Auch die Briten von
Shy haben die Freude am Musizieren nicht verloren. Selbst im Bewusstsein, dass man von den goldenen Achzigern im Jahre 2011 wahrlich nichts mehr abbeißen kann und nur mehr eine bescheidene, aber umso treuere Randgruppe bedienen darf, lassen sich
Shy von ihrer Vision namens Melodic Rock/AOR nicht abdrängen. Hier sind Idealisten am Werk. Sogar der Weggang von Tony Mills zu den Norwegern von
Tnt konnte die Truppe, die schon im Jahre 1983 ihr Debüt
"Once Bitten ... Twice" veröffentlichte, nicht daran hindern, frohen Mutes weiter zu machen. Als wichtigste Referenzalben gelten übrigens
"Excess All Areas" aus dem Jahre 1987 und
"Misspent Youth" (1990), welche
Shy zumindest eine Zeit lang Airplay bescherten.
Doch zurück in die Gegenwart. Mit Lee Small (ex-
Phenomena) wurde ein mehr als adäquater Mills Nachfolger ins Bandcamp geholt, der zwar nicht über eine so hohe Tonlage wie sein langjähriger Vorgänger verfügt, dafür aber umso kraftvoller ans Mikro geht.
Und siehe da ... überraschend hart und Bombast beladen klingt das Gros der neuen zwölf Songs. Wichtiger noch: auch das Songwriting lässt kaum Wünsche offen und erhielt dank Simon Hanhart (
Asia,
Brian Adams,
David Bowie,
Marillion,
Saxon) obendrein einen zeitgemäßen, satt-modernen Anstrich. Ähnlich wie beim grandiosen Comeback von
Treat vor einem Jahr gelang dem Quintett um Gitarrist Steve Harris (der Typ heißt wirklich so!) die richtige Mischung aus gepflegter Tradition und aktuellem Zeitgeist. Eine vernünftige Balance aus treibenden Rockern, Midtempo Tracks sowie seichteren Schmusesongs kriegt bekanntermaßen nicht jede AOR/Melodic Rock Truppe tight hin, ja oft genug stehen einem die Haare bald zu Berge, wenn der Weichspüleranteil klar dominiert - jedoch trifft dies bei diesem Quasi-Comeback der Engländer nicht zu. Sämtliche instrumentale Feinheiten konnten nahtlos in alle Tracks integriert werden und daneben gibt es auch eine üppige Fülle an schönen, richtig gehend ausschweifenden Melodien. Ebenso verleihen die, vor allem zu Beginn der CD vordergründig abgemischten Keyboardmelodien von Tastenchef Joe Basketts dem Liedgut einen ungewohnt frischen Touch - sprich, die Übergänge zum Symphonic Rock/Metal à la
Royal Hunt sind fließend.
Fazit:
Shy präsentieren sich auf ihrem elften, selbst betitelten Studiowerk überraschend stark und erfüllen locker alle Parameter eines todgeglaubten Genre, das in den letzten Jahren nicht zuletzt dank einiger großartiger Reunions sogar einen tollen Aufschwung erlebt. Anspieltipps sind wegen der allgemein hohen Hitdichte schwer auszumachen, dennoch möchte ich das treibend-dramatische
"So Many Tears", das mit
Bon Jovi Affinitäten aufwartende
"Ran Out Of Time", das an
Gary Moore (remember
"Run For Cover"?) angelehnte
"Pray" sowie das balladeske
"Sanctuary" als Kostprobe empfehlen. Auch wenn
Shy inzwischen zum alten Eisen gezählt werden: von (kreativer) Oxidation kann hier nicht die Rede sein. Melodic Rock Fans dürfen sich für den 7. Oktober 2011 jedenfalls schon mal die Hände kräftig reiben!
"Give It All You Got" vom äußerst "glam'igen" 1990er Album
"Misspent Youth":