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In Extremo - Kinski und der Sängerkrieg
(Micha Rhein ("Das letzte Einhorn") hat eine lange Nacht hinter sich - bis 4 Uhr morgens war er in Wien unterwegs. Bereits um 9 Uhr früh beginnt sein Interview-Marathon im Hotel "Das Triest". Ich habe um etwa 16 Uhr das Vergnügen, mit dem müden, jedoch bestens gelaunten Sänger von In Extremo kurz über das neue Album "Sängerkrieg" (zum Review), Klaus Kinski und musikalische Aphrodisiaka zu plaudern.)
DarkScene: Hallo Micha! Micha: Hallo! (lacht) DarkScene: Willkommen in Österreich - zum wiederholten Male. Ihr kommt bald wieder auf Tour nach Wien? Micha: Am 11.7. kommen wir in die Arena. Zu Weihnachten werden wir auch in Österreich sein. Wir machen heuer eine große Weihnachtstour. Ich glaube, wir spielen sogar in Graz. Die Weihnachtstour wird aber erst im Sommer bekanntgegeben. DarkScene: Ihr habt ein neues Album im Gepäck - "Sängerkrieg" (zum Review). Was peilt Ihr denn für eine Chartsplatzierung in Österreich an? Micha: Keine Ahnung. Davon bin ich auch ziemlich frei. Ich glaub, in den Top 20 waren wir letztes Mal. Aber so wie's kommt, so kommts. Man weiß auch nie, wer gerade mit rauskommt. Und wenn man mit der Verschiebung der VÖ versucht, unbedingt darauf hinzuarbeiten, kann nächste Woche wieder jemand anders rauskommen. Das kann man nicht voraussagen. DarkScene: Musikalisch gesehen klingt Euer neues Album sehr homogen - das merkt man schon beim ersten Lied, wo sich Melodien von Gitarre und Dudelsack gut ergänzen. Micha: Auf dieser Platte sind mehr Dudelsäcke und mittelalterliche Instrumente als auf der letzten. Die sind einfach nur besser integriert, und nicht mehr "der Part ist jetzt dran und der jetzt". Es ist jetzt eine Gemeinschaft, und das finde ich sehr gut. Es sind keine abgehackten Stücke. Es rollt! Das finde ich einfach klasse. DarkScene: Ihr habt nun erstmals ein estländisches Stück - den "Zauberspruch". Damit habt Ihr nun schon viel von der eurasischen Landkarte abgedeckt - was würdest Du denn gerne noch abdecken? Micha: Russisch! Wir haben mal Russisch in der Schule gelernt. Mal sehen. Was das estländische Lied betrifft: der "Zauberspruch" bedeutet ja letztendlich, platt übersetzt, ein Zauberspruch gegen alle Krankheiten. Die Musik war schon da zu dem Stück. Wir hatten bloß nach einem geeigneten Zauberspruch gesucht. Der ist uns dann einfach ins Auge gestochen, hat mich sofort angefixt. Ich dachte, diese positive Aussage muss man einfach vertonen! Diese Zaubersprüche sind, man munkelt, fast 1000 Jahre alt. Sie wurden in Estland aber erst vor 150 Jahren schriftlich festgehalten. Davor wurde alles von Mund zu Mund über Jahrhunderte weiter verliehen. Und einer hat sich dann mal bereiterklärt und alles aufgeschrieben. Ich weiß auch, wer es ist, aber nicht aus dem Kopf. Auch Französisch haben wir wieder drin, das "Requiem". Der Text ist von Francois Villon, und bedeutet kurz und sinngemäß übersetzt: für fünf Minuten Heiterkeit kannst Du auch Dein ganzes Leben lang immer Pech an der Hacke haben. "En Esta Noche" ist rein spanisch. Mein Sohn lebt in Spanien. Der Text ist von uns, der war ursprünglich in Deutsch. Mein Sohn hat mir den Text ins Spanische übersetzt, und das klang einfach tausendmal geiler! Noch dazu werden wir in Südamerika und Spanien touren, und ... ja. DarkScene: Welches von all Euren Liedern hat für Dich die "aphrodisierendste" Wirkung? Micha: Oh ... das ist eine schwere Frage. (überlegt) Der Song soll einen also richtig geil machen, auf Deutsch gesagt? Also, fast schon schnulzig vom Text her, aber das macht es ja gerade aus: "Die Gier". Das Lied wird auch am meisten von den Frauen gewünscht. DarkScene: Ihr habt in der Band auch einen konstruktiven "Sängerkrieg". Zwischen welchen Bandmitgliedern gibt es denn die markantesten Wettstreite? Micha: Zwischen allen! Aber das ist nicht so, dass wir uns jetzt fighten oder kloppen. Das ist eine kleine Stichelei, dadurch wird auch Kreativität geweckt, und das ist ein sehr gesunder Ablauf. Wir schreiben die Songs alle zusammen, auch die Lyrics, was total klasse ist. Wenn eine Person alles selber schreibt, ist der Wortschatz bald aufgebraucht, und man wiederholt sich zu viel. Wenn man das zusammen macht, passiert das nicht, und das finde ich schön. DarkScene: Ihr habt seit Ewigkeiten keinen Line-Up-Wechsel gehabt, was sicher auch an der festen Freundschaft liegt ... Micha: Ja natürlich. Wir hatten einen Line-Up-Wechsel überhaupt, das war damals, als Basti kam, und der ist jetzt schon über acht Jahre dabei. Thomas, der damals bei uns zwei Jahre gespielt hat, ist sehr schwer krank geworden. Wir können nach wie vor miteinander, aber Basti war für die Band auch wie ein Fünfer im Lotto, und ich möchte das auch nicht mehr anders haben. Keiner von uns. Basti war auch von der ersten Sekunde an mit allen Rechten und Pflichten ein In Extremo. DarkScene: Stand irgendwann, trotz der festen Freundschaftsbande, das Schicksal der Band auch mal auf der Kippe? Micha: Einige Male. Wir sind damals von einem Management in Berlin - das erste, das wir überhaupt hatten - um sage und schreibe 450.000 Euro beschissen worden. Mit allem Drum und Dran. Das hätte fast das Aus der Band bedeutet, aber wir haben einfach zusammengehalten! Und Kai hatte mal eine Krebsdiagnose, ich hatte einen Brandunfall undsoweiter. Und das schweißt natürlich auch zusammen! Das war so, aber ein Aufhören stand überhaupt nie zur Debatte. DarkScene: Klaus Kinski ist eine Deiner Inspirationsquellen - inwiefern? Micha: Er war ein sehr intellektueller Scheiber. Man muss dazu sagen, die meisten seiner Sachen sind ja gar nicht von Kinski. Die meisten hat er gestohlen von Francois Villon. Das war ein Kneipenpoet im 14.Jahrhundert, ein Magister sogar, ein hochintelligenter Typ, der die Obrigkeit verarscht hat nach Strich und Faden, mit seinem Charme, mit seinem Witz. Davon ist glücklicherweise sehr viel erhalten geblieben. Es gibt glaube ich nur 49 Werke weltweit, wo andere über ihn geschrieben haben. Es gibt nur 49 Stück, und ich habe 47 davon. Zwei Stück fehlen noch, und ich habe eine komplette Sammlung! Die habe ich auf Flohmärkten erhascht, und mich damit jahrelang beschäftigt. Und über den bin ich eigentlich zu Klaus Kinski gekommen. Er war mir bekannt über Edgar-Wallace-Filme oder schlechte Cowboyfilme. Dann habe ich damals angefangen, Kinski-Platten zu sammeln! So ein Spleen, so richtig diese Vinyl-Platten. Da habe ich mittlerweile auch einen ganzen Stapel. Und da habe ich auch mal festgestellt, der hat komplett ganze Sätze, halbe Bücher übernommen. Aber gut! Und auch Brecht hat nichts anderes gemacht, der hat nur gestohlen und geraubt, aber gut. Klasse. Der hat zum Beispiel Villon komplett zitiert, nur 500 Jahre später. DarkScene: Mischt Ihr Euch bei Festivals gerne unters Volk? Micha: Ich geh nach wie vor jedesmal raus. Eine Band kann ich auch von der Bühne aus angucken, aber sehr oft gehe ich vorne raus. Natürlich kommen dann auch mal Leute an, und wenn's mich nervt, geh' ich weg. Und wenn nicht, bleibe ich da. DarkScene: Du kennst sicher die Band Feuerschwanz? Micha: Ich hab die einmal gehört, ja. DarkScene: Wäre es für Dich lustig, von denen mal eines Eurer Stücke parodieren zu lassen? Micha: Ach, die können ja machen, was sie wollen. Ich hab die nur einmal gesehen, und ich kenne auch den freakigen Peter noch, der mal bei den Merlons gespielt hat. Wenn ich mal ganz fies und arrogant sein soll, würde ich sagen: Schuster, bleib bei Deinen Rappen. Punkt. Das meine ich nicht mal arrogant. Der freakige Peter! Der freakige Peter ist auch der, der sich vor der Show die Tätowierung aufmalt und dann wieder abwäscht. (lacht) Damit kann ich nichts anfangen. Die können von mir aus parodieren, was sie wollen, bei der Gema anmelden und dann ist alles in Ordnung. DarkScene: Dein aktuelles Lieblingszitat? Micha: Die Musik muss aus'm Bauch und nicht aus'm Arsch kommen. (wir lachen) DarkScene: Und Dein aktueller Lieblingswitz? Micha: Oh, da bin ich sehr schlecht. Aber der ist mir hängen geblieben: (Micha erzählt einen obszönen Witz, auf dessen Verzicht wir uns einigen ;-)) Ich bin in Witzen total schlecht. Aber ich hab nen Freund, den Höppi, der kann Dir stundenlang Witze erzählen. Ich nehm' mich selber witzig. DarkScene: Danke für das Interview! Micha: Dank Dir! Mehr von In Extremo
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