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8.5
Wenn eine Band 17 Jahre nach ihrem letzten Album ein Comeback versucht, geht das meist vollkommen in die Hose. Zu viele, zumeist immer schon in der zweiten Reihe herumdümpelnde "Helden" aus den 80ern und 90ern mussten sich bei ihrer Rückkehr im 21. Jahrhundert der bitteren Erkenntnis stellen, dass ihre Musik einfach nicht mehr ansatzweise zeitgemäß war und man außer auf Über-30-Feten für Metal-Fans wirklich nirgendwo Relevantes leisten konnte, schon gar nicht mit lauen Aufgüssen halbwichtiger Beinahe-Hit-Alben aus der metallischen Frühzeit. Besonders peinlich fallen solche Reunions dann aus, wenn plötzlich kompositorische Defizite und instrumentaltechnische Inkompetenz beinhart ans Tageslicht treten, weil nach 20 Jahren Bühnenabstinenz außer Bierbauch und schief sitzender Vokuhila-Perücke nichts mehr die musikalische Belanglosigkeit ehemaliger Sunset Strip-Helden kaschieren kann und selbst die Groupies schon jenseits der 40 firmieren.
Ganz anders hier der Fall Atheist. Erstens war die Band sowieso immer schon hässlich, zweitens war man von Beinahe-Hits verkaufstechnisch Millionen Lichtjahre entfernt – und konnte somit beim "Comeback" gar nichts verlieren - und drittens glänzte die Band auf ihren drei Meisterwerken "Piece of Time" (1988), "Unquestionable Presence" (1991) und "Elements" (1993) mit einer derart unvergleichlichen und technisch atemberaubenden Mischung aus Thrash, Death Metal und Jazz, dass so mancher Nachwuchsthrashgitarrero alleine beim Versuch, sich ein Atheist-Intro rauszuhören, aufgrund multipler Gehörgangverstauchung aufgeben musste. Dass nach dem 1993er-Album "Elements" schließlich Schluss war, darf nicht weiter verwundern, denn trotz durchwegs enthusiastischer Reviews und großem Respekt, der der Band, die Anfang der 90er das Genre des Techno-Death Metal wenn schon nicht allein, dann doch zumindest mit-begründet hatte, entgegengebracht wurde, war die Musik nicht im Ansatz massentauglich und musste, auch aufgrund einiger Schicksalsschläge – Basser Roger Patterson verstarb bei einem Autounfall – schließlich die Segel streichen. Umso erfreulicher, dass es Sänger Kelly Shaefer vor einigen Jahren doch noch geschafft hatte, die Band neu aufzubauen und auf diversen Underground-Festivals frenetisch abgefeiert wurde. Knapp 17 Jahre nach "Elements" gibt es nun mit "Jupiter" endlich das von vielen geschmackssicheren old-school-Thrashern heiß herbeigesehnte Comeback-Album, das mit dem Song "Second to sun" furios loslegt. Obwohl beinahe die gesamte Mannschaft bis auf Sänger Shaefer und Drummer Steve Flynn neu ist, blieb die Band ihrem Stil absolut treu. Weniger das Debut "Piece of Time" als vielmehr "Unquestionable Presence" und das jazzbeeinflusste "Elements" setzen sich in "Jupiter" logisch fort. Da wird mit verqueren Rhythmen jongliert, alle paar Takte um 360 ° gedreht, Bass und Gitarren liefern sich einen Wettlauf um die noch schrägere nächsten Disharmonie und Kelly Shaefer keift und schimpft in seiner unnachahmlichen Art, als wären die letzten 17 Jahre nie geschehen. Fürwahr kein leichter Stoff, denn das Attribut "Eingängigkeit" existiert bei Atheist nicht mal im Refrain. Bei all der Kopflastigkeit, die man der Musik Atheists attestieren muss, kommt aber auch das Bauchgefühl nicht zu kurz, denn Shaefer und seine Truppe schaffen es immer wieder, kurze geradlinige Parts einzustreuen, die in all dem vermeintlichen Chaos, das tatsächlich natürlich minutiös und exaktest ausgeführt wird, für die bitter nötigen Hooks zu sorgen, um das undurchdringliche Webwerk des Atheist'schen Sounds headbangerkompatibel nach vorne zu treiben. Zudem ist "Jupiter", dieses ungemein sperrige Stück Edelmetall, auch ungewöhnlich hart ausgefallen, da wird zeitweise in Höchstgeschwindigkeit absolut kontrolliert losgeholzt und die Gitarren braten und sägen sich permanent mit Gain und Distortion auf Stufe 11 durch die Gehörgänge. Und genau an dieser Stelle müssen sich Shaefer, Flynn, Chris Baker und Jonathan Thompson doch ein wenig Kritik gefallen lassen. Denn wo auf "Unquestionable Presence" und "Elements" trotz der brutalen Härte immer genug Dynamik und ruhigere Passagen zu finden waren, rollt "Jupiter" wie ein manischer T-Rex auf Crystalmeth über den Hörer hinweg und stampft mit seiner musikalischen Komplexität und der konstanten Vollgas-Vollbedienung auch den abgebrühtesten Alt-Deather zu blutigem Klump. Dass Atheist bei solch überladen-komplexer Musik, dem tonalen Äquivalent der Beweisführung der Existenz von Pi auf Crack, zudem auf eine Produktion setzen, die dem aktuellen Trend nach lauter, härter, brutaler folgend jegliche Dynamik in einem glattgebügelten Inferno aus Lautstärkemaximierung und Schalldruck verschlingt, hilft in diesem Fall auch nur wenig. (Zur Ehrenrettung Atheists sei gesagt, dass solch digitalstudiotechnischen Volumeoverkillsuizid bis auf Porcupine Tree heutzutage jeder im hart rockenden Biz begeht, in all seiner musikzerstörenden Kraft am besten nachzufühlen wohl auf Metallicas Death Magnetic oder Californication von den Chili Peppers, beide vom Godfather der Übersteuerugsverzerrung Rick Rubin verbrochen.) Weil man auf dieses Comeback so lange warten musste und am Ende nicht enttäuscht wurde, ist "Jupiter" dem Professor 8,5 von 10 verfügbaren Stückerln Zeit wert. Und wäre da nicht die gewöhnungsbedürftige Produktion – wo früher bei Atheist charmant gerumpelt wurde, bügelt jetzt der Hochglanzschleifer alles glatt – so hätte man sogar noch ein paar Stückerln mehr Zeit für diese grandiose Scheibe locker gemacht. Trackliste
Mehr von Atheist
Reviews
18.07.2006: Piece Of Time (Classic)News
14.06.2011: Verkünden Wechsel an der Sechssaitigen03.12.2010: Kleine Eurotour im April 08.10.2010: Erster neuer Song und "Jupiter" Artwork! 02.09.2010: "Jupiter" Tracklist und Artwork. 30.05.2010: Das Comeback auf Konserve 03.09.2009: Live-CD komplett im Stream 01.07.2009: Erster Songs plus Videos von Wacken. 25.06.2009: Live Album der Kultband. 07.03.2009: Neuer Deal, neues Album, neues Projekt. 17.07.2008: Neues Album? 22.06.2005: Re-release genialer Musik! 29.01.2004: Rand Burkey arbeitet an einem neuen Projekt |
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