Doom Metal verhält sich zu Herbst wie Filiale zu Unternehmen - keine Jahreszeit ist auch nur annähernd so gut für das Sehen, Erleben und Fühlen des Gedankens der Destruktionsromantik geeignet und daher ist es kein Wunder, dass die Freunde (kann man so einen positiv besetzten Begriff in dem Genre eigentlich benutzen?) dieses Stils sich auf viele düstere Veröffentlichungen freuen können.
Die Ankündigung eines neuen 40 Watt Sun-Albums ist hierbei schon eines der größten einzulösenden Tickets; nicht nur war das Debüt
"The Inside Room" ein ziemlicher Erfolg, sondern das Trio reitet auch noch auf der wohl ewig nachhallenden Welle des Hypes der Vorgängerband
Warning und deren Meisterwerk
"Watching From A Distance", einem Album, das für immer den Sonderplatz
"Wenn ich es gerade höre, ist es das beste Doom-Album aller Zeiten" auf dem Siegertreppchen belegen wird.
Um ehrlich zu sein: nach dem 2006er-Album hätte Patrick Walker die Musik ruhen lassen können. An diesem Lebenswerk gibt es nichts zu rütteln und jeder einzelne der fünf Tracks ist ein Doom-Manifest, das auch nach dem hundertsten Hören Gänsehaut erzeugt.
"The Inside Room" konnte die Klasse nur bedingt halten, auch wenn "Carry Me Home" und "This Alone" jeden Test der Zeit bestehen werden. Und so sehr man sich auf neue Musik des Briten freut, weiß man doch, dass es nicht mehr wird, als eine Art Extension für bereits Geliefertes. Keine Chance also für
"Wider Than The Sky"?
Im Grunde genommen nicht; angeboten werden sechs meist überlange Lieder, die instrumental wie immer nur von bedingter Substanz sind -Einige mögen es "Moll-Akkord-Geschiebe" nennen- und sich nur durch Walkers einzigartige Stimme und die kongenialen Texte von der Konkurrenz absetzen. Alles wie immer also? Dem Fan werden entscheidende Neuerungen auffallen: Das Coverartwork ist nicht mehr verschwommen und das Auge fordernd, bräunlich gehalten und versteckend, sondern klar und relativ hell; die Produktion ist nicht mehr brutal überlagernd bis in den Sludge schielend, sondern durchlässig und mit klarem Fokus am Gesang (gerade der Schlagzeugsound ist fast schon "jazzig") und eines der Stücke kommt auf nicht einmal 4 Minuten.
Sind das entscheidende Änderungen, gar ein Neuanfang? Für den Ächter der Materie sicher nicht, aber jeder Fan wird den Unterschied gleich bemerken.
Die Musik kommt zunächst leichtfüßiger daher, reißt einen aber nicht minder stark in das schwarze und trostlose Loch, das 40 Watt Sun wie keine andere Band auf der Welt kreieren, den nicht immer verzweifelt-hoffnungslosen Texten zum Trotz. Auch
"Wider Than The Sky" kann man nicht fragmentweise hören. Fängt man an, ist man festgehalten und hört das Album zu Ende. Oder man findet darin nichts und schreibt die Band reinen Gewissens ab, denn hier gibt es keine Überraschungen oder Abweichungen vom Rezept.
Gerade auch deshalb kann man die Lieder untereinander gut vergleichen und hier gibt es ungeahnte Qualitätsunterschiede. Waren dereinst die
"Footprints" auf einem ebenso hohen Niveau wie
"Bridges" oder
"Faces", gibt es ein deutliches Gefälle im Album; von außerordentlicher Qualität zu Beginn bis zu etwas schwieriger zu vermittelnder Musik gegen Ende. Das klingt schlimmer, als es wirklich ist; jedes Stück nimmt einen mit in eine eigene kleine
40 Watt Sun-Welt, doch zwischen dem monumentalen 16-Minüter und Opener
"Stages", der mit Sicherheit die Doom-Jahresliste anführen wird und dem kurzen, leider nicht ganz knackigen
"Marazion" liegen Welten.
Die Akustik-Elemente, das deutete sich in den letzten Jahren an, nehmen zwar keine Überhand, doch die Schwere der Gitarren ist ganz eindeutig zurückgenommen worden; am Besten zu hören in der Vorabveröffentlichung
"Beyond You", das mit einem großartigen Mittelpart daherkommt.
"Another Room" ist vielleicht das langsamste Stück, das die Band je servierte und erschafft für 12 Minuten eine ganz eigene Stimmung. Es ist schwierig, von Patrick Walkers Musik zu sprechen, ohne in farbige und blumige Ausschweifungen zu verfallen, die den Leser eher ratlos zurücklassen. Die unbedingte Empfehlung: Reinhören.
"Wider Than The Sky" hat also $einige künftige Klassiker der Bandgeschichte mit an Bord und wird seine Langzeitwirkung ebenso wenig verfehlen, wie alle seine Vorgänger
(das unterbewertete "The Strength To Dream" eingeschlossen!), aber dem Monoliten der Diskographie wird es auch nur aus der Distanz zuschauen können. Fans der Band können und müssen trotzdem bedingungslos zugreifen und Doom-aber auch Ambient-Interessierte machen hier keinen Fehlgriff. Vergleiche gibt es keine; diese Musiker spielen in einer eigenen Sphäre.§