Walpurgis Night haben mich letztes Jahr mit ihrem Debütalbum
"Under The Moonlight" völlig fasziniert zurückgelassen. Mit grenzenloser Naivität unbekümmert drauflos gezockter 80er Metal, der wie eine Mischung aus
Stormwitch und
Mercyful Fate rüberkommt. Völlig ohne Kalkül – nur mit Herzblut und Charme eroberten sie binnen kürzester Zeit die Herzen vieler Underground Metalfans. Songtitel wie
"Invaders with Chains" oder
"Castle Ghoul" inklusive Textzeilen wie
"We will break your defense, cos our knowledge is immense…" ließen nicht nur mich schmunzeln. Diese Band muss man einfach lieben. Mit großer Spannung und volle Vorfreude schiebe ich also das zweite Album meiner Heroes in den CD-Schacht...
…und bleibe nach dem ersten Durchlauf zuerst etwas verwirrt und ratlos zurück. Weg sind Naivität, krumme Textzeilen und so manch naiv gezocktes Anfängerriff. An deren Stelle sind nun
ausgefeiltes Songwriting, technisches Können und ein noch viel besserer Sänger getreten. Im Gegensatz zum Vorgänger präsentiert sich
"Midnight Wanderer" wesentlich weniger eingängig, verspielter, ja sogar manchmal richtig progressiv und stellenweise sogar mit einem kauzig-schrägen Grundcharakter (
"Stellar Gardener",
"The Day Of The Witch"). Aber schon beim ersten Durchlauf setzen sich manche Songs doch ohrwurmartig fest. Allen voran das überragende, von der Split-EP mit
Attic bekannte
"Ghost Of Dublin". Gerade hier zeigen Sänger Stefano und das Gitarristenduo Marky und Alexx ihr ganzes Können. Pure Magic! Beim zweiten Durchlauf folgt das Titelstück und kurz darauf wachsen mir auch
"To The Brothers Of Heliopolis" und der Opener
"Immortals" ans Herz. Und nach der nächsten Runde läuft mir sogar das überlange, in vier Akte unterteilte
"Stories From An Astral Journey" gut rein.
"Midnight Wanderer" fordert. Braucht Geduld. Und Liebe zu Bands wie
early Fates Warning, very early Judas Priest und Hades - denn die standen offensichtlich Pate bei den meisten Songs. Und natürlich erinnern viele der Doppelgitarrenharmonien immer auch an die Band, die sie mehr als jede andere zu ihrer Trademark gemacht hat:
Iron Maiden. Aber trotz aller Inspirationen -
Walpurgis Night spielen hörbar, was aus ihrem Bauch kommt und haben mittlerweile das Rüstzeug dazu, ihre Visionen 1:1 musikalisch umzusetzen. Respekt!
Den einfachen, bequemen Weg, nämlich das Erfolgsrezept des ersten Albums zu wiederholen, haben die Italiener nicht genommen. Ganz im Gegenteil. Sie haben sich irgendwie neu erfunden und ihre Musik auf eine neue Stufe gehoben. Ob ihnen dorthin alle folgen werden, ist fraglich, denn nicht alle haben in diesen Tagen ständiger Überfütterung mit neuen Scheiben, die Geduld, sich eine Scheibe wie
"Midnight Wanderer" zu erschließen. Allen, die es versuchen möchten, sei gesagt, es lohnt sich.
Progressiver, mit kauziger Note aber immer old school und mit einem sicheren Händchen für hintergründige Melodien – das sind
Walpurgis Night anno 2012.