Ein Glücksfall jedenfalls, dass dieses große Areal und einstige Industriegelände, welches dazumal den Namen Kunstpark trug, im letzten Moment nach dem Pachtauslauf von den richtigen Interessenten übernommen wurde, während schon die ersten Baubeschlüsse für eine Wohnanlage Formen annahmen. Die neuen Betreiber nahmen jene Gelegenheit auch gleich zum Anlass, der neuen-alten, alten-neuen Multikultilocation das Namensetikett Kultfabrik zu geben. Was man doch so alles versäumt über die Jahre; Vom Tatort zum Täter:
Sieges Even ist so eine Band, die man entweder mag oder eben nicht. Das unbändige Verlangen, dem Vierer auf die virtuosen Fingerchen zu schielen, verstärkte das neue Masterpiece
"Paramount" umso mehr. Und der Heimvorteil dieser Ausnahmetruppe sollte noch eine kleine Überraschung bereithalten.
Nach einer gepflegten Stärkung in einem Restaurant, welches sich innerhalb des KF Areals zwei Häuserecken vom Metropolis befindet, wackelten wir mitten zu den Klängen von
Dreamscape, dem – ihr wusstet es – Localsupport. Die Deutsche bzw. Bayrische Antwort auf das New Yorker Traum Theater zeigte sich in guter Spiellaune, zockte das großteils komplexe Material tadellos runter und wirkte ebenso physisch agil. Der Fünfer gehört mittlerweile eh zu den Konstanten der Germanischen Prog-Metal Szene, ja überhaupt kein Thema – den entscheidenden, durchschlagenden Erfolg vermochten
Dreamscape indes aber noch nicht zu verbuchen. Nach einer geschätzten halben Stunde und einer ordentlichen Präsenz verließen die Jungs die Bühne und vergaben Promo CDs, die man zuhauf gestapelt am mittleren Monitor hinterließ …
Dann folgte der große Augenblick: die Band, die aus hoch geschulten Virtuosen seit 1986 besteht, die Band die via
"Steps" und
"A Sense Of Change" einst Musikgeschichte schrieb, die Band, die nach langer Pause sich 2005 mit neuem Sänger so souverän zurück meldete enterte unter dezenten Nebellicht die Bretter und legte gleich mit den beiden ersten Songs
"When Alpha And Omega Collide" und
"Tidal" des aktuellen Albums
"Paramount" los. Und da waren sie auch schon: diese Power, diese minuziöse Spielweise und obendrein eine spürbare Euphorie. Jedem noch so kleinen Detail wurde da akribisch Aufmerksamkeit geschenkt, mit anderen Worten: schlicht und einfach genial!
Einziger Wermutstropfen war da wohl die Stimme von Arno Menses, dem dieser Tage eine Erkältung zusetzte und bei den hohen Passagen dementsprechend Probleme bereitete. Aber der kleine Holländer nahm es gelassen und pflegte dies zumindest mit einer gesunden Portion Humor wett zu machen. Zu meiner Überraschung aber nicht in Deutsch, sondern in Englisch. Weiters sei gesagt, dass sämtliche Backing Vocals und Keyboards vom Band kamen; an erstere musste ich mich – ehrlich gesagt – erst gewöhnen, hatte ich diesbezüglich eine komplette Live Präsenz durch Unterstützung der restlichen Musiker erwartet. Den Holzwarth Brüdern konnte dieser kleine Schönheitsfehler an dem Abend aber die Stimmung nicht eintrüben, im Gegenteil: jene blind verstehende Rhythmussektion, einer Atomuhr in Sachen Präzision in nichts nach stehend, lief in einer Tour ein Grinsen über das Gesicht, zumal Gitarrist Markus Steffen, der gleichfalls sein schier perfektes Spiel - eine vitale Mischung aus Powerchords und grazilem Gezupfe - zum Besten gab, eher den introvertierten Part verkörpert.
Irgendwie nachvollziehbar, dass das Hauptaugenmerk auf die beiden letzten Longplayer
"The Art Of Navigating By Stars" und
"Paramount" zielte, mit
"The Waking Hours",
"These Empty Places" und am Ende
"Corridors" löblicherweise ebenso Liedgut früheren Datums zum Zug kam. Tja, und bei
"Eyes Wide Open", der Ballade der neuen Platte forderte der sympathische Menses die gut 150 Anwesenden auf, den earcatchy Refrain lautstark mitzusingen, was nur bedingt funktionierte.
Die Überraschung dieses Abends folgte einen Song, also nach
"Duende" später: nämlich als Franz Herde, der Sänger der ersten beiden SE Alben
"Lifecycle" und
"Steps" sodann die Bühne erklomm und urbayrisch die Saalgäste begrüßte: „Griaß eich München!“ kam's laut und selbstbewusst aus dem Kehlkopf und zockte mit seinen früheren Bandkollegen besagtes
"Lifecycle" sodann runter, dass es nur so eine Freude war! Diesen Auftritt wird man wohl nicht mehr so schnell vergessen. Nach dem der reguläre Set mit
"Paramount" endete, ließ sich das angefeuerte Quartett nicht lange betteln, noch zwei Zugaben nach zu schieben: nämlich
"The Weight" und das bereits erwähnte
"Corridors". In Anbetracht des Eintrittspreises von wohlfeilen 17,50 im VVK und einer fast zweistündigen Headliner Show kann man nur mehr sagen: ganz, ganz feine Sache!