Wer mit dem Namen
Vast wenig bis gar nichts anfangen kann, braucht sich nicht groß zu wundern: mit traditionell-erdigem Hardrock oder Heavy Metal kam die Combo um Gründer/Sänger/Multiinstrumentalist Jon Crosby nie groß in Berührung, viel mehr handelt es sich um eine Mixtur aus Ethno- und Independent Pop Rock, die seit der Gründung 1992 bis heute prunkvoll zelebriert wird. Chefdenker Crosby, der offensichtlich keine stilistischen Berührungsängste vor fremden Baustellen hat und solch
Vorlieben wie Klassik, Eighties Dark Wave, Industrial und Sixties Bluesrock auf ganz edle Weise fusioniert, landete mit dem Debüt
"Visuell Audio Sensory Theater" und dem hier gehuldigten Zweitwerk
"Music For People" künstlerisch zwei glatte Volltreffer, welche vor allem in seiner Heimat USA beachtliche Erfolge verbuchten, im alten Kontinent hingegen nur Insidern Begriffe sind. Interessanter Aspekt am Rande: wegen der rückläufigen Industrial-Influences Marke
Nin wurde
"Music For People" zunächst weniger euphorisch begrüßt als der vieler Orts abgefeierte '98 Einstand
"V.A.S.T.". Dennoch wage ich zu behaupten, dass das Songmaterial von
"MFP" trotz der kommerziellen Vibes ebenso genial ist.
Welch gereifte Songwriter Qualitäten, welch feines Gespür für Hits und Gänsehautmomente das tight eingespielte Quartett dazumal in petto hatte, fällt für meine Begriffe in die Rubrik Champions League. So wird dem Audiogenußspecht schnell klar, dass Jon nebst seiner breitgefächerten Musikalität eine Persönlichkeit mit Hang zu tiefgründig-andächtiger Lebenseinstellung ist, die im Weiteren für Native-Elemente ein Faible übrig hat. Zumeist hintergründig gehaltene, Tribalartige Vocal-Sequenzen und Panflöten sind mehr als Indizien dafür. Wem beim bereits genannten Vokabular
Ethno Rock spätestens jetzt die Haare zu Berge zu stehen, sollte dann wieder langsam zur DS Startseite zurück klicken. Eigenschaften wie Schönheit, Liebe, Sehnsucht, Leidenschaft und Demut spiegelt dieses 2000er Meisterwerk von der ersten bis zur letzten Minute ein ums anderemal, wobei speziell solch wundervoll-balladesk anmutende Phonknospen wie die von Violinen und Sakralchören vervollkommneten
"I Don't Have Anything" und
"A Better Place" jene Emotionen bis in die letzte Pore hervor kitzeln - und da sind wir wieder beim Terminus
„Gänsehaut-Feeling“ daheim.
Wollen wir aber chronologisch bei Track 1 beginnen … Wie es sich für einen Opener gehört, zeigt sich
"The Last One Alive" treibend und flott, lockt den Hörer samt seiner sphärischen Kulisse sodann in die melancholisch/verträumten Welten von
Vast und bildet mit der nachfolgenden rockigen Single
"Free" einen dynamischen Auftakt. Das angesprochene
"I Don't Have Anything" ist ein klarer Fall die für Kitsch-freie Schmusezone, ehe das Power-Shuffle
"The Gates Of Rock'n'Roll" und das mit reichlich Drive versehene
"What Else Do I Need" modernsten Rock der Extraklasse zu Tage befördern. Einflüsse von den 80er Grufti-Helden
The Cure sind beim brillant arrangierten
"Blue" zu bespitzeln, während die legendären
The Doors im dramatischen und gleichzeitig swingenden
"A Better Place" noch signifikanter bei Crosby und Co. abfärbten. Aber Vorsicht, von Abkupferei ist hier nicht die Rede: Ehrfurcht und Inspiration treffen weit mehr den Nagel am Kopf. Na gut, hier reiht sich ohnehin Hit an Hit, wie der
"Song Without A Name" samt seinen wunderschönen Orchsterarrangements jegliche Diskussion überflüssig macht und
"We Will Meet Again", Romantiksong No. 4 auf
"Music For People" nachdrücklich beweist. Neben den erwähnten Vätern früherer Musikgenerationen müssen zu Guter Letzt noch
Depeche Mode genannt werden, die besonders bei
"My TV And You" Spuren hinterließen. So oder so: es ist nahezu unmöglich, dieses Kunstwerk in seiner Vielfalt einem einzigen Genre zuzuordnen; umso erstaunlicher, wie kompakt und homogen
"MFP" eigentlich ist!
Vast - eine fantastische Kapelle mit noch fantastischeren Songs, zumindest in der frühen Ära. Das inzwischen zum
One-man-act geschrumpfte Unternehmen des nachdenklichen Mister Crosby dürfte zwar dem Gros der Metallerschaft ziemlich am Arsch vorbei gehen, die jenigen Hörerschichten aber, die zwischendurch Genre-übergreifende und sentimentale Klänge an ihre zubetonierten Lauschlappen lassen, sollten - falls noch eine Unbekannte - zwei sauber durchgeputzte Ohren bereit stellen.
"Music For People" - ohrale Verzauberung hat selten besser geklungen!