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8.5
Genau das liebe ich so an meinem "Job": Es gibt immer wieder Veröffentlichungen, die dich überraschen oder gar erstaunen. So geschehen zuletzt im Falle der Berliner QUASIMODO.
Die Band wurde bereits 1984 in Köpenick gegründet und musizierte im real existierenden Sozialismus, den man schlussendlich überdauerte, ohne nachweisbare Veröffentlichungen vor sich hin. 1993 wurde schließlich das erste Demo aufgenommen. Zwischen 1998 und 2003 veröffentlichte man zudem drei Alben, dann verlieren sich die Spuren von QUASIMODO. Die beiden Gründungsmitglieder Marco Wegener und Roland Czyrny finden schließlich 2012 wieder zusammen und wagen gemeinsam mit Drummer Rene Jauernik (Jacob`s Fall) und Sänger Stephan Kohlhoff einen neuen Aufschlag. Ich lerne das Quartett mit dem 2017er Comeback-Album "One Shot" kennen, was mir zwar ganz gut gefällt, mich mit seinem von AC/DC- und Motörhead- beeinflussten Sound aber nicht wirklich aus den Socken haut. Kohlhoff quittiert kurze Zeit später den Dienst und man steht nun ohne Frontmann dar. Da dieser Zustand anscheinend nicht behoben werden kann, macht man aus der Not die berühmte Tugend und beschließt, mit Gastbarden zu arbeiten. Im April des laufenden Jahres kommt dann schließlich "Cancer City" raus, welches Rene mir vor Kurzem zuspielte. Als ich das toll aufgemachte Digipak aufklappe und die beiden Gitarristen mit ihren AC/DC- und Motörhead-Shirts sehe, denke ich zunächst sowas wie "Im Osten nix Neues", aber schon das eröffnende Titelstück lässt meine Kinnlade ziemlich weit nach unten klappen. Die Produktion haut dir erstmal richtig in die Fresse: Der Drumsound klingt sehr natürlich und die Gitarren richtig fett. Der Sänger kommt mir gleich bekannt vor und dem Booklet entnehme ich, den Namen Björn Gooßes, den man nicht nur von seinen eigenen Bands The Very End und Harkon, sondern auch von seiner Graphikfirma Killustrations kennt, sodass er auch für das coole Coverartwork verantwortlich zeichnet. Jeder der 18 Songs auf "Cancer City" wird von einem anderen Sänger bzw. bei ‚Lady Insane’ von der Sängerin Saskia Hedzet (Last Jetson) übernommen. Dazu kommen eine ganze Reihe weiterer Gastmusiker, die genau wie die Gastvokalist/innen, sogar Songwritingcredits einheimsen konnten. Demnach sind die Stücke den jeweiligen Vokalakrobat*innen tatsächlich auf den Leib geschrieben worden. Und so gelingt QUASIMODO hier das Kunststück, stilistisch völlig unterschiedliche Richtungen einzuschlagen und trotzdem alles wie aus einem Guss klingen zu lassen. So hat ‚Pride Is Gone‘ mit Tankard‘s Gerre am Mikro eine gehörige Slayer-Schlagseite, während ‚No Exit, das von Christian Faust intoniert wird, ein lupenreiner Gothic Rocker ist. Kein Wunder, ist dieser doch hauptamtlich bei Jauerniks Zweit(bzw. Erst-)band Jacob`s Fall. Der Text kommt hier übrigens, wie bei einigen anderen Tracks, vom Drummer höchstselbst. An dieser Stelle alle 18 Songs zu würdigen, sprengte leider den Rahmen, aber als meine persönlichen Highlights seien (mit Sängern in Klammern) folgende genannt: ‚Deadlock‘ (Peter Diersmann/Savage Blood), ‚Unleash The Young‘ (Ben Jackson/Crimson Glory), ‚Double Presence‘ (Gunter Christian/Factory Of Art), ‚Ruled By Addiction‘ (John Gallagher/Raven) und ‚The Bavarian Vampire‘ (Franz Herde/Sieges Even). Letzterer ist durch die Bass-Tracks von Oliver Holzwarth quasi eine halbe Reunion der alten Sieges Even, was ich persönlich hart feiere. Wie QUASIMODO es geschafft haben, all diese Koryphäen zusammenzutrommeln, wird wohl ihr süßes Geheimnis bleiben. Zumindest von Rene weiß ich, dass er durch seine musikalische und journalistische Umtriebigkeit für Breakout und Way Up ein großes Netzwerk aufgebaut hat, das hier sicher gute Dienste leistete. Der Aufwand hat sich in jedem Fall gelohnt. Dass man es auch ganz ohne fremde Hilfe immer noch kann, beweist ‚My Inner Hell‘, bei dem Bassist Ronald den Gesang übernimmt und der den Jungs mit seiner Thrash-Schlagseite verdammt gut zu Gesicht steht. Die endgeile Gitarrenarbeit von Marco und Max (der etliche Soli beigesteuert hat) Wegener soll am Schluss nicht unerwähnt bleiben. Insgesamt ein ganz dickes Brett, das hier mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit gebohrt wird, und das Ihr unbedingt selbst mal anbohren solltet. Hier findet Ihr die Jungs: Quasimodo auf Facebook. Trackliste
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