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9.0
Bald hat das letzte "reguläre" Album der Briten, "Midian", drei Jahre am Buckel, doch nun hat das lange Warten ein Ende: Cradle Of Filth, die kommerziell erfolgreichste aller Black-Metal-Bands, legt mit "Damnation And A Day" einen geradezu monumentalen Silberling nach. Mit 77 Minuten Spielzeit ist das Album immerhin doppelt so lang wie manch ein anderes - ein sehr lobenswerter Zug in Zeiten wie diesen, wo viele Fans mit ganzen Serien von halbgaren Veröffentlichungen zum Vollpreis reihenweise über den Tisch gezogen werden. Und nicht nur das: dieses Werk ist sowohl von der Konzeption als auch von der Umsetzung her äußerst überzeugend.
Thematisch gesehen haben sich Dani Filth & Co. diesmal sowohl bei den Lyrics als auch der Gestaltung des Booklets von einstigen Grauslichkeiten verabschiedet. (Ob dahinter zum Teil der neue Deal mit Sony Music stehen mag?) Das lyrische Konzept behandelt die Vertreibung aus dem Paradies und die Apokalypse (Untertitel: "From Genesis To Nemesis"), also sehr epischen Stoff, der vom Artwork unterstrichen wird: die Bilder wirken teils majestätisch und erhaben, zugleich beklemmend und bedrohlich - apokalyptisch eben. Und ebenso werden sie auch von den Klängen gezeichnet, die das Quintett letzten Sommer und Herbst im britannischen Battle bei Hastings (welch mächtiger Ortsname!) einspielte. Die Aufteilung der Tracks ist wohldurchdacht: auf je ein Instrumental (umgesetzt vom Budapest Film Orchestra und Budapest Film Choir unter der dirigierenden Anleitung eines gewissen Laszlo Zadori) folgen je drei "reguläre" Tracks, das ganze insgesamt vier Mal hintereinander, und am Ende steht wiederum eine klassische instrumentale Abschlussnummer. Diese Filmsoundtrack-artigen Interludien verbinden die vier Passagen unter der Zuhilfenahme eines schaurigen Erzählers, dessen biblische Stimme für Gänsehaut sorgt. Alles beginnt nach dem einleitenden Intro mit dem schnellen "The Promise Of Fever", welches deutlich macht, dass Cradle Of Filth ihren Markenzeichen selbstverständlich treu geblieben sind: die Double-Bass fegt dahin, die Riffs krachen schnell und hart, die Keyboards dröhnen markant, und Dani flüstert, kreischt und röhrt, als gäbe es kein Morgen. "Hurt And Virtue" bietet durch einfachere Riffs und vergleichsweise langsameres Tempo eine angenehme Abwechslung. Letzteres ändert sich natürlich wie gewohnt regelmäßig; etwas neuartiger sind die spärlich eingestreuten Stereo- und Verzerrungseffekte. "An Enemy Led The Tempest" walzt wiederum epischer durch die Gehörgänge, und ein im Text erwähnter Balrog (!) lässt Tolkien-Fans aufhorchen. Es handelt sich hierbei aber um einen Einzelfall - keine Angst, Frodo wird den Ring nicht im Höllenfeuer versenken! :-) Verschnaufpause beim ersten Interludium, das den unmittelbaren Wunsch nach stilgerechter Verfilmung des Albums wachruft. Gleich darauf stellt Feriluce (sic!) fest, was wir doch schon längst wissen: nämlich dass es weitaus "Better To Reign In Hell" ist. Der Song wechselt zwischen trashiger Härte und melodischen Passagen - die brachialen neuen Einflüsse sind definitiv eine kleine Überraschung. Diese ist wahrlich gelungen: der Song rockt wie Sau! "Serpent Tongue" besteht aus zwei Teilen und beginnt wie melancholischer Gothic Rock, um dann schrittweise an Tempo und Härte zuzulegen, ehe sich alles im zweiten Teil wiederholt - dann ist es aber schon zu spät und Adam hat Eva bereits gezeigt, wo Gott wohnt. "Carrion" hingegen sägt wiederum hart am trashigen Baum der Erkenntnis, ähnlich wie zwei Tracks zuvor. Neuerliche Verschnaufpause, in der sich die bedrohliche Apokalypse bereits ankündigt. Und tatsächlich schwankt der Stil in der zweiten Hälfte des Albums: alles wirkt um eine Spur hoffnungsloser und zugleich symphonischer. "Presents From The Poison-Hearted", bekannt von diversen Samplern, macht deutlich: wer bei Cradle Of Filth in die Felle klopft, braucht starke Arme und Beine. "Doberman Pharaoh" handelt nicht etwa von ägyptischen Hunden, sondern von Moses und dem Auszug aus Ägypten, und wartet mit feinen orientalischen Melodien auf, die vorsichtig ins mittelschnelle (flinke Drums und langsamer Gesang) schwarzmetallische Gerüst eingewoben sind. Dieser Track zählt eindeutig zu meinen engsten Favoriten. Weil sich der Pharao weigert, die Hebräer ziehen zu lassen, wird Moses am Ende eines kurzen Dialoges noch das Wort "Plague" auf eine Weise los, die mich an den genialen Beginn aus "Down With The Sickness" von Disturbed erinnert. Prädikat Hörenswert! Zu "Babalon A.D." gibt es auch ein Video, das sowohl bei "Kerrang! TV" gespielt wird als auch auf der gleichnamigen DVD-Single käuflich und unzensiert erworben werden kann. Nach der letzten Verschnaufpause wird "Mannequin" natürlich - wie der Titel erahnen lässt - von weiblichem Hintergrundgesang unterstützt, und wieder sind ein paar elektronische Effekte zu erkennen. Das getragene, melancholische "Thank God For The Suffering" klingt phasenweise wie ein doomiger Gothic-Metal-Song und könnte in diesen Momenten auch von Bands wie My Dying Bride stammen. "The Smoke Of Her Burning" lässt das Album mit dem sich verlangsamenden Ende rund ausklingen und geht fließend in das orchestrale Outro über. Der Kreis schließt sich, und am Ende steht das schaurige Gelächter des Erzählers. Wer nur mit rohem Black Metal etwas anfangen kann, wird mit diesem sauber produzierten und durchaus abwechslungsreichen Werk wenig Freude haben. Die Einflüsse sind vielfältig, und die sehr detailreichen Tracks gehen eine deutliche Spur besser ins Ohr als auf den vorangegangenen Alben. Manch einer wird hier "Verrat!" schreien wollen - nun, war die Entwicklung nicht abzusehen? Und doch überrascht das Ergebnis positiv. Das Gesamtwerk ist in sich sehr konsistent, da Artwork, Lyrics und Vertonung eine hervorragende Einheit bilden. Und auch das Thema an sich ist ebenfalls mit einem starken Reiz verbunden. Für den örtlichen Bischof wohl eher mit dem Brechreiz :-), aber der geneigte Metaller dürfte großen Gefallen daran finden. Und was mir vor allem gut gefällt: mit der steigenden Anzahl der Hördurchgänge (und dabei stets neu entdeckten Details) steigt auch die subjektive Qualität der bombastischen Kompositionen. Summa summarum steht für mich außer Zweifel, dass die Briten hiermit ein hochklassiges Werk abgeliefert haben, welches sich selbstverständlich längst nicht mehr alleine mit dem Begriff "Black Metal" kategorisieren lässt - zumal man sich ja schon geraume Zeit an den äußeren Grenzen dieses Genres bewegte. Und wie auch immer es genannt sein mag: das Teil hat sich die 9 Punkte allemal verdient! Trackliste
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Reviews
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