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10.0
10 lange Jahre mussten die Fans der gepanzerten Heiligen auf ein neues Studioalbum warten, 10 lange Jahre, in denen sich in der Szene vieles gewandelt hat, 10 Jahre, in denen Metal jedoch immer noch ordentlich im Mainstream mitschwimmt und schwermetallene Spitzenverdiener wie Metallica oder AC/DC die größten Stadien dieser Welt problemlos innerhalb weniger Stunden ausverkaufen können. 10 Jahre aber auch, in denen Saint-Bassist Joey Vera mit seinen Hauptbrötchengebern Fates Warning neue Wege in eine schöne, neue Welt voller Computerbeats gegangen ist, und 10 Jahre, in denen Saint-Vokalist John Bush mit einer anderen mickrigen Combo namens Anthrax ausgiebigst das alte Rein-Raus-Spiel getrieben hat, bis es sogar den loyalsten Fans zu bunt wurde und inzwischen kein Hahn mehr nach den stinkigen Milzbrand-Erregern um Frontgnom Scott Ian kräht.
Doch auch bei Armored Saint, die inzwischen wohl so etwas wie ein Freizeitprojekt der beteiligten Musiker sind, hat sich einiges getan im Vergleich zum letzten regulären Studioalbum "Revelation" aus dem Jahre 1999. Die Besetzung ist zwar seit Jahrzehnten unverändert, doch beim Songwriting gehen die Masterminds Joey Vera und John Bush keine Kompromisse mehr ein. Schon beim ersten Durchlauf von "La Raza" wird klar, dass Armored Saint im 21. Jahrhundert so frisch wie nie zuvor klingen, und dazu immens abwechslungsreich zu Werke gehen. Zwar erscheint das Songmaterial zuerst mal etwas sperrig – der Opener "Loose Cannon" verwirt beispielsweise zunächst mit verquerer Rhythmik, dafür entschädigt dann der großartige Refrain - doch mit jeder neuen Rotation wächst dieses Meisterwerk wieder und wieder. Alle Saint-Trademarks sind hier zuhauf vorhanden, geradeaus treibende Rocksongs mit viel Groove, fette Gitarrenriffs, eine im Rock-Bereich einzigartige Rhythm-Section und natürlich die großen Melodien und charismatischen Vocals von John Bush, der mit bald 50 immer noch jedem Jungspund zeigt, wie man ordentlich rockröhrt. Auffällig ist auch, dass La Raza ein stellenweise ziemlich ruhiges Album geworden ist, wo auch unverzerrte Gitarren und weniger metallische Klänge ihre Berechtigung haben, beispielsweise im getragenen und passend zum Titel ziemlich entspannten Song "Chilled" oder dem sich in einem absoluten Großkaliber von Killerrefrain entladenden "Black Feet". Aber dass hier keine Missverständnisse aufkommen: Das in seiner Grundkonzeption ziemlich lächerliche, dadurch vollkommen unnötige und mir persönlich zutiefst zuwidere Klischee der metal-üblichen Kitschballaden-Schnulzette, wo Föhn-gestylte Pseudo-Härtlinge ihre latent homoerotische Seite ausleben, indem sie der hauptsächlich männlichen Hörerschaft ihren weichen Kern offenlegen, sucht man auf "La Raza" vergeblich; Kuschelrock-Kompatibilität gibt es anderswo. "La Raza" ist auch ein weiter Beweis dafür, dass geradliniger Metal aus der Schwanzrock-Metropole L.A. nicht zwingend gleichbedeutend sein muss mit stupidem Dumpfbacken-Gepoltere und Primitivstriffing der Marke Hairspray-Tunte, sondern durchaus mit hohem Niveau aufwarten und mehr als nur der Soundtrack zum nächsten Koma-Besäufnis oder Highway-rauf-runter-Gebolze sein kann. Diese totale Verweigerung sich an aktuelle Trends anzubiedern, sondern konsequent den ureigenen Sound weiterzuentwickeln und zu perfektionieren, darf man Armored Saint hoch anrechnen. Und dementsprechend ist es wohl mehr als nur ein kauziger Spleen, wenn die Kalifornier "La Raza" fast vollkommen analog aufgenommen und abgemischt haben, sich damit also nicht dem Diktat der sterilen, hochglanzpolierten Digitalproduktion als quasi heutiger Industriestandard gebeugt haben. Trotzdem klingt jeder einzelne Song zeitgemäß und modern, druckvoll und klar differenziert. Und wie schreibt Bassist Joey Vera im Presseinfo zum neuen Album: " The most important thing is the spirit of the music, and with the tape hiss comes a reminder that we come from a time when the perfect performance or the perfect volume did not make the music any better." Wie wahr, wie wahr… Armored Saint demonstrieren aufs Neue, dass weniger tatsächlich sehr oft mehr sein kann. Denn auch wenn die Kalifornier in 28 Jahren Bandgeschichte nur sechs vollständige Studioalben zustande gebracht haben, können sie nicht ohne Stolz von sich behaupten, dabei keinen einzigen schwachen Song produziert zu haben. Gut Ding will eben Weile haben und somit genehmigt der Professor Armored Saint 10 von 10 möglichen weiteren Jahren Arbeitszeit bis zum nächsten Studioalbum. Trackliste
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Reviews
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