Natürlich wurden die Schotten bald mit Hype-Vorwürfen konfrontiert, da Vanessa Warwick, dazumal Moderatorin der einzig vernünftigen TV-Rock Sendung „Headbangers Ball“ und Ehefrau von Sänger/Gitarrist Ricky Warwick, keine einzige Gelegenheit ausließ, Publicity für dessen Band zu veranstalten - der Clip zu
"Free n' Easy" dürfte Zeitzeugen nur zu gut in Erinnerung geblieben sein. Gerade die ersten beiden
The Almighty Alben
"Blood, Fire And Love" (1989) und
"Soul Destruction" (1991), zwei erdige Rock n' Roll Scheiben mit deutlichen
Motörhead und
The Cult Einflüssen, profitierten vor allem in Großbritannien davon, wogegen ich mich zunächst nicht sonderlich beeindrucken ließ. Viel mehr fraß mich und wohl vielen anderen Jung & Altmetallern der Neid, abgesehen von allen möglichen erotischen Fantasien, wann diese Hammerblondine samt ihrem anatomisch perfekt geformten Mund in die Kamera für den MTV Kanal blinzelte.
Allerdings: Hätte ich mich von der penetranten Promotion-Maschinerie nicht derart blenden lassen bzw. mich mehr auf die Musik konzentriert, wäre ich wohl schneller zur erhellenden Einsicht gekommen, dass
The Almighty nicht nur Nutznießer einer Dauerkampagne sind, sondern ebenso exzellente Songwriter, die leider stets unter ihrem Wert geschlagen blieben. Zumindest habe ich diese Tugend auf dem dritten Studioalbum
"Powertrippin‘" gänzlich entdeckt, für welches der hoch angesehene Knöpfchendreher Mark Dodson (
Anthrax,
Suicidal Tendencies,
Metal Church,
Prong, u. v. a.) engagiert werden konnte. Die typischen Charakteristika blieben immer noch im Vordergrund, sprich: das erdige, das rotzige, das punkige, gleichzeitig aber dem modernen Zeitgeist der frühen Neunziger angepasst. Da kitzelte Dodson fürwahr das letzte und mehr aus den vier Glasgow Lausbuben raus. Anders ist es kaum erklärbar, dass die zwölf top arrangierten Songs bis heute nichts an Reiz eingebüßt haben.
Obschon manche Wichtigtuer Warwick und seinen damaligen Spießgesellen die Benützung einiger Grunge Einsprengsel vorgeworfen haben mögen, sind selbige genau die, die durch ihre dezent angewandte Dosis den Sound auf
"Powertrippin‘" zusätzlich belebt und das Repertoire erweitert haben.
"Addiction",
"Possession",
"Sick And Wired", oder
"Instinct" – übrigens vier reinrassige Hits mit Kick-ass Faktor – sind deshalb noch lange keine Stimmungstöter, wie man im ersten Moment mutmaßen könnte, ganz im Gegenteil: viel mehr sind sie dreckige Powerrocker, die das grenzenlose Selbstbewußtsein der Herrschaften London, Munroe, Friesen & Warwick zu jener Phase eindrucksvoll widerspiegeln. Und auch die erwähnte
Motörhead Prägung (Ricky ist selbstverständlich bekennender Lemmy Verehrer!) trifft man an - speziell beim flotten Titeltrack inklusive Punk-Anstrich und beim obergeilen
"Over The Edge", zudem das Quartett mit einer Megaballade à la
"Jesus Loves You, But I Don‘t" es eigentlich locker schaffen hätte müssen, sämtliche Charts zu knacken, wäre da nicht dieser, sagen wir mal, stichelnde Unterton inbegriffen. Übrigens: ein gewisser Mister Blaze Bailey (anno dazumal noch bei
Wolsbane am Mikro) hat hierzu die Backgroundvocals mit eingesungen. Ähnliches gilt für die zweite Ballade
"Out Of Season", die mit ihren Blues und Southern Rock Vibes so richtig heimelnde Gefühle erweckt.
Wie könnte man also solch einer überragenden Gesangsperformance, und der jäh nach Adrenalin, Benzin und Leder miefenden Attitüde der Allmächtigen aus dem Mutterland des Whiskey widerstehen? Ich persönlich habe kein wirkungsvolles Rezept. Dass
The Almighty sich in den Folgejahren mit noch moderneren Experimenten etwas verzettelt hatten und zwischenzeitlich aufgelöst wurden, steht auf einem anderen Blatt, sowie, dass Rock n' Roll Wildsau Warwick mit seiner
Thin Lizzy Quasi-Tributeband
Black Star Riders zwischenteitlich ein weiteres Standbein ins Leben rief. Jedenfalls ist es eine Art wieder entdeckte Liebe, die bei diesem 1993 Dreher aufgeflackert ist, denn seit Wochen wird jener mit großer Begeisterung rauf und runter "genudelt"!