Ungarn ist zweifellos der Fleck Erde, der die meisten und besten Metal-Geheimtipps aufzuweisen hat. Wo soll man anfangen?
Edda Müvek,
Karthago,
Metal Lady,
Moby Dick,
Ossian (!),
Stress und natürlich
Pokolgép. Dass diese Gruppe, die auf ihren ersten Alben locker in Judas Priest-Qualitätsregionen hantierte, keinen internationalen Anklang fand, liegt sicherlich nicht zuletzt an den ungarischen Lyrics; von der Labelarbeit mal abgesehen. Die stählerne Gemeinde darf sich in jedem Fall freuen, die Höllenmaschine (oder Zeitmaschine, je nach Übersetzungsart) auch im Jahr 2016 noch an Bord zu haben.
"Metalbomb" ist das 14. Album der mittlerweile in komplett anderer Besetzung auftretenden Band und es ist schon ein kleines Wunder, was für einen hohen Standard die Magyaren halten. Waren die Erstwerke
"Totális Metál" und das superbe
"Pokoli Színjáték" klassischer Metal, der jedem Puristen das Metal Heart erwärmt, wird, klammert man die etwas kommerziellere Phase ab
"Metál az ész" (sträflich unterbewertet!) aus, seit den frühen 2000ern ein modernerer Einfluss sichtbar. Allerdings nur in homöopathischen Dosen, sodass man einen
Cloven Hoof-ähnlichen Untergang nicht fürchten muss.
10 Lieder gibt es auf der neuen CD (eine Vinyl-Veröffentlichung hat das lausige Cover leider nicht verdient) des Quintetts um Attila Tóth, die sich allesamt zwischen 3 und 6 Minuten bewegen. Die Texte sind im Booklet in ihrer englischen Übersetzung gedruckt worden; ein lobenswerter Ansatz. Was zählt, ist aber letztlich die Musik und die stimmt, wie gewohnt, ohne einen einzigen Durchhänger.
Die Produktion ist tatsächlich arg modern gehalten und würde so mancher trendigen US-Chart-Metalband gut zu Gesicht stehen; zu
Pokolgép will es aber nicht dazugehören. Ergo müssen die Songs selbst entschädigen. Dabei ist gleich "Az Alarc Lehull" ein phantastischer Einstieg. Starkes, klassisches Riff, das
Accept zur Ehre gereichen würde und von dem Truppen wie
Grave Digger nur träumen können, dazu ein satter Urschrei und schon fühlt man sich wie zu Hause. Darüber hinaus ist die Refrainstärke der Gruppe erstaunlich.
Damit ist die Formel für den Rest von
"Metalbomb" schon aufgestellt und von dieser wird stur kaum mehr abgewichen. Mit "Emlekszem" gibt es am Ende eine gute Ballade und mit "Szabadon Es Meg Szabadabban" einen Blick Richtung modernen Sounds der Marke Disturbed, aber im Schnitt ist das Album klar eine gereichte Hand in Richtung der Traditionalisten, die genug vom
Queensryche-Soundalike-Trend der letzten Jahre haben.
Die Highlights in dieser ungarischen Metal-Ursuppe sind, neben dem Opener, der Titeltrack (teutonische Gangshouts inklusive!) und das böse stampfende "Acelkemeny". Sollte die osteuropäische Konkurrenz (man denke an
Turbo -sowohl die tschechischen, als auch die polnischen-, Aria und Divlje Jagode) das Album jemals durchhören, sollte das hoffentlich einige Kurskorrekturen nach sich ziehen.
Pokolgép sind also auch Jahrzehnte nach ihrer Gründung für die Metalszene im allgemeinen und die ungarische Szene im Besonderen relevant wie eh und je. Ein internationaler Durchbruch wird nicht mehr kommen, aber wer ein Mal erlebte, wie die Hallen in der Bandheimat bei einem Auftritt der Herren aus allen Nähten platzt, weiß, dass dieser auch nicht nötig ist. "Metalbomb" platziert sich gekonnt im oberen Drittel der Diskographie und damit sicherlich auch im Jahrespoll!