Da Heavy Metal gewöhnlich eine Spielart der Rockmusik ist, die von Männern für Männer gemacht wird, ist man(n) als Redakteur einer Publikation wie der unsrigen immer wieder erfreut, wenn sich eine CD ins Postkästchen verirrt, an deren Produktion auch das oftmals vermeintlich "schwache" Geschlecht federführend beteiligt ist.
Ein solcher Lichtblick im Testosteron-dominierten Thrash/Death Metal sind Orphan Hate aus Berlin, die sich zwar schon in den 1990ern als reine Metal-Burschenschaft formierten, 2004 aber mit der Hinzunahme von Sängerin Sina Niklas neue Wege betraten und mit "Blinded by Illusion" nun das Debutalbum vorlegen.
Und dieses darf schon jetzt als durchaus gelungen bezeichnet werden. Der abwechslungsreiche Death/Thrash Metal glänzt durch Härte auf der einen, Melodie auf der anderen Seite. Zuweilen erinnern Oprhan Hate ein wenig an die Melodic-Death-Überväter In Flames, besonders wegen der eingängigen Refrains mit Pop-Affinität, bringen aber genügend Eigenständigkeit mit um kein Dasein im Schatten der Schweden fristen zu müssen. Die Instrumentalarbeit ist absolut professionell, die Nu-Metal-beeinflussten Riffs zumeist groovig, aber doch immer heavy. Geschwindigkeitsmäßig bewegen sich Orphan Hate im Midtempobereich, treten aber durchaus zwischendurch wieder kurz aufs Gaspedal und machen auch wie in der abschließenden Ballade "Fragrance" vor ruhigen Parts nicht Halt.

Mittelpunkt der Band ist klarerweise Sängerin Sina, optisch definitiv mehr Converse-tragendes NuMetal-Alternativ-Girlie als nietenbewehrte Lederkutten-Braut, die auf den ersten Blick so sweet ist, dass man ihr die derben Death Metal Growls keinesfalls zutraut. Gerade diese ultrabrutalen Grunzparts sind denn auch mein einziger Kritikpunkt an einem fast durchwegs perfekten Metal-Album, da sie meiner Meinung nach einfach zu eintönig wirken. Ihre wahren Stärken offenbart Sina, wenn sie tatsächlich singt, was glücklicherweise beim Großteil des Songmaterials zutrifft. Ihr etwas rauer, jedoch variabler cleaner Gesangsstil passt auch wesentlich besser zu den Songs, die mehr von Melodie und mosh-kompatiblem Groove denn von reiner Brutalität leben. Auf jeden Fall zählt sie zu den talentiertesten Sängerinnen der Metal-Szene und trägt mit ihren facettenreichen Vocals entscheidend zum Wiedererkennungswert Orphan Hates bei.

Da Blinded By Illusion auch nach mehrmaligem Hören nicht langweilig geworden ist, gibt’s vom Professor dafür 7 rosa Lollipops und ein Stück Kreide für Sängerin Sina, damit sie am nächsten Album nicht mehr so oft und tief grunzen muss – beim bösen Wolf im Märchen von den sieben Geißlein hat's auch gewirkt.