Die Informationswanderung der westlichen zur östlichen Metalszene funktioniert zumeist mit einigen Monaten Zeitverschiebung; noch schlimmer ist es hingegen umgekehrt, da die Existenz etwa der höchst lebendigen und regelmäßig abliefernden russischen Szene bis auf einige prominente Vertreter der Marke
Ария und
Круиз hier kaum zur Kenntnis genommen wird. Und so geht die Veröffentlichung außerordentlicher Alben wie der neuen
Скорая Помощь (
"Erste Hilfe") unter; völlig zu Unrecht, wohlgemerkt. Denn
während hier noch gerätselt wird, ob Accept jemals wieder ein Album aufnehmen, das halbwegs inspiriert klingt und ob Udo Dirkschneider noch "wild" kann, liefert das Quintett aus Sankt Petersburg deftigsten Stahl eben jener Marke ab.
Zugegeben, die Limitierung von
"Реставрация" auf 300 Exemplare wird nicht den Sprung in höhere Sphären bedeuten und die seit 1980(!) aktive Band hätte mehr verdient, aber sei’s drum. Nur eine Minderheit wird sich an Klassiker der Marke
"Hellraiser" und
"Reanimator" erinnern, dabei sind jene Alben im ureigensten Sinne ein barbarischer Rundumschlag;
als würde ein wirklich angefressener jung-Udo (zuweilen fühlt man sich auch an Vanize mit Peter Dirkschneider erinnert) den Zorn des östlichen Bären in das Mikro schreien, während mächtigste Riffs darunter gelegt werden. Hierin reiht sich auch die neue CD ein, für die man schnell Metalism Records angraben sollte.
11 Stücke zwischen
Accept,
Running Wild, aber auch den genannten landeseigenen Vorbildern und einer Prise
Shah und
Мастер werden angeboten und bei der ungestümen Art, in der die Songs präsentiert werden, kann auch so manche weit schneller spielende Band nur stramm stehen. Vom Gitarrenzauber eines
"Второе дыхание" über das steinharte Riffing in
"Твой день" bis zum blutsaugenden
"Вампир", der weit mehr Dracula als
Twilight oder
Powerwolf repräsentiert, ist nicht nur kein Ausfall auszumachen, sondern auch viel über die Stärken der russischen Szene zu lernen.
Es bleibt die Frage, warum ein Land 7000 Atombomben braucht, wenn es solche Geschütze auffahren kann. Sicher, nicht jeder Hörer wird den Exotenbonus der Sprache zu schätzen wissen und für Leute, die statt "Teutonenmetal" lieber "Bauern-und Kartoffelmetal" sagen, gibt es nicht viel zu holen, aber wer seine Fäuste direkt ins Gesicht geliefert haben mag, sollte um Скорая Помощь nicht herumkommen!