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10.0
Der rumänisch-französische Essayist und Philosoph Emil Cioran sagt, es liege keine Würde darin, sich zu verbessern, alles sei leeres Streben; Streben selbst gar sei leer. Die beste Lösung sei es, nichts zu tun, oder alles zu tun wie immer, was das Gleiche sei, wie nichts zu tun – eher unbewusst, aber doch, leben in den Szenen der Musik ungeahnt viele Künstler dieses Denken, spielen immergleiche Musik für die immergleichen Leute mit den immergleichen Reaktionen und stellen sich nicht selten auf dieser Grundlage auf das Podest der Authentizität.
Lunar Shadow sind die philosophische Gegenbewegung, ein Musik gewordener Absurdismus, der Cioran vorhält: alles ist Leere, ja, aber statt zu resignieren, hilft die Flucht nach vorn. Diese Flucht könnte umwälzender nicht sein, denkt man zurück an die EP "Triumphator" und hört nun "Wish to Leave", die Antithese, die gerne keine Revolution wäre, diesen Tiger aber leitet. Warum so kopflastig? Ist die Einführung des Denkens in die Musik nicht das Umstellen der Pyramide auf ein nur schwerlich tragendes, spitzes Fundament? Lunar Shadow laufen Kreise um den traditionellen Heavy Metal, dem sie sich zumindest in einer gewissen Weite schuldig fühlen – doch diese Weite der Schuld ist nichts, das Echo derer, die der Band Verrat und Obskurität vorwerfen ist genauso ein müder Hauch wie das Gesamte derer, die bei "Serpents Die" von Schönheit und Progression schwärmen. Progressive Musik, ohne progressiv zu sein, Radikalität ohne den Geist des Rebellen, Konsequenz ohne Struktur – "The Smokeless Fires" ließ es erwarten, natürlich. Umso gekünstelter wirken nun die Rezensionen unserer Kulturindustrie, denen heute diese Kunst bewegend ist und morgen die nächste. Interesse im Sinne des Wortes, Inter-Esse, Zwischen-Sein; zwischen den Kunstwerken stehend, eines so zu werten wie das andere. Dem europäischen Ur-Ideal des "Genius" verschreiben sich Musik-"Journalisten", wo sie Vergleiche zu Liedern wie "Roses" hören, oder gar Eigenständigkeit unterstellen dürfen. Nichts von alledem ist wichtig, nichts tangiert Lunar Shadow, die das alles schon hinter sich gelassen haben. Wieso "Delomelanicon" rechtfertigen? Wieso es postmodern oder alternativ nennen? Exzellentes Spiel mit der Sprache der Seele, mehr ist hier nicht und mehr wird man nie verlangen können. Den Gesang, der klingt, als halle er vom anderen Ende einer großen Kathedrale, die gebaut ist aus den flüchtigen Klängen Max Birbaums Gitarre, zusammengehalten durch die Dicke eines Bass-Sounds, der dominanter ist denn je? Vertraut und befremdend, Ohrwürmer und Hymnen der tanzend zelebrierten Lebensunlust. Wie viel tiefer kann Musik einen denn noch in und aus sich selbst reißen als "The Darkness Between the Stars"? Rund 36 Minuten Musik, die sich anfühlen wie eine Ewigkeit, im besten Sinne, denn Temporalität verliert ihren strengen Griff und man wird gebettet in einen Hauch von Unvergänglichem. Lassen wir ab, finalisieren wir: Lunar Shadow haben es wieder geschafft, einen das finden zu lassen, von dem man nicht wusste, es suchend zu sein. "Wish to Leave" ist Musik der Unzeitlichkeit, die sich in ihrem Kontext so entfaltet, wie sie es woanders mit gleicher Anmut täte. Um es an die Worte eines Denkers zu legen - Musik für alle und keinen. Oder treffender: Musik für die hundert Einsamkeiten. Trackliste
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Reviews
15.06.2019: The Smokeless Fires (Review)12.03.2017: Far From Light (Vinyl) (Review) 10.03.2017: Far From Light (Review) 29.09.2015: Triumphator (Review) News
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