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In Extremo - Mit Leib und Seele im Mittelalter
Es gibt Dinge, die ich schon immer mal machen wollte, ein Interview mit In Extremo ist eines davon! Nachdem ich die Band jetzt schon drei mal Live gesehen habe und immer wieder beeindruckt von ihrer Performance war, war es nun endlich Zeit auch mehr über die Geschichte und Hintergründe von In Extremo zu erfahren. Gleich am ersten Konzert der Tour, das zufällig und glücklicherweise in Wien stattfand trafen wir uns also mit Sänger "Das Letzte Einhorn" , der bei unserer Ankunft schon einen halben Tag Interviewmarathon hinter sich hatte und daher gleich die Kollegin von Earshot mit zu unserem Termin nahm. Immerhin war es schon fast 20 Uhr, und in anbetracht der Tatsache, daß das Konzert in einer halben Stunde beginnen sollte blieb die Zeit einfach nicht mehr, für jeden Separate Interview zu geben. Zu dritt machten wir uns also auf die Suche nach einem ruhigen Plätzchen (das Planet Music Büro), wo Roman und ich, gemeinsam mit Lisi von Earshot ein spannendes und ausgiebiges Interview starteten. Um den Interviewfluß nicht zu unterbrechen haben wir die meisten ihrer Fragen drinnen gelassen, natürlich mit ihrem Namen gekennzeichnet.
DarkScene: Wie seid ihr darauf gekommen Mittelaltermusik zu machen? Das Letzte Einhorn: Musikalisch kommen wir ja aus dem Mittelalter Bereich. Wir machen zwar jetzt seit vier und halb Jahren Rockmusik aber eigentlich liegen unsere Wurzeln im Mittelalter. Ich habe 1990 mit Piemonte schon Mittelalterliche Musik gemacht, auf Märkten zum Beispiel. Später kamen dann noch Boris und Flex dazu und da fing In Extremo eigentlich an, als reine akustische Band. Aber ich habe davor auch in anderen Mittelalterbands gespielt, ich mach ja auch schon seit 12 Jahren Musik. Ich habe Straßenmusik gemacht, so mit Dudelsäcken, Trommeln, Gesang, so wie sich das gehört eben. DS: Habt ihr damit auch Geld verdient? LE: Auch, wir haben in den Anfangstagen eine Sammelschale gehabt, wir haben die Kohle aber gleich wieder um die Ecke gebracht, in die nächste Schenke getragen. Irgendwann traten wir dann auch auf Mittelaltermärkten gegen Gage auf und das war für uns ganz gut. DS: Wie seid ihr zu euren Texten gekommen? Kann von euch wer diese Sprachen? LE: Nein, aber ich bin für die Texte verantwortlich. Die deutschen Texte sind unsere Sachen. Die Fremdsprachigen sind original Texte aus dem Mittelalter. Auf der neuen Platte ist zum Beispiel ein Text, "Natur Nous Semont", das ist altprovenzialisch und stammt aus dem 11 Jhdt. Das war für mich eigentlich die Geschichte des ersten Wehrdientsverweigerers. Im Text geht es eigentlich darum: "in der Natur meines Herzens bleib ich lieber in der Schenke bei den Weibern und geh nicht in den Krieg". Der General kam in die Schenke, hat alle jungen Leute zum Wehrdienst aufgefordert, und der Spielmann hat sich eben versteckt um nicht in den Krieg gehen zu müssen. Den Text fand ich einfach gut und die Sprache spricht auch kein Franzose mehr. Wir haben diesen Text ins Französische übersetzen lassen, diesen dann ins Deutsche, den Komplett umgeschrieben und wieder retour übersetzen lassen. Es würde nie ein Text bei In Extremo veröffentlicht werden der was mit negativen Seiten zu tun hat oder wo wir nicht wissen was wir da singen. Deshalb beschäftigen wir uns schon sehr viel mit den Texten. DS: Auf dem neuen Album sind ja auch viele Texte von Carmina Burana beeinflusst, warum das? LE: Carmina Burana ist eigentlich die bekannteste mittelalterliche Liedersammlung. Es gibt dann noch die Santa Maria , die Troubadour Liederbücher oder die Benedikter Handschriften zum Beispiel. Die Carmina Burana ist ja eigentlich auch ziemlich geteilt. Es gibt eben die Benedikter Handschriften, das ist mehr das dreckige, räudige und dann gibt es auch das Puristische, wo alles schön ist und rein, aber das ist natürlich auch nicht so unser Ding, wenn schon dann holen wir uns das dreckige raus (lacht). Die Musik ist aber komplett von uns. Lisi: war das Interesse am Mittelalter schon früh bei dir da? LE: Ich war 88 oder 89 das erste mal auf einem Mittelalterlichen Markt und da habe ich damals eine Band gesehen, mit dem Robert Beckmann von den Inchtabokatables, der hat ja früher auch mittelalterliche Musik gemacht. Das hat mich einfach total begeistert. Ich habe damals in Rock/Punk und Blues Bands gespielt, aber das hat mich einfach so fasziniert. Und zwei Jahre später habe ich dann schon getrommelt, es war irgendwie Zufall. DS: Wie ist es dazu gekommen, daß ihr auf eurem neuen Album härtere Riffs verwendet? Für mich klingt es viel Metal lastiger als früher. LE: Wir sind eben eine Rockband und wir haben ja auch einen neuen Gitarristen. Ok, nicht ganz so neu, er ist ja schon seit fast 2 Jahren dabei weil Thomas damals aussteigen musste wegen Krankheit. Und er hat natürlich auch seinen Einfluß mit in die Band gebracht. Für mich ist das sehr gut, wir beide verstehen uns blind. Ich denke wir wollten das auch härter machen, das ist mehr mein Ding, sein Ding sowieso. Ich find die Scheibe gar nicht so hart eigentlich... DS: ...na ja, wenn man es mit den früheren vergleicht... LE: Da dann schon. Wir haben beim Aufnehmen auch einen anderen Sound angestrebt. Wir haben diesmal ganz anders aufgenommen. Wir wollten einfach eine Weiterentwicklung. "Weckt Die Toten" haben wir damals in 10 Tagen komplett eingespielt und die Scheibe ist ja vom Klang her auch nicht wirklich toll. Das hat natürlich auch einen finanziellen Hintergrund, wir hatten kein Geld, nichts, wir haben es einfach gemacht. "Verehrt und Angespien" klang dann schon besser und jetzt klingt es eben noch besser. Es ist einfach von Platte zu Platte eine Weiterentwicklung zu sehen, was uns natürlich sehr freut. Lisi: Ihr habt in euren Texten auch einige Erotische Elemente, wieso das? LE: Das hat eigentlich weniger mit Mittelalter zu tun, und es sind dann auch mehr die deutschen Songs die bei uns solche Themen behandeln. "Vollmond" zum Beispiel ist ein reines Liebeslied, auch "Die Gier". Der Song kommt aus meinem Innersten und ich habe das was im Text steht auch selber erlebt. Und so was schreibst du einfach nieder. DS: Ihr habt einen 2. Teil der Merseburger Zaubersprüche auf eurem neuen Album, was sind diese Zaubersprüche? LE: Die Merseburger Zaubersprüche sind das erste aufgeschriebene Schriftstück aus Deutschland überhaupt. Es wurde im 7. Jhdt aufgeschrieben, es hat keltischen Ursprung. Die Geschichte ist folgende: die alten Götter reiten durch den Wald und das Streitross hat sich den Fuß gebrochen (das sind die 2. Zaubersprüche, die wir jetzt machen). Im ersten Zauberspruch beteiligen sich zwei Götterfrauen an einem Krieg, sie holen die Verwundeten raus und leimen die Knochen wieder zusammen. Die ganze Aussage von diesen Zaubersprüchen ist eigentlich die Menscheit vor dem Bösen bewahren. Wir wollten diesen 2. Zauberspruch schon immer mal machen, schon das letzte mal, nur hat es da eben nicht hingehauen. Ich bin ja in der DDR groß geworden, in Berlin und wir hatten die Merseburger Zaubersprüche als Schulfach, in der 6. Klasse im Deutschunterricht. Ist irgendwie verrückt (lacht) Lisi: ihr seid ja sehr bekannt geworden, wird euch das manchmal zu viel? LE: So bekannt sind wir nun auch wieder nicht und ich glaube wir sind aus dem Alter raus, wo man uns Kuscheltiere auf die Bühne wirft (allgemeines Gelächter). Wir sehen das eigentlich ganz locker. DS: Wie geht es eigentlich eurem Bassisten Kai? Ich habe ja den Brief auf eurer Homepage gesehen und das war wirklich sehr bewegend. LE: Heute ist Tourbeginn, wir haben die ganzen neuen Stücke noch nie Live gespielt, wir haben zwar mittlerweile so viel Material, daß wir auch drei Stunden spielen könnten, aber das machen wir nicht, weil es albern ist. Zwei Stunden sind einfach genug... ehm... jetzt hab ich den Faden verloren (lacht). Ach so, ja wegen Kai. Die Tour sollte Anfang/Mitte Dezember losgehen, und ein Tag vor dem Tourbeginn, also der Nightliner, alles war schon bereitgestellt, haben wir erfahren daß Kai im Krankenhaus liegt. Eine Woche vorher haben wir noch geprobt und Kai hat Schmerzen gehabt und hat dann gesagt er geht sich durchchecken lassen. Man hat festgestellt er hat Krebs, also mit 35 Jahren richtig akuten Krebs! Man hat ihm 15 Zentimeter Darm rausgeschnitten, er kriegt zur Zeit Chemotherapie. Ihm geht es sehr gut mittlerweile und ab 14. Dezember wird er wieder mitspielen. Wir haben eigentlich zwei Monate gewartet weil die Ärzte gesagt haben er ist ab 9. November wieder fit, deshalb haben wir die ganze Tour verschoben, da wir unbedingt mit ihm spielen wollten. Es war aber nicht möglich, die ganze Tour ein zweites mal zu verschieben, wegen den Vorverkaufskarten und so weiter. Aber wir sind froh daß es ihm jetzt gut geht, er hat die Chemotherapie gut überstanden, ohne Haarausfall und so, wir waren gestern sogar noch bei ihm. Wir haben dann wen gesucht, der seinen Platz derweil übernimmt, wir haben 4 Wochen mit dem Basser geprobt. Er heißt Torki und ist ein alter Freund von uns und ich zieh den Hut vor diesem Typen, er hat sich alles in 4 Wochen gemerkt und spielt das Fehlerfrei! Und man muß wirklich wen finden der nach 3 Wochen sagt: das wars ich muß wieder gehen. Das ist auch nicht so einfach. Er spielt bei der Berliner Band Boon mit und als Dankeschön nehmen wir dann die Band zur Weihnachtstour als Support mit. DS: Ihr seid jetzt schon in so vielen Ländern auf Tour gewesen, was war das beeindruckendste für euch? LE: Es ist verrückt, ich war in so vielen Ländern und letztendlich ist es egal wo du bist. Aber Mexiko war schon genial und es hat dort solche Ausmaße angenommen, daß wir zu den Konzerten mit Polizeieskorte geführt worden sind , sonst wären wir da nicht mehr durchgekommen! Wir waren in einem gepanzerten Wagen, die Polizeiesorte vor und hinter uns, mit Blaulicht! Aber eines meiner schönsten Konzerte war das Mind Over Matter Festival in diesem Jahr, daran erinnere ich mich immer gerne zurück! Aber es ist oft so, wenn ich auf Tour bin, setz ich mich einfach in den Bus rein und weiß dann manchmal nicht in welcher Stadt wir sind. Seit letztem Jahr mach ich das immer so, daß ich dann durch die Städte durchfahre. Nur um die Jahreszeit ist das eben nicht immer möglich, da isses dann meist so, wenn du um 6 Uhr morgens ins Bett gehst und am Nachmittag aufstehst, daß es da schon wieder dunkel ist. Dann isses auch egal wo du bist (lacht) Lisi: habt ihr irgendein bestimmtes Ziel? LE: Nein, haben wir eigentlich nicht. Wir haben uns natürlich gefreut, daß wir mit der Platte in den Top 10 waren in Deutschland. Eigentlich ist das ja eine Spartengruppenmusik und dann ist es schon toll, wenn du plötzlich in den Top 10 bist! Die Musiksender, die dann sagen, wir fördern die Bands, haben es diesmal komplett abgelehnt. Viva zum Beispiel hat gemeint, wir seien nicht werbefähig...Ihr habt keinen Cowboyhut wie Madonna oder keine engen Hosen...Wir haben dann das Video zu "Vollmond" selbst bezahlt und auf die Cd mit drauf gepackt und uns gedacht, die Musiksender können uns mal... Vielleicht kaufen wir uns das nächste mal einfach Cowboyhüte (lacht) DS: wie ist denn so die Berliner Szene? Rammstein kommen ja auch aus Berlin, kennt ihr euch? LE: Ich muß dazu sagen, wir haben früher gemeinsam Musik gemacht. Der Schlagzeugervon Rammstein, Christoph , hat früher mit Rainer zusammen im Keller geprobt. Damals gabs so einen Keller, der Club 29, und Rainer, unser Schlagzeuger war durch Zufall Putzfrau dort. Das waren alles so Scheinjobs, er hatte aber einen Schlüssel, und es haben dann 15 Bands in diesem Keller geprobt! Eben auch Feeling B, die Band aus der dann Ramstein wurde. Flake hat da auch mitgespielt und wir treffen uns heute noch regelmäßig. Wir kennen uns alle, wir sind zusammen groß geworden. Auch als Jugendliche waren wir zusammen in Kneipen. Ich freu mich für Rammstein, das meine ich wirklich ehrlich! Und wenn einer sagt, daß Rammstein rechts sind, dann ist das einfach nur scheiße. Ich kenn diese Leute von früher, ich weiß was die für soziale Hintergründe haben, und sie sind auf keinen Fall rechts! Lisi: hat irgendwer von euch vor, mal ein Sideprojekt zu machen? LE: Also ich werd auf alle Fälle mal daneben was anderes machen, ich würde gerne Chansons machen, da steh ich total drauf! Mehr von In Extremo
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