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Schandmaul - Vom Abtauchen ins Märchenland
Schandmaul - Vom Abtauchen ins Märchenland  
Wie könnte man ein Wochenende mit einem Live-Auftritt von Schandmaul besser einleiten, als im Orpheum Graz auf bequemen Ledersofas mit dem gesprächsfreudigen Sänger Thomas ein äußerst gemütliches, halbstündiges Interview über die "Anderswelt"-Tour, Märchen, Gott und die Welt zu führen?
Heimdall
Heimdall
(12 Interviews)
(Wie könnte man ein Wochenende mit einem Live-Auftritt von Schandmaul (zum Konzertbericht) besser einleiten, als an einem sonnigen Nachmittag am 19. April 2008 im Stadtpark auf der grünen Wiese mit Freunden zu sitzen und der Gitarre einige Schandmaul-Akkorde zu entlocken? Allein, die Sonne versteckt sich, und die Idee mit dem Park fällt sprichwörtlich ins Wasser. Ungetrübter Laune begeben wir uns, für diesen Anlass passend gekleidet und gut gerüstet, abends ins Orpheum Graz. Ich eile voraus, um mit dem gesprächsfreudigen Sänger Thomas ein äußerst gemütliches, halbstündiges Interview zu führen.)

DarkScene: Dann sag' ich mal hallo zu Thomas von Schandmaul, der sympathischsten Band der Welt - für meine Begriffe!
Thomas: Merci!
DarkScene: Willkommen in Graz, wo Ihr ja schon öfter wart. Wie gefällt es Euch denn überhaupt hier in Graz?
Thomas: Graz ist großartig für uns - sowohl als Stadt als auch dieser Club, weil das Orpheum uns von Anfang an begleitet. Es ist ein Riesenladen, da geht viel rein. Ich kann mich erinnern, das erste Konzert das wir hier hatten: da waren 50 Leute hier, glaub' ich. Trotzdem war alles perfekt, Essen super, die haben uns hier umsorgt ... und dann beim zweiten Mal waren schon 150 Leute da. Wir haben immer weiter gemacht, das gleiche Team, die gleichen Leute, man kennt sich schon und freut sich aufeinander. Also: Graz ist immer ein Highlight!
DarkScene: Bei diesem ersten Konzert, Anfang 2003, waren im Saal ja noch die Sesseln aufgestellt, und einige Leute sind gesessen, zumindest am Anfang ...
Thomas: Am Anfang auf jeden Fall. Die wussten ja auch nicht, was kommt!
DarkScene: Das wusste ich damals auch nicht, und war angenehm überrascht! - Du hast schon beschrieben, wie sich das über die Jahre entwickelt hat, und heute sind wir hier ausverkauft. Das heißt, in ein paar Jahren vielleicht in der Stadthalle?
Thomas: Das Orpheum ist schon super, da machen wir lieber zweimal hier als in der Stadthalle!

DarkScene: Im Orpheum gibt es auch sonst viele Veranstaltungen, auch Märchen wie "Rotkäppchen". Was ist denn Dein Lieblingsmärchen, oder Sage oder Mythos?
Thomas: Sage, Mythos ... ich lese unglaublich viel, und ich bewege mich auch sehr viel in der Fantasyliteratur. Klassiker und auch aktuelle Schriftsteller. Momentan lese ich sehr gerne Eragon, da warte ich jetzt auf den dritten Band. Man sieht, dass der Autor auch "Herr der Ringe" im Regal stehen hat, aber es ist eine feine Geschichte. Und Märchen ... ich habe mich vor kurzem durch die Nibelungen durchgewühlt, und zwar in Theaterform geschrieben. Das war ganz interessant, vorne der Name und dann der Dialog. Das war auch anstrengend, aber sehr cool. Mein Lieblingsmärchen ist ziemlich grausam: "Jorinde und Joringel" von den Gebrüdern Grimm. Am Schluss wird die böse Stiefmutter in ein Fass gesteckt, das mit Nägeln ausgeschlagen ist, und den Berg runter gerollt. Huuuh!
DarkScene: Das ist ja sogar für die Gebrüder Grimm äußerst grausam! - Euer neues Album heißt "Anderswelt". Ihr habt immer schon mit Eurer Musik, mit Euren Alben, die Zuhörer in andere Welten entführt. Was ist nun so anders an der "Anderswelt"?
Thomas: Das Kind hat jetzt einen Namen! (lacht) Nee, wir sehen uns als Geschichtenerzähler, als Märchenonkel. Die "Anderswelt" im klassischen Sinne existiert als Wort und beschreibt das keltische Feen- und Totenreich. Das meinen wir damit jetzt nicht so, wir meinen eher unsere persönliche "Anderswelt". Man kann die CD einlegen und eine Stunde lang abtauchen, oder man kommt auf ein Konzert und kann zwei Stunden lang abtauchen. Mal loslassen vom Job, vom Alltag, von der Routine. Vielleicht auch sich verkleiden, jemand anders sein. Sich einfach entführen lassen. "Flucht vom Alltag" würde ich gar nicht sagen, das klingt so negativ behaftet, aber ... ja, eine Auszeit, um Kraft zu tanken und dann am Montag dem Chef wieder die Meinung zu sagen. (lacht)
DarkScene: Ist die Musik für Euch dann eigentlich auch so ein Abtauchen?
Thomas: Auf alle Fälle. Wir haben jetzt ein halbes Jahr lang kein Konzert gegeben, waren im Studio, haben die Songs arrangiert und so. Es war natürlich viel zu tun, aber wir sind schon eine Live-Kapelle, wir brauchen das. Wir sind geil aufs Publikum, und deswegen freuen wir uns, dass wir jetzt wieder auf der Straße sind.

DarkScene: Jetzt seid Ihr seit kurzem wieder auf Tour ...
Thomas: Ja, letztes Wochenende waren wir auf einem Kurztrip durch Benelux, und da auch mit ganz kleinem Besteck: zum ersten Mal auf der Bühne, geguckt dass sich keiner gegenseitig über'n Haufen rennt. Wir haben das Ganze mal ein bisserl koordiniert - Du kannst im Probenraum soviel spielen wie Du willst, live kann man nicht üben. Richtig auf Tournee sind wir seit vorgestern, da ging's los in Salzburg. Gestern Linz, heute Graz, und morgen geht's nach Deutschland.
DarkScene: Die bisherigen Tourerfahrungen waren also noch nicht so zahlreich, aber es war ein guter Start?
Thomas: Es war ein guter Start, es groovt sich langsam ein. Wie gesagt, manche Sachen kann man nicht einfach proben. An welcher Stelle braucht man eine Ansage, weil ein Instrumententausch stattfindet, damit man diese Zeit überbrückt? Wie kommt die Ansage überhaupt? Fällt einem eine lustige Geschichte ein? Das groovt sich jetzt so langsam alles ein und wird immer sicherer. Und wir kommen auch gerade bei den neuen Liedern endlich von unseren Spickern weg, die da irgendwo versteckt liegen. Also, es läuft langsam an. Der Motor läuft!
DarkScene: Werden diese Ansagen immer spontan geboren, oder sitzt Du manchmal auch vorher da und überlegst?
Thomas: Nee, ich sitze nicht vorher da. Am Anfang ist es spontan, weil man ja auch reagieren muss während dem Konzertbetrieb, was passiert. Wenn ich mal coole Geschichten gefunden habe, dann halte ich an denen fest. Die gibt es dann jeden Abend. Wenn ich noch keine zündende Idee hatte, dann wird am nächsten Tag wieder was Neues ausprobiert. Am Ende der Tour sind die Ansagen immer perfekt! (lacht)

DarkScene: Spielt Ihr auch das "Missgeschick", und wie kommt es beim Publikum an?
Thomas: Es kommt großartig an! Also, das ist halt einfach eine lustige Geschichte, und da schmunzeln sie auch drüber. Und beim Refrain, da wird im Publikum schon die eine oder andere Hand auf den Arsch klatschen. (lacht)
DarkScene: (lacht) Genau das wollte ich wissen!
Thomas: Das kann ich zwar nicht genau beobachten, aber ich vermute.
DarkScene: Wie kommen nun insgesamt die neuen Songs live an?
Thomas: Wir sind immer sehr gespannt, was uns die Leute erzählen, wenn wir wieder rausgehen. Da gab's keine Beschwerden, und auch im Forum wird nix geschrieben von "den Song fand ich aber doof", im Gegenteil. Die Songs, die wir ausgewählt haben - es sind 8 Stück vom neuen Album, die wir spielen - kommen gut an. Man merkt natürlich den Unterschied zwischen den neuen Songs und den alteingesessenen, weil die CD erst seit einer Woche heraußen ist. Jetzt haben sie eine Woche Zeit gehabt, die Texte zu lernen oder sich daran zu gewöhnen. Die alten Kracher funktionieren da natürlich problemloser. Aber es gibt durchwegs gute Stimmung, und wir sind zufrieden.

DarkScene: Was die alten Kracher betrifft, gibt es da eine Nummer, von der Du sagen würdest, die würde Euch nie fad werden zu spielen?
Thomas: Das kann man so nicht sagen. Es gibt halt ein paar Nummern, um die kommt man auch nicht rum. Wenn ich "Walpurgisnacht" oder "Herren der Winde" im Probenraum spielen muss, dann schlafe ich ein vor Langeweile. Aber live macht's Spass, weil man auch sieht, wie die Leute reagieren und so, wie es dann abgeht.

DarkScene: Tourerfahrungen im sprichwörtlich "weitesten" Sinne: Eure exotischste Location?
Thomas: Gerade aus Anfangszeiten gab es unglaubliche Geschichten. Zum Beispiel als wir in einem Club gespielt haben, wo der Saal im ersten Stock war, total klein aber voll, es waren 60 Leute da. Dann sind die halt gesprungen, und im Stockwerk drunter war genau die Küche. Und weil das so ein altes Gemäuer war, sind durch das Springen solche Putzteller von der Decke gefallen, und so - klatsch! - in den Nudeltopf rein. Der Veranstalter kam hoch und sagte: "Die Leute dürfen nicht mehr springen, das Haus bricht zusammen!" - Das sind schon lustige Erinnerungen! Auch jetzt Benelux, das Belgien-Konzert war für mich ein persönliches Highlight. Die sprechen ja kein Deutsch! Ich verstehe sowieso nicht, wie man dann auf ein Konzert gehen kann mit deutschen Texten, aber bitte, wir kommen ja gern! Aber die Ansagen dann plötzlich in Englisch machen, da brichste ab.
DarkScene: War es das erste Mal, dass Du die Ansagen auf Englisch gemacht hast?
Thomas: Ja. In Holland geht das, in Holland können die alle Deutsch, die wollen nur manchmal nicht. (wir lachen) Die Leute, die aufs Konzert gehen, die verstehen Dich schon. Aber der Belgier hat von Tuten und Blasen überhaupt keine Ahnung, der kann eher noch Französisch.

DarkScene: Dabei ist es doch ein besonderes Merkmal bei Euch, dass Ihr gute deutsche Texte habt, was gar nicht mal so häufig vorkommt. Eine andere solche Band wäre Subway To Sally. Nun kam mir zunächst vor, dass Eure Texte etwas märchenhafter sind, und die von Subway To Sally eher in Richtung Rache, Vergeltung, menschliche Abgründe gehen. Bei näherer Betrachtung ist da aber gar nicht so viel Unterschied?
Thomas: Also, ich finde manchmal, dass die Texte von Subway ein bisschen metaphorischer sind. Wenn man gerade die neue Platte anguckt, "Auf Kiel" zum Beispiel - "ich hab mein Boot auf Kiel gelegt" und so weiter. Das ist zwar alles so maritim und anheimelnd der alten Sprache, aber irgendwie stehen sie mit dem Fuß gedanklich doch mehr hier. Sie verpacken das anders. Bei uns sind zwar auch viele Sachen verarbeitet, wenn man das hinterfragt, aber augenscheinlich ist es doch wie eine Geschichte. Die Texte von Subway sind emotionaler, finde ich. Das haben wir auch ansatzweise auf dem letzten Album "Mit Leib und Seele" gehabt, dann aber gemerkt, dass die Leute das von uns gar nicht wollen. Das brauchen sie nicht, von uns wollen sie tatsächlich den Märchenonkel.
DarkScene: Gewiss erzeugt auch der härtere Musik- und Gesangsstil eine ganz andere Wirkung, selbst wenn das Thema dasselbe wäre.
Thomas: Ja. Sie machen viel mit Bombastflächen, auch live, und schrecken nicht davor zurück, auch mal Synthies einzusetzen, künstliche Klänge. Wir sind einfach viel folkiger. Ich nenn' uns auch Folk-Rock. Mittelalter kommt immer mit dazu - hab' ich auch nix dagegen, in diese Schublade gesteckt zu werden. Aber authentisches Mittelalter haben wir ja nicht, außer ein paar Klangfarben von Dudelsack und Drehleier. Da sind auch keine authentischen Melodien dabei, die wir aus irgendeiner Bibliothek rausgebuddelt haben oder so. Das ist alles auf unseren eigenen Mist gewachsen.

DarkScene: Stand es irgendwann im Raum, dass Ihr auch mal einen mittelalterlichen Text hernehmt und vertont?
Thomas: Nein. Das war von vornherein klar. Es gibt schon Bands, die das machen. Was sollen wir da wieder in die gleiche Kerbe hauen? Klar, wir sind auch inspiriert von Gedichten. "Die drei Lieder" relativ am Schluss der neuen Platte ist nach einem Gedicht von Ludwig Uhland. Das hab' ich gelesen, fand das geil, und habe es so umgeschrieben, dass man es auch spielen kann. Aber wie gesagt, ich laufe nicht durch Bibliotheken und suche verzweifelt nach irgendwelchen lateinischen Texten. Wie gesagt, das gibt es schon, das sollen die anderen machen.
DarkScene: An welchen Orten entstehen die meisten Ideen für Deine Texte?
Thomas: Total verschieden. Die Schreibphase geht ja jetzt wieder los, ist ein Prozess der sich über Jahre zieht. Wenn ich zuhause bin und nicht auf Tour, mache ich mein Ding daheim und dann fahre ich in den Proberaum. Da nehm' ich die Gitarre und klimper' ein bisschen rum, oder arbeite ein bissl am Computer, und meistens fahre ich dann auch wieder nach Hause, weil nix passiert ist. Die Muse muss halt kommen und einen küssen. Aber sonst gibt's die unterschiedlichsten Orte. Das kann mir im Kacken passieren, dass ich eine Idee habe. Oder Du sitzt auf der Couch, liest ein Buch und dann kommt Dir ein Gedanke. Aber die meisten Texte schreibe ich im Proberaum. Man kann solche Sachen nicht erzwingen, "jetzt schreibe ich einen Text", hat aber trotzdem diese innere Einstellung, "jetzt gehe ich zur Arbeit". Jetzt bist Du da im Proberaum, nimmst die Gitarre oder setzt Dich ans Klavier, machst ein bisserl rum, hier und dort - da ist die Luft dann schon sehr kreativ.
DarkScene: Bei mir kommen zündende Ideen oft unter der Dusche. Ich habe mal eine Turnierschachpartie gespielt, hätte sie unentschieden halten können, aber leider verloren. Danach am Schachbrett analysiert und die Lösung nicht gefunden. Am nächsten Tag unter der Dusche kommt mir die zündende Idee - und funktioniert! Löst bei Dir das Wasser oder die Dusche auch etwas aus?
Thomas: Nee, Dusche kann man bei mir nicht sagen. Da denke ich an andere Sachen - und mache auch andere Sachen! (wir lachen)

DarkScene: Mein Lieblingsalbum ist der "Narrenkönig", und bei "Die drei Prüfungen" ist mir aufgefallen, dass Eure Musik "zeitlos" ist. Ich fand den Text immer schon sehr schön und schlau, aber eher hier oben, im Kopf. Im Zuge der Entwicklungen und Veränderungen der letzten Zeit habe ich einen ganz anderen Blick darauf bekommen und festgestellt, dass all dies auch "erfahren" werden kann. Nun hat dieses Lied eine ganz andere Wirkung auf mich ...
Thomas: Man darf älter werden mit unserer Musik. Jeder ist herzlichst eingeladen! Das habe ich ganz oft, dass Leute Texte sehen und ganz platt die erzählte Geschichte akzeptieren, und dann Jahre später - auch wahrscheinlich durch äußere Einflüsse, das Älterwerden, oder irgendwelche Erfahrungen - plötzlich einen anderen Sinn hinein interpretieren ... und damit vielleicht auch näher dran sind an dem, was dem Autor durch den Kopf ging. Aber das ist doch schön!
DarkScene: Ja! Also, ich find's großartig! (lacht) ... Was Eure musikalische Entwicklung betrifft, wart Ihr meinem Empfinden nach früher sehr verspielt, und jetzt doch etwas geheimnisvoller und nachdenklicher. Wie siehst Du das?
Thomas: Geheimnisvoller, nachdenklicher ... weiß ich nicht. Was ich weiß, ist dass wir auch älter geworden sind, und Gott sei Dank auch am Instrument besser. Und dass wir damals zu den Anfangszeiten - wo Du sagst "verspielt", ich nenn's "chaotisch" - noch unerfahren waren. Da musste dann jeder spielen und jeder dudeln, weil man hat dann so seinen persönlichen Egotrip. Mittlerweile haben das alle abgelegt. Man arbeitet viel songdienlicher. Und wenn man will, dass die Strophe einen Text erzählt, der verstanden werden soll, dann muss nicht gleichzeitig eine Flöte und eine Geige dudeln, weil: wo soll man jetzt hinhören? Und da haben wir halt aufgeräumt, von Produktion zu Produktion haben wir das immer mehr entschlackt, durchsichtiger und transparenter gemacht. Dadurch, meiner Meinung nach, entdeckt man aber auch Kleinigkeiten, die man beim ersten oder zweiten Mal noch gar nicht hört: "ah, was ist denn das für ein Ping plötzlich?" Ich finde, wir machen unsere Arrangements jetzt durchsichtiger und aufgeräumter. Und das ist schon der richtige Weg. Also, um Gottes Willen, die Anfangstage waren großartig, aber ich bin froh, da wo wir stehen. Das ist schon die Musik, die ich machen will.

DarkScene: So soll es sein! - Was das aufgeräumte Zusammenspiel betrifft, habt Ihr diesmal die Dudelei in Form von Soli bewusst zurückgenommen?
Thomas: Nein, nicht bewusst. Dass auf dieser Platte kein Solo ist, ist Zufall. Es hat sich einfach keine Nummer angeboten. Bei einer Nummer stand ein E-Gitarrensolo zur Diskussion, das klang dann so reingestückelt. Es gab kein Song ein schlüssiges, rundes Solo her. Nächstes Mal wieder! Da war keine Planung dahinter, das hat sich so ergeben.
DarkScene: War das Erlebnis bei den Aufnahmen diesmal anders als früher, abgesehen davon, dass Ihr Euch mehr Zeit genommen habt?
Thomas: Wir haben uns mehr Zeit genommen, und wir haben auch nochmal anders gearbeitet. Bei "Mit Leib und Seele" beispielsweise haben wir Schlagzeug, Bass und E-Gitarre größtenteils gemeinsam eingespielt. War cool, so gesehen. Wir sind jetzt aber trotzdem wieder zurück zum klassischen Overdub, also erst Schlagzeug, dann Bass, dann Gitarre, wie man das normalerweise so macht. Aber wir waren dabei alle zusammen! Der Schlagzeuger hat eingespielt, und wir saßen alle im Studio und haben gesagt: "Das ist cool!" und dann kam der Bass sofort und ... nun, der ursprüngliche, eigentliche Weg ist der: der Schlagzeuger geht ins Studio, zimmert seine zehn Nummern runter, Feierabend. Dann kommt der Bassist, macht seine zehn Nummern, ... so. Wir haben diesmal immer Song pro Song gearbeitet, also alle Aufnahmesituationen aufgebaut. Dann spielt der Schlagzeuger rein, der Bassist spielt drauf und sagt "och, da könnte man aber hier ein Break machen". "Aaah", sagt der Schlagzeuger, "stimmt, das muss ich aber mitmachen!" Dann sind wir rüber, haben das Schlagzeug neu eingespielt, dann der Bass wieder drauf, dann die Gitarre: "ach, das würd' ich so und so tun". Und dann immer wieder zurück zum Anfang, bis das richtig rund war. Erst dann haben wir Melodieinstrumente uns draufgesetzt, also die Mädels und der Gesang. Das war sehr schön und sehr zeitintensiv, aber diese Zeit hat's gebraucht, und die hört man auch, finde ich.

DarkScene: Wieder zurück zu Bandkollegen von Euch, die auch Lieder von Euch als Inspiration hergenommen haben, nämlich Feuerschwanz.
Thomas: Ha! (lacht)
DarkScene: Kennt Ihr Euch gut?
Thomas: Ja! Ich kenn' den Peter noch von den Merlons früher, da war er Basser. Ich weiß gar nicht, ob er noch dabei ist, denn da hat sich auch schon wieder einiges getan. Die haben damals angefragt, ob sie unseren "Herren der Winde" verhohnepiepeln dürfen. Klar! Dann haben wir uns auch mal getroffen, auf einem Festival. War lustig!
DarkScene: Ist es für Euch ein Kompliment, wenn Ihr parodiert werdet?
Thomas: Wenn man von einem Kabarettisten auf den Arm genommen wird, ist das natürlich ein Kompliment! Da können wir auch drüber lachen.
DarkScene: Würde es Euch reizen, in einem ganz anderen Musikstil interpretiert zu werden? Zum Beispiel viel härter, oder als Jazz-Nummer?
Thomas: Ich könnte mir zum Beispiel saugut einen Live-Kracher wie "Herren der Winde" oder "Walpurgisnacht" als Ska-Version vorstellen, mit Bläsersätzen und so. (imitiert Ska-Rhythmen und lacht) Aber ich glaube, eine Ska-Band würde nicht über die "Walpurgisnacht" singen ... die haben da andere Texte.
DarkScene: Man könnte es ja in einer anderen Sprache singen, und dann fällt's niemandem auf! (wir lachen)
Thomas: Ja!

DarkScene: Gibt es eine besonders exotische Location, wo Ihr gerne spielen würdet, aber noch nicht gespielt habt?
Thomas: Ich habe mal von diesem Salzbergwerk gehört, wo Du quasi hundert Meter unter die Erde gefahren bist, und dann ist da eine Höhle im Salz. Da muss man mit einer richtigen Gondel runter fahren, auch das Publikum, Stück für Stück. Ich weiß gar nicht wo das ist, ich glaube irgendwo im Pott. Und da hat eine Band gespielt. Ich glaub' zwar, dass man da nur krank wieder rauskommen kann (wir lachen), und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der Sound da unten besonders erquicklich ist, wenn es von allen Wänden widerscheppert. Aber das hat natürlich schon was. Was jetzt exotisch dazukommt, ist unser Fantreffen im Mai, wo wir auf dem Schiff Rhein und Mosel entlang schippern. Und da dann mal spielen. Wird spaßig!
DarkScene: Das ist, nehme ich an, schon ausverkauft, oder?
Thomas: Ja.

DarkScene: Schade! - Jetzt noch eine "ernstere Frage". Ihr habt ja keine politischen Texte, wenn man vielleicht von Stücken wie "Sichelmond" absieht, die man im weitesten Sinne als religionskritisch bezeichnen kann. Abgesehen von Eurem musikalischen Engagement auf und abseits von der Bühne, seid Ihr sonst besonders interessiert oder auch engagiert an Teilen des näheren oder auch ferneren Weltgeschehens? Sei das jetzt Klima, Tibet, Sudan, oder auch Tierschutz?
Thomas: Persönlich hat man das natürlich alles auf dem Schirm, und verfolgt mit gemischten Gefühlen, was da so abgeht. Ich persönlich glaube aber, als Band sind wir die Auszeit von dem Mist. Den ganzen Tag steht es in der Tageszeitung, kommt im TV, ärgert einen, macht einen fertig. Wenn man bei uns im Konzert steht, soll man mal kurz nicht dran denken. Wie gesagt, wenn was total krasses passiert, beziehen wir auch Stellung. Aber so von Haus aus eigentlich erstmal nicht. Wir sind eher das Geschichtsbuch, damit man mal die Tageszeitung weglegen kann.

DarkScene: Wie stehst Du zu dem bekannten Zitat von Gandhi: "Sei selbst die Veränderung, die Du in der Welt sehen möchtest"?
Thomas: Klingt groß, schlaue Worte! Leichter ausgesprochen als umgesetzt. Aber auf jeden Fall ist da sehr viel dran.
DarkScene: Hast Du ein Lieblingszitat?
Thomas: Ja, aber das hat nichts mit großer Weltpolitik zu tun, das stammt von Goethe. Und zwar: "Wer dem Publikum immer nur hinterher rennt, wird nie mehr als nur dessen Hinterteil sehen."
DarkScene: Jetzt kommt zum Schluss noch der obligatorische Lieblingswitz!
Thomas: Lieblingswitz? Oh Gott, ich bin schlecht mit Witzen. Ich könnte mit einem Musikerwitz aufwarten.
Stehen ein Schlagzeuger und ein Bassist auf einem Hochhaus. Beide wollen sich umbringen, und sie springen gemeinsam ab. Im Fliegen schauen sie sich an und schreien nochmal: "Endlich sind wir zusammen!" Dann kommen sie auf: patsch, patsch. (wir lachen)
Aber das sind halt Musikerwitze, in der Regel Insiderwitze.

DarkScene: Dann sind wir jetzt am Ende, außer es fällt Dir noch etwas ein?
Thomas: So spontan fällt mir nichts mehr ein, außer dass mein Bier alle ist. (lacht)
DarkScene: Dann sage ich Dankeschön und wünsche Euch viel Spaß!
Thomas: Danke, ebenfalls!

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