So viele Soloausflüge – speziell einige Sänger namhafter US Bands betreffend – gab es zuvor selten. Was tun, wenn sich Tournee/Konzert-Aktivitäten für ausnahmslos alle und jeden seit dem Frühjahr 2020 erledigt haben? Genau: man kreiert sein eigenes Ding, sofern die Hauptband keine Studioverpflichtungen am Laufen hat. Im Falle des
Queensryche Fronters, der nebenbei auch ein blendender Schlagzeuger ist, reicht also ein passender Gitarrist, der die Vision kompetent unterstützt. Es handelt sich um einen gewissen Craig Blackwell, der daneben auch gleich den Viersaiter zupft.
Erfreulich erfrischend und abwechslungsreich tönt er, der erste Dreher jenes Herrn, der die undankbare Aufgabe, in die übergroßen Fußstapfen eines Geoff Tate zu treten, vor sechs Jahren würdig annahm. Todd's Kompositionen haben mit
Queensryche nicht viel am Hut, soviel kann verraten werden, denn dafür sind sie zu aggressiv und zu straight ausgefallen, wohl aber kommt einem der kristallklare Klang vertraut vor: schließlich schnappte er sich Chris „Zeuss“ Harris für das Mischpult, genau der Tüftler, der die letzten beiden Alben der Seattle-Truppe (und viele andere wesentlich härterer Acts) veredelte.
Und immer wieder erscheint während der achtundfünfzig Minuten (lim. Edition) ein Name vor dem geistigen Auge, der fast in Vergessenheit geriet:
Fight! Jedenfalls ist Todd’s Timbre prädestiniert, dem
Oberpriester Halford stimmlich nahe zu kommen, und als wäre das nicht schon cool genug, pulsieren die kompakt geformten Songs ziemlich exakt an jener Nahtstelle des Power und Groove/Thrash Metal, wie es seinerzeit eben dieses famose
"War Of Words" Werk aus dem Jahr 1993 tat, bzw. noch immer tut. Dieses Merkmal gilt im Speziellen all den drückend-schiebenden Riffs (
"Pretenders",
"Darkened Majesty")!
Doch abgesehen von den unsanften Nummern, die es wirklich in sich haben, ist es die Ballade
"Crossroads To Insanity", die so verdammt-verflucht-verflixt geil ist. Wäre dieser Track nicht als Appetizer über den großen Teich geschwappt, hätte mich das Album vielleicht gar nicht so interessiert. Wer weiß? Die Bandbreite von
"Rejoice In The Suffering" wird hinten raus jedenfalls noch offener: das gemächlich-rockige
"Vexed" mag fast schon eine gewisse Müdigkeit andeuten, doch das anschließende
"Vanguards Of The Downwall" bombardiert den Hörer in bissigster
Overkill Manier. Die drei Bonustracks
"Fractured"/Set It Off
"/"One By One+ halten das Niveau problemlos, was so nicht zu erwarten war.
Lassen wir den völlig farblosen
Queensryche Auftritt vom November 2019 in Telfs außen vor. Lassen wir außen vor, dass La Torre nicht das Charisma eines Geoff Tate hat und niemals haben wird. Lassen wir mal überhaupt alles weg, was irgendwie mit
Queensryche zu tun hat:
"Rejoice In The Suffering" - der bittersüße Titel passt haargenau - ist ein herausragendes Opus von einem spät berufenen Sänger, der völlig losgelöst beweist, wie man eine wuchtig-moderne und nicht minder vitale Metal Scheibe schreibt, arrangiert und produziert!