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Europe, Gotthard
21.11.2009, Olympiahalle, München 
 
1 + 1 ist nicht immer 2. Wenn Schwedens Hardrock-Götter Europe zusammen mit den Schweizer Gipfelstürmern von Gotthard auf Tour gehen, übertrifft das Ergebnis tatsächlich die Resultate ansonsten simpler Arithmetik. Darkscene berichtet...
Maggo
Maggo
(23 Live-Berichte)
Es gibt sie in der Tat, diese Tage im Leben eines Musikliebhabers, an denen ob der Grandiosität der Meldungen auf den musikalischen Newstickern schlicht und einfach Weihnachten, Ostern, Geburtstage und weitere persönliche Ehrentage zusammen zu fallen scheinen. Ich spreche hier von einem Nachmittag im vergangenen Mai, an dem bekannt gegeben wurde, dass sich die zwei unbestritten besten Hardrock-Bands unseres Kontinents – nämlich die schwedischen Giganten von Europe und unsere Platin-behangenen Schweizer Nachbarn von Gotthard - für eine gemeinsame Tour durch deutsche Hallen zusammen tun würden.

Die schier endlosen Monate der Wartezeit auf diesen hochkarätigen Event verkürzten uns beide Bands mit jeweils neuen Studio-Releases. Gotthard machten dabei Anfang September mit dem guten, aber keineswegs überragenden "Need To Believe"-Output (zum Review…) den Anfang. Europe legten zwei Wochen später mit dem Killer-Album "Last Look At Eden" (zum Review…) eindrucksvoll nach. Und so traten beide Combos mit brandneuen Nummer 1-Alben in ihren jeweiligen Heimatländern und massenweise Hits im Gepäck vor zwei Wochen ihre Deutschland-Tournee an und machten dabei am Samstag, dem 21.11., in der Münchner Olympiahalle Station.



Was im Vorfeld als Co-Headliner-Tour der beiden Bands – was im Normalfall heißen sollte: ähnliche Spieldauer der Bands, keinerlei Einschränkungen bezüglich Ton und Licht - angedacht war und auch dementsprechend beworben wurde, entpuppte sich für EUROPE unglücklicherweise schnell als Wunschdenken. Aus welchen Gründen auch immer mussten sich die Superstars rund um Sänger Joey Tempest mit kleinerer Bühne, gekürzter Spielzeit (70 Minuten), sichtbar abgespeckter Light-Show und klar hörbaren Einschränkungen bezüglich der PA begnügen, was die ansonsten bekannt pflegeleichten schwedischen Gentlemen im umfangreichen, nachmittäglichen (in Kürze an dieser Stelle erscheinenden) Darkscene-Interview - auf dieses Thema angesprochen - trotz all der gebotenen Diplomatie doch merklich irritierte. Solche Mätzchen sollten Gotthard eigentlich nicht notwendig haben, sind die Schweizer doch ebenfalls als erstklassiger Live-Act bekannt und sollten trotz eines Kalibers von Europe-Format im Vorprogramm (leider muss man es so ausdrücken) auch ohne Fouls in der Lage sein zu begeistern.



Sei es wie es sei – die Herren Joey Tempest, John Norum, John Leven, Mic Michaeli und Ian Haugland sind Profis genug, um sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und eröffnen mit "Last Look At Eden" und "Gonna Get Ready" vom neuen Album trotz zu leisem und eher matschigem Gitarrensound gewohnt souverän ihren Set, wobei sofort positiv auffällt, dass sich das Songmaterial von "Last Look At Eden" genial in den restlichen Live-Set der Schweden einfügt. Sowohl der epische Title-Track als auch das monumentale "No Stone Unturned" haben absolut das Zeug dazu, in kürzester Zeit zu absoluten Band-Klassikern heranzureifen. "Sign Of The Times", "Let The Good Times Rock", das immer wieder überragende "Superstitious", das unsterbliche "Rock The Night" und die obligatorische Akustik-Version von "Carrie" bilden den Block der 80er-Hadern. Die Band zeigt sich perfekt wie immer, lässt überhaupt nichts anbrennen. Joey Tempest, der bei den Ansagen mächtig heiser klingt, bringt den Set trotzdem stimmlich ohne größere Pannen über die Runden und wirkt mit seiner überschwänglichen Mikroständer-Akrobatik agil wie eh und je. Meine Hochachtung Mr. Tempest - andere sogenannte Stars hätten in dieser Situation sicher schon das Schild "Gig wegen gesundheitlichen Problemen gecancelt" an die Hallentür genagelt. Nach ca. einer Stunde gibt’s noch eine 2 Song-Zugabe bestehend aus "The Beast" und dem Europe-Jahrhundert-Hit "The Final Countdown" und damit endet ein wiederum tadelloser Europe-Gig – wie oben bereits erwähnt – leider schon nach 70 Minuten Spielzeit. Einfach immer wieder beeindruckend, diese Band!!!

Setlist Europe:

1. Last Look At Eden
2. Gonna Get Ready
3. Superstitious
4. Love Is Not The Enemy
5. Sign Of The Times
6. No Stone Unturned
7. Carrie
8. New Love In Town
9. Let The Good Times Rock
10. Seventh Sign
11. Start From The Dark
12. Rock The Night

13. The Beast
14. The Final Countdown



Nach der obligatorischen Umbauphase legten Gotthard, angeführt vom wie immer in stimmlicher Top-Form agierenden Steve Lee, schwungvoll mit einem Gute-Laune-Triple bestehend aus "Unspoken Words", "Gone Too Far" und "Top Of The World" los und zeigten einmal mehr, dass die Schweizer inzwischen auch international ganz oben mitspielen können. Das geniale Bühnenbild passte sich dabei dem Top-Level der Akteure auf der Bühne nahtlos an.

Ein Highlight des Abends war definitiv die sogenannte „Acoustic Juke Box“. Dabei setzten sich Steve Lee und Gitarrist Leo Leoni auf zwei Barhocker am Ende einer Rampe, die weit in den Publikumsinnenraum ragte und spielten sozusagen akustisch „Balladen-Wurlitzer“, indem Songwünsche der Zuseher entgegen genommen und dann auch erfüllt wurden.

Mit einer mehr als unerwarteten, aber nicht minder spektakulären Einlage eines ca. 20-köpfigen Dudelsack-Ensembles in traditionell schottischen Outfits während "Unconditional Faith" sorgten Gotthard ein weiteres Mal für offene Münder im Auditorium. Ganz großes Kino, meine Herren.



Auch die inzwischen nicht mehr ganz so neue „Schlagzeug-Battle“, während der Sänger Lee auf einem eigenen Drum-Set, das auf einem Podest vor dem Mischpult inmitten des Publikums aufgestellt wurde, seinen eigenen Drummer Hena Habegger beim „Fellverdreschen“ herausfordert, war sehr unterhaltsam und wurde vom Publikum wohlwollend mit tosendem Applaus bedacht, obwohl ich persönlich zwei oder drei weitere Songs statt dieser Solo-Geschichte bevorzugt hätte.

Die Songauswahl des Abends stellt jedoch ohne Zweifel den schwerwiegendsten Kritikpunkt der heutigen Performance ab. Dadurch dass ca. ein Drittel der dargebotenen Songs eher schwachbrüstiges Liedgut vom neuen "Need To Believe" Album sind, müssen logischerweise unzählige großartige Momente der Gotthard-Discographie außen vor bleiben. Dementsprechend kochte die Stimmung in der Olympiahalle erst relativ spät zum ersten Mal über, als "Lift U Up" - die Party-Hymne von Gotthard schlechthin – den regulären Set beschloss. Der Zugabenblock bestehend aus "Sister Moon", "Anytime Anywhere" und dem anschließenden Rausschmeißer "Mighty Quinn" zeigte wieder einmal eindrucksvoll, welche Hitdichte diese Band in der Hinterhand hätte, wenn sie sie denn bloß auch einsetzen würde. Nach gut zwei Stunden Spielzeit war an diesem Abend also Schluss und nach einem kurzen Bad der Schweizer im Jubel der gut gefüllten Halle gingen die Lichter wieder an.

Setlist Gotthard:

1. Unspoken Words
2. Gone Too Far
3. Top Of The World
4. Need To Believe
5. Hush
6. I Know You Know
7. Right From Wrong
8. Unconditional Faith

„Acoustic Juke Box“
9. All I Care For
10. Lonely People
11. Heaven
12. Let It Be

13. Shangri La
14. All We Are
15. I Don’t Mind
16. The Oscar Goes To…
17. Lift U Up

18. Sister Moon
19. Anytime Anywhere
20. Mighty Quinn



Fazit: Beide Bands des Abends präsentierten sich ihrem Publikum vor großer Kulisse in gewohnt bestechender Form. Europe konnten auch trotz des „derben Fouls“ des „Headliners“ ihre Qualitäten als Top-Liveband bestätigen. Gotthard waren ebenfalls wieder eine Klasse für sich. Eigentliche Gewinner dieses Abends waren definitiv die zahlreichen Besucher dieses Events, die trotz der Eintrittspreise rund um die 50 Euro, mehr als ausreichend „value for money“ bekommen haben und zufrieden die Heimreise antreten konnten.

Anmerkung: Zahlreiche Gespräche mit anderen Konzertbesuchern beinhalteten zum größten Teil diverse Klagen über die Soundqualität (auch bei Gotthard). In der Tat schien der Sound an verschiedenen Standorten innerhalb der Halle in ungewohntem Ausmaß zu variieren, speziell Besucher auf den Sitzplatztribünen schienen diesbezüglich keine guten Karten gehabt zu haben. Auch diesen Punkt sollten sich Gotthard zu Herzen nehmen, wenn sie denn nun schon so konsequent auf die Rolle der „großen Macker“ dieser Tour bestanden haben. Wenn man als Band diese Rolle für sich reklamiert, sollte auch für das ausreichend technische Equipment für Venues dieser Größe gesorgt sein.
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