Von Zeit zu Zeit befindet es der Professor als angebracht, der hoffentlich
aufgeschlossenen Leserschaft die Augen weiter zu öffnen und sie auf Pfade zu führen, die in der Mainstream-Metal-Berichterstattung ganz einfach nie beschritten werden. Umso wichtiger ist dies natürlich im Falle
außergewöhnlicher einheimischer Künstler, denn es wird ja immer wieder beklagt, dass aus Österreich in den letzten Jahren kaum Künstler von internationalem Rang kamen und dass österreichischen Musikern immer nur provinzieller Mief anhängt.
Glücklicherweise kommen aus den Randbereichen der Rockmusik immer wieder Bands wie die
Sofa Surfers, die seit Jahren internationales Ansehen genießen, in der Heimat selbst aber großteils unbemerkt werken, aber immerhin auf eine konstant wachsende Anhängerschaft zurück blicken können. Somit seien aber auch diejenigen Leser, die sich durch permanente Scheuklappen die Sicht auf größere Zusammenhänge versperren, gewarnt, dass sie an dieser Stelle erst gar nicht mehr weiterzulesen brauchen, denn Metal klingt zugegebenermaßen einfach anders.
Seit 1997 gibt es die Truppe bestehend aus Wolfgang Frisch, Markus Kienzl, Michael Holzgruber und Wolfgang Schlögl schon, doch die Band einem bestimmten Genre zuzuordnen, erweist sich als beinahe unmöglich.
Zu wenige Klischees bedienen die Wiener, höchstens jenes, eben keinem Klischee zu entsprechen. Waren die ersten Alben noch tief in der Elektronikmusik von
minimalistischem Trip Hop bis Breakbeat verwurzelt , erlangte die Band erste breitere Bekanntheit durch die Arbeit an den
Soundtracks zu Wolfgang Murnbergers Wolf Haas-Verfilmungen "Komm süßer Tod", "Silentium" und "Der Knochenmann" und bewies so ihre
unglaubliche musikalische Bandbreite. Spätestens das selbstbetitelte 2005er Album stellte schließlich einen massiven Einschnitt dar. Denn mit der
Hinzunahme des schwarzen Sängers Emmanuel Obeya schien so etwas wie Stabilität einzukehren, und wo zuvor für beinahe jeden Song Gastvokalisten benötigt wurden, konnte man sich nun voll auf Obeya und dessen
charismatische Stimme anhängen. Plötzlich begannen die Surfers zu rocken, die Elektronikelemente rückten in den Hintergrund und stattdessen stand man nun einer organischen, lebendigen Band gegenüber, die ihren
ureigenen Sound kreiert hatte.
Und gerade dieser Weg wird auf dem neuesten Output
"Blindside", veröffentlicht über das bandeigene Monoscope Label, konsequent weitergegangen und perfektioniert. Die
Sofa Surfers stehen im Jahre 2010 für durchaus Metal-kompatible Sounds, denn die Truppe
kombiniert ihre Elektronik-Wurzeln mit Rock-Soul-Gesang und dreht diesen Crossover-Sound dann durch den messerscharfen
Post-Metal-Distortion-Faschierer. Die Basis des Surfers-Sounds stellen die
monoton groovenden Drums von Michael Holzgruber und die
schier unendlich dahinhämmernden Basslinien von Markus Kienzl dar. Darüber legt Gitarrist Wolfgang Frisch dann seine
Noise-Gitarren und Wolfgang Schlögl elektronische Sounds aus den entferntesten Sphären des bekannten und unbekannten Universums. Diesen
atmosphärisch dichten Teppich aus
düsterstem Noise-Rock und schwer monoton groovendem Rhythmus betritt dann Sänger Obeya, der mit seinem einfühlsamen Gesang den nötigen melodiösen Ausgleich schafft. Wie kaum eine andere Band derzeit schaffen es die Surfers, durch
Reduktion und Minimalismus ein Maximum an Atmosphäre zu erzeugen, reduzieren den Rock auf seine grundlegenden Elemente und kreieren eine fast bösartige musikalische Erfahrung, die besonders im Live-Konzert im Zusammenspiel mit Timo Novotnys Visuals
an Intensität kaum zu überbieten ist. In dieser Schnittmenge aus
Neurosis,
Massive Attack und
Audioslave dürfen sich aufgeschlossene Metal-Fans genau so heimisch fühlen wie TripHop-Anhänger, die sich vor verzerrten Gitarren nicht gleich die Hose vollmachen.
Als Anspieltipps empfehlen sich der fiese Opener
"Playing the Game" , das ungewöhnlich schnelle und krachige
"Heavy Water" und das durch FM4-Airplay schon sattsam bekannte
" 100 Days". Doch auch ruhige, beinahe balladeske Songs wie
"Sinus" oder
"Deserter" strahlen bei den Sofa Surfers eine dermaßen hypnotische Bedrohlichkeit aus, dass einem
statt Kuschelgefühlen eher angst und bange wird. Und sogar das eigentlich am ehesten als HipHop zu kategorisierende
"Hardwire" darf sich gegen Ende hin in einem
apokalyptischen Inferno aus Groove und Noise entladen.
Der Professor fühlte sich selten von Crossover so
großartig bewegt, dass es für die
Sofa Surfers zur Belohnung dieser Leistung nicht mehr und nicht weniger als
10 von 10 verfügbaren Doppelpolsterkissen gibt, auf denen sich jedes auch noch so knarzige Sitzmöbel
weltmeisterlich bereiten lässt.
Playing the Game vom Blindside-Album
Live-Performance des "Knochenmann"-Soundtracks