Jugo-Nostalgie findet man im Balkan nicht nur unter älteren Semestern – auch die Jüngeren dürfte es beim Hören eines neuen Divlje Jagode-Albums zurückverschlagen in weniger dürftige Zeiten, in denen das Verhältnis zum Nachbarn noch zu gutem Teil aus Konzertplänen bestand. Es macht zwar ein wenig den Charme der Region aus, dass viele wichtige Fragen darum kreisen, wie man dem Anderen einen Stein über den Kopf ziehen könnte, jedoch ist der Wunsch nach Einigkeit auch im rabiatesten Gedanken unüberhörbar.
Die Kultband schlechthin, die im Olymp mit
Bijelo Dugme und
Azra nicht nur eine Generation geprägt hat, kommt zum 40. Geburtstag zusammen und bringt eine Menge bekannter Gesichter zusammen – wohl auch die Band teilt und bedient den Wunsch nach Einigkeit.
"Jukebox" ist also genau das, was der Name verspricht: eine Zeitreise klassischer Art. Daher steht von vornherein fest, um was es sich nicht handelt – ein neues Album. Viele der Stücke finden sich schon auf älteren Alben der Band wieder; bereichert werden sie durch neue Kompositionen, sodass man ohne Sorge von einer erweiterten EP sprechen könnte. Noch dazu hat Gitarrist Zele Lipovaca die lebende Geschichte der Band zusammengeholt, um den Anlass auszufüllen; nicht nur Toni Jankovic und Stoka singen mit, auch Zani Tataj und der großartige Mladen
"Tifa" Vojicic sind mit dabei. Natürlich fehlt ein strahlender Name, denn Alen Islamovic scheint seine Streitigkeiten mit Lipovaca nicht ad adca gelegt zu haben – sodass der für viele beste Sänger der Band leider erneut nicht mitwirkt. Ein bisschen Balkan weltet auch durch die Einigkeit.
Ein gutes Händchen hat man mit der Songauswahl bewiesen, denn während das letzte reguläre Album
"Biodinamicka Ljubav" klar auf
"Mainstream" getrimmt war und befürchten ließ, dass
Divlje Jagode auch 2020 dem mittlerweile Stream gewordenen Radio nachjagen, rockt
"Jukebox" ohne Ende. Klassiker wie das bluesige
"Ulica Na Losem Glasu" und das schwingende
"Zbog Tebe Draga" stehen in einer Reihe mit neuem Material, wie dem Heavy Metal-Jagdhund
"Nemam Nista Protiv" und dem hymnischen
"Virtualni Svijet". Die Band klingt zu jeder Zeit nach sich selbst, authentisch, ohne die Schwelle zur Kopie zu übertreten, da auch das alte Material mit luftig-dynamischem Sound und schöner Interpretation in die neue Ära transportiert wird. Auch viel klassischeres Material wird mit
"Za Elizu" würdevoll in ein neues Gewand gekleidet.
Wie es im Titeltrack heißt, gibt es ein ehrliches Staunen darüber, dass die Songs der Jugendzeit der Band nun von einer neuen Generation gesungen werden – und so soll es bei einer derart wichtigen und wegweisenden Band wie
Divlje Jagode auch sein.
"Jukebox" ist mehr als nur ein wenig Flucht vor der aktuellen Krise – es transzendiert Zeit und lässt Musikfans aller Altersklassen erneut beieinander stehen und ihren Traum leben.