dem obergenialen "Wishmaster" weiterrockt, damit hätte niemand gerechnet. Wahnsinn! Sie spielen die Nummer auch wirklich astrein. Und so sehr ich der neuen Nightwish-Sängerin Anette auch eine Steigerung wünsche und vergönne: da liegen einfach Welten zwischen ihr und Tarja. Mit dem flotten "Die Alive" weiß diese auch eigenständig nochmals zu begeistern. Eine weitere Pause vor der zweiten Zugabe - Tarja sitzt alleine am Keyboard und trällert "Calling Grace". Ein schöner Abschluss! Dann kommen nochmals alle Musiker auf die Bühne, umarmen und herzen einander, und verneigen sich dann noch gemeinsam mehrmals vor dem Publikum.

Schön war's also, und doch hat etwas gefehlt. Man kann sich auch der sehnsüchtigen Gedanken an selige Nightwish-Zeiten nicht gänzlich erwehren. Tja, was die Mächte des Schicksals einst kunstvoll verwoben haben, soll der Mensch nicht trennen! Hat er aber, und so müssen wir uns daran gewöhnen, dass Tarja ohne Nightwish eben Tarja bleibt, und dass Nightwish ohne Tarja eben auch anders klingt. Mögen aus beiden Welten noch viele zarte und/oder harte Klänge an unsere dürstenden Ohren dringen. Vielleicht verschmelzen sie ja rein zufällig mal wieder miteinander. Die Hoffnung stirbt zuletzt! Bis dahin genießen wir, was wir haben - großartige Musik an und für sich.

Summa summarum:
- ca. 600 Besucher
- stilistisch gewöhnungsbedürftiger Auftritt von Doug Wimbish, dessen Können jedoch außer Frage steht
- nette, jedoch etwas lasch wirkende Performance von Passionworks
- hochprofessioneller Auftritt von Tarja & Co.
- fast schon zu saubere musikalische Darbietung
- leider viel zu leise abgemischtes Cello
- Tarja singt erstklassig, trifft jeden Ton, besticht als Frontfrau in jeder Hinsicht
- Tarjas wunderschöne Gewänder erfreuen auch das Auge :-)
- 4 Nightwish-Covers (wenn man "Phantom of the Opera" mitrechnet)
- Tarjas Ansagen wirken teils etwas aufgesetzt
- das Publikum geht meist nicht so ganz mit

Wir wünschen uns also für die Zukunft:
- mehr Tarja-Auftritte
- mehr Tarja-Alben
- mehr Dreck (das muss rocken!)
- vor der Pension nochmal eine Reunion-Tour mit Tuomas & Co.

Zumindest die ersten beiden Wünsche sollten in den kommenden Jahren in Erfüllung gehen ...

Tarja-Setlist:
01. Lost Northern Star
02. My Little Phoenix
03. Passion and the Opera
04. Minor Heaven
05. Nemo
06. I Walk Alone
07. Ciaran's Well Intro - Drum Solo usw.
08. Ciaran's Well
09. Our Great Divide
10. Phantom of the Opera
11. The Reign
12. Sing For Me
13. Oasis
14. Poison
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15. Wishmaster
16. Die Alive
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17. Calling Grace
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