Suede auf Darkscene? Da werden wieder einige die Stirn runzeln. Egal. Suede waren immer schon eine der tiefgründigsten, britischen Alternative-Rock Bands, eine der Wegbereiter dessen, was später der breiten Masse als Brit-Pop bekannt wurde und in ihrer frühen Pracht ohne Zweifel eine der glamouröstesten und besten Indie-Bands ihre Zunft. Für mich persönlich waren Suede immer mehr als "nur" eine Brit-Pop Band. Zu melancholisch, zu trist und viel zu wehmütig klang ihre zutiefst britische Kunst. Die unendliche Melancholie war immer schon das Großartige an dieser Band und wem diese auch früher schon richtig auf die Emotionsdrüse gedrückt hat, der wird mit "The Blue Hour" wohl ebenso vollends bedient, wie meine Wenigkeit.
Suede klingen auf ihrem neunten Album größer, cineastischer, düsterer, trauriger und erhabener als je zuvor. Pure Melancholie, schwelgerische Wehmut, Dunkelheit, Angst und Albträume zieren das perfekt verpackte Konzeptalbum über die blaue Stunde, die Zeit zwischen Tag und Nacht.
Vielschichtig, reif und experimentell ist es, was uns
Suede auf
"The Blue Hour" servieren. Ich nenne es
düster, monumental und intensiv und bereits der sakrale Pförtner
"As One" zieht mich mit Orchester, dunklen Chören und dem intensivem Gesang von Brett Anderson sofort in seinen Bann. Kommerz und Eingängigkeit klingen definitiv anders.
Suede scheren sich einen Dreck um Trends oder Mainstream. Die Prager Philharmoniker und Chöre an ihrer Seite, übermannen mich die Briten mit einem
traumwandlerisch intensiven und nachdenklichen Melancholiebrocken, der in seiner getragenen Andacht und Schwermut ungeheuer epochal und bombastisch scheint. Perfekt produziert und wuchtig, sind Songs wie
"Wastelands", das rabiate
"Tides" oder
" Don’t Be Afraid If Nobody Loves You" zwar ohne Frage straight, eingängig und rockig, im Gesamtkontext von
"The Blue Hour" spielen sie aber keineswegs eine tragende Rolle.
Der Star des Konzeptalbums ist die Atmosphäre und diese ist von furchteinflößend düsterer Dunkelheit, bis zu endloser Traurigkeit und der immerwährenden Wehmut, konsequent fesselnd.
Songs wie das superbe
"Tides",
"Cold Hands", das intensiv düstere
"All The Wild Places" oder das wunderschöne
"Beyond The Outskirts" gehen in
all ihrer Pracht und grunddepressiven Schönheit einfach tief unter die Haut. Dazwischen, und um die eh schon
vereinnahmende Grundstimmug des großen Ganzen noch eine Stufe nach unten zu drücken, stehen unkonventionelle Momente wie das beschwörend intensive, schlicht geniale
"Chalk Circles" oder das beklemmende
"Roadkill" mit seiner
Morrison'schen
"American Prayer"-Aura. Die
abwechslungsreichen Vocals, die erdrückende Atmosphäre und die Anreicherung der breitwandtauglichen Klangkolosse durch Streicher, Orchester, Spoken-Words und gregorianische Chöre, machen "The Blue Hour" zu einem oskarreifen Manifest. Da passt es wie die Faust aufs Auge zur Stimmung dieses experiemtell nachdenklichen Albums, dass der Videoclip zum melancholischen Hit
"Life Is Golden" in der ukrainischen Tschernobyl-Geisterstadt Pripyat gedreht wurde.
Monumentale Klangbilder sind es, die "The Blue Hour" zu einem fordernden, intensiven und düster cineastischen Gesamtkunstwerk zwischen Indie-Pop, Alternative Rock und klassisch gefärbten Klangbildern bester Vangelis-Manier machen, das seine ganze Pracht vor Allem am Stück und laut gehört entfaltet. In seiner gesamten Dichte, seiner beeidruckenden Wucht und seiner düsteren Opulenz ist
"The Blue Hour" meiner Ansicht nach nicht nur das erwachsenste, sondern vielleicht sogar das größte
Suede Album.
Für mich ist es in jedem Fall eine
der Überraschungen des Jahre 2018 und ein vielschichtiges und tiefgründiges Werk, das jedem Fan stilvoll, monumentaler Alternativ-Indie-Rock Klänge bedenkenlos zu empfehlen ist.
Man muss keinen Metal oder Gothic spielen, um für Tristesse zu sorgen. Düsterer, seelenleerender und erdrückender sind nur wenige Alben dieses Jahres....