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8.5
Long Distance Calling präsentieren uns auch auf ihrem neuen, selbstbetitelten Album ihr mutiges und gewagtes Konzept, nämlich zeitgenössischen Instrumentalrock, der bewusst auf einen Sänger verzichtet. Wer die Band bisher nicht kannte, dem seien als grobe Anhaltspunkte Ozric Tentacles, Pink Floyd, Tool, Porcupine Tree aber auch Rush oder „unharte“ Katatonia oder Opeth genannt.
Wie schon auf dem Vorgänger "Avoid the Light" (2009) offenbart auch "LDC" ein perfektes, homogenes Zusammenspiel der Saitenfraktion, die den Hörer mit seidenweichen Tönen sanft umschmeichelt oder mit erdigen, organischen Riffs wachrüttelt. Auch der Drummer ist ein Meister im Streicheln bzw. wuchtigen Bearbeiten seines Instruments, ergänzt wird dieses Ensemble durch ein moderat und unauffällig eingeflochtenes Keyboard, das sowohl als Seventies-Rock-ähnliche Orgel als auch als sphärig-flächige Unterpolsterung und Voluminisierung des LDC´schen Klangspektrums dient. Trotz der Anlehnung an oben genannte Referenzbands verlieren sich die Münsteraner nicht in vertrackten, Jam-ähnlichen Prog-Monstern, sondern stellen ihre Virtuosität in den Dienst des Songs, was gerade im Hinblick auf das Fehlen eines Sängers mehr als wichtig erscheint. Folglich ist der neue Dreher ein intensives Hörerlebnis zwischen eruptiven Riffkaskaden und sphärischer Verzückung, das es einem leicht macht, in den Hörgenuß einzutauchen und sich auf die Platte einzulassen, sich zu verlieren und abzugleiten in den akustischen Kosmos, den die fünf Deutschen kreieren. Doch gerade wenn man einem musikalischen Gedanken gefolgt ist oder in eine tonale Klangblase vollends eingetaucht ist, verblüffen die fünf Virtuosen mit genialen kleinen (oder großen) Ideen (Bass-Tapping oder Southern Rock Einflüsse) und legen die nächste Spur für die Musikspürhunde und Trüffelschweine auf der Suche nach dem nächsten brillianten akustischen Reiz. "Long Distance Calling" ist ein Album für Genießer, für die fein-entspannten, aber auch ruppig-konfusen Momente im Leben, der Soundtrack zum Abtauchen in musikalisches Neuland, die Scheibe ist dein Reisebegleiter und Katalysator beim Abtauchen, Sich-Treiben-lassen und Sich-Verlieren in musikalisch andere Welten. Als besonderes Zuckerl wird dem Armored Saint und Anthrax–Vocalisten John Bush auf "Middleville" die Ehre zuteil, das edle Klanggut mit seiner unvergleichlichen Stimme zu veredeln. Gleichzeitig zeigt dieses Stück auf, zu welchen Höchstleistungen die Band auch – oder vor allem! - mit einem entsprechenden Sänger fähig wäre. Die einzigartige Stimme von Bush schmiegt sich in all seiner Melancholie und Energie perfekt in das Klanggerüst des Quintetts ein und schmeichelt den songwriterischen Fähigkeiten der Band. Nennt es, wie ihr es wollt, ich für meinen Geschmack finde die im Zusammenhang mit der Band oft genannte Bezeichnung PostRock nicht wirklich passend, auch die Band selbst spricht lieber von Instrumentalrock, sollte jemand die Begriffe Space-, Kraut- Seventies-, oder Progrock verwenden wollen, spricht eigentlich auch nichts dagegen, lediglich Art- oder Avantgarderock klingt doch zu hochtrabend. "Long Distance Calling" ist zeitgemäße, organische Rockmusik, deren Pendel zwischen Atmosphäre und Energie schwingt und den Hörer in tiefemotionale, abstrakte und ehrfurchtgebietende Klangwelten entführt. Doch Vorsicht: Das Einlegen dieses Albums kann wie die Betätigung eines Waffenabzugs sein, es gibt dann kein Zurück mehr, der Hörer wird unweigerlich immer weiter in die scheinbar unendlichen tonalen Weiten von Long Distance Calling entführt….Wer auf der Suche nach einer Erweiterungsmöglichkeit seines musikalischen Horizonts ist, aber Sludge, Prog- oder Postcore dann doch eine Spur zu heftig ist, der sollte hier beide Lauscher weit aufsperren! Trackliste
Mehr von Long Distance Calling
Reviews
01.11.2020: How Do We Want To Live? (Review)18.02.2018: Boundless (Review) 08.04.2013: The Flood Inside (Review) 15.04.2009: Avoid The Light (Review) News
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