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8.0
Porcupine Tree machens einem ja nicht leicht. Abgesehen von der Musik selbst, die ja nicht unbedingt unter "hitparadentauglich", "headbangerkompatibel" oder "geradeaus voll in die Fresse" läuft, sondern eher durch verschachtelte Songstrukturen, Abwechslung, Tiefgang und Überraschungsmomente glänzt. Mit der wahren Herausforderung sieht sich der Sammler und Fan der britischen Progressivspeerspitze konfrontiert, der verzweifelt versucht, den musikalischen Output von Steven Wilson und Gefolge zu überblicken, zu katalogisieren, zu ordnen ... oder einfach käuflich zu erwerben. Bei den zig CD-Re-releases, limited vinyl DLPs, remastered DD5.1 DVD-As, expanded 2-CD-Digipaks, extended Demo-Session-CDs etc. wird wohl so mancher schon das Handtuch geworfen haben und der Einfachheit halber auf eMule den gezippten Gesamtoutput als 1500GByte-File runtergesaugt haben, was natürlich pfui ist. Und es sei hiermit gesagt, dass wir solche Unsitten – damit ist das illegale Filesharing gemeint, nicht das maßlose Musizieren und entsprechend zahlreiche Veröffentlichen - weder billigen, noch unterstützen, auch keinesfalls selbst betreiben, es als vermeidbares Übel oder als Ersatz für den Gang ins CD-Geschäft höchstens ausnahmsweise, nach Abwägung aller involvierten Umstände und Entgegennahme unterwürfigster Entschuldigungen von Seiten der Musikräuber nur im ausnahmefallsten Ausnahmefall tolerieren... ach ja, Porcupine Tree ...
Dieser letzte Output machts auch nicht leichter, ist er doch ein Re-release einer EP mit vier übrig gebliebenen Songs der "Fear of a Blank Planet"-Sessions, deren Erstauflage während der letzten Tour nur bei Live-Gigs verkauft wurde. Wer jetzt minderwertiges Songmaterial erwartet, zu Vinylzeiten bekannt und geschmäht als B-Sides, täuscht sich jedoch gewaltig. Hier findet man vier astreine Porcupine Tree-Songs, von denen jeder einzelne den Kauf der EP rechtfertigt. Keine lieblos heruntergenudelten Coverversionen von Punk-Klassikern, die schon in den 70ern niemanden interessierten, keine dancefloor-Industrial-Remixes der letzten CD, keine obskuren Live-Versionen, aufgenommen von portugiesischen Fans in der ersten Reihe mit dem neuen Weihnachts-Handy in absolut hi-fideler mp3-Mono-Qualität, und auch keine unplugged-Session der vorletzten CD. Only genuine, pure, unreleased Porcupine Tree, finest quality, approved by Steven Wilson and der Professor - gemäß dem Titel "Nil Recurring" wiederholt sich hier nix, da wird höchtens mal "zitiert"... Schon die ersten Takte des Openers, das Instrumental "Nil Recurring", zeigen, dass Wilson es inzwischen ganz gerne krachen lässt. Hier dominieren harte Gitarren, die teils schon ins noisige tendieren, dazu verschachtelte Drumbeats, nur hier und da wieder unterbrochen von einem verhaltenen Keyboard, dazu im Hintergrund ein sich beinahe ständig wiederholendes, mit hypnotischer Eintönigkeit zelebriertes Riff. Schwere Kost, progressiv, jazzig, heavy und auch ein bisserl krautrockend. Das folgende "Normal" beginnt zuerst verhalten mit Akustikgitarre, nur um dann sogleich kurz zu explodieren und dann wieder zur Ruhe zu kommen und Platz zu schaffen für Wilsons schwermütige Vocals, hier auch wieder in erhabener Mehrstimmigkeit. Der Refrain von Normal ist dann übrigens ein – sowohl textliches als auch musikalisches – Zitat des Übersongs "Sentimental" von "Fear of a Blank Planet". Ein schöner, abwechslungsreicher Song und würdige Ergänzung zu "Sentimental". "Cheating the Polygraph" gehört sicher zu den härteren Porcupine Tree-Songs, immer wieder dürfen die Gitarren und Drums ordentlich scheppern, nur um dann wieder von sphärischen Keyboardintermezzi kurzfristig zur Ruhe gebeten zu werden. Zum Headbangen eignet sich auch dieser Lügendetektortest trotz aller Heaviness nicht wirklich – we got cheated again... Das abschließende "What Happens Now?" zeigt Porcupine Tree von ihrer elektronischen Seite, hier dominieren Sphärenklänge, Keyboards, Piano und wenig verzerrte Klampfen, vorangetrieben von einem treibenden, schon beinahe tanzbaren Drumbeat. Schließlich hat aber auch diese Geradlinigkeit wieder ein Ende und im finalen Instrumentalteil bratzen Porcupine Tree nochmal so richtig drauf los. Wer wie ich die letzten Alben von Porcupine Tree kennt und liebt, darf auch diese 29 Minuten nicht auslassen. Wer sich jedoch zum ersten Mal mit der Musik dieser begnadeten Truppe vertraut machen möchte, sollte doch zu "Fear of a Blank Planet" oder "Deadwing" greifen, die beide etwas runder, jedoch auch vielseitiger ausgefallen sind. Und schließlich bleibt noch eine weitere Alternative, nämlich einfach nur zu warten, notfalls auch ein paar Jahre. Denn irgendwann wird Wilson die geniale Idee haben, ebendiese "Fear of a Blank Planet" in DD7.1 zu remastern und zusammen mit den Tracks dieser EP und einigen weiteren genialen, bisher unveröffentlichten Stücken als Doppel-BluRay-lossless-Audio limited edition wieder unter die Leute zu bringen, inclusive Making-of ... Derweil gibts vom Professor wegen der kurzen Spieldauer nur 8 von 10 möglichen Stachelschweinen, die übrigens in Südamerika auch auf Bäumen leben und in Teilen Italiens, Vietnams und Afrikas als Delikatesse gelten. Trackliste
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Reviews
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