Viel zu lange ist es her, dass ich meine Freunde von
Mayfair das letzte Mal getroffen habe und umso größer ist die Freude, sie nun in heimischen Gefilden, im Vorprogramm der großartigen
Subsignal, live erleben zu dürfen. In der Zwischenzeit hat sich bei den Vorarlbergern einiges getan. Man hat sich letztes Jahr von Bassist Johannes Leierer getrennt und erfindet sich derzeit zum wiederholten Male neu. Die Begrüßung vor dem Frankfurter Nachtleben, einem kleinen Club direkt an der Zeil, fällt so herzlich wie eh und je aus. Eilig wird das Equipment aus Renes Kleinbus in den Konzertraum im Untergeschoss verbracht und die vier Jungs vom österreichischen Ländle machen große Augen ob des gnadenlosen Rummels in der Großstadt. Es ist aber auch Wahnsinn, was in Frankfurt selbst an einem Sonntagnachmittag los ist. Doch Mario, Jolly und Rene sind so entspannt wie man sie kennt und der neue Mann Medi Mayer hat ebenfalls die Ruhe weg. Selbst der Soundcheck, bei dem Mario die lokalen Soundtechniker mit seinem Perfektionismus gerne mal zur Verzweiflung treibt, gestaltet sich extrem relaxt, so dass man pünktlich um halb neun mit einem Bombensound auf der kleinen aber feinen Bühne des Nachtleben steht.
Was dann folgt, erstaunt selbst mich als Fan und (Brief-)Freund der ersten Stunde. Nicht nur, dass diese Verrückten erst einmal fünf neue Stücke hintereinander zum Besten geben, bevor mit ‚Madame Pest‘ der einzige Oldie des Abends gebracht wird, sie präsentieren sich auch noch völlig ungewohnt und fast verstörend. Insbesondere Mario, der in einen schwarzen Hoodie gehüllt ist, vermeidet am Anfang jeden (Blick-)Kontakt zum Publikum und scheint völlig entrückt, bevor er im weiteren Verlauf des Auftritts immer mehr aus sich herausgeht und mit opulenter Mimik und Gestik das Publikum in seinen Bann zieht. Rene tummelt sich wie gehabt, mit meist geschlossenen Augen, hinten in der Bühnenecke. Doch er hat sein Spiel stark verändert: Anstatt seine Saiten zärtlich zu streicheln, ist sein Anschlag sehr hart und fordernd. Dazu passend wirken die ersten drei neuen Songs zunächst ziemlich sperrig und selbst für
Mayfair-Verhältnisse ungewöhnlich uneingängig.
Das eröffnende ‚Ungetaktet‘ kennt man ja zumindest auszugsweise aus dem Trailer und es macht seinem Titel genauso Ehre, genau wie die folgenden ‚Evil Christine‘ und ‚Teufel‘, die in der Tat teuflisch vertrackt und fast schon jazzig daher kommen. Da macht es mir ‚Atme‘ schon weitaus einfacher, atmet (Pun intended!) es doch den gleichen Spirit wie
Mayfair-Großtaten aus
"Die Flucht"-Tagen. Ich liebe diese Nummer jetzt schon, genau wie ‚Hinter dem Leben‘, das mit seiner Hookline direkt ins Ohr geht und zum Radiohit prädestiniert zu sein scheint. Aber wir erinnern uns schmerzhaft, dass selbst Smashhits wie
"Schlage, mein Herz…schlage" und
"Drei Jahre zurück", die diese äußerst intensive Show standesgemäß beenden, der Band den verdienten Erfolg leider nicht gebracht haben. Aber wer weiß, vielleicht gelingt es es ja diesmal mit ‚Gestern und nicht heut‘ oder ‚Annelies‘, welche das heutige Set vervollständigen. Insbesondere die letztgenannte Ode an ein muskelbepacktes Mannsweib hat mit seiner Schmäh verdammt noch eins Hitpotenzial. Und wie hat sich der neue Basser geschlagen? Ganz ehrlich, ich habe meinen Freund Hannes schmerzlich vermisst, aber Medi scheint sowohl menschlich als auch musikalisch perfekt zu
Mayfair zu passen. Er hat vorher bereits mit Jolly musiziert und die beiden harmonieren wirklich gut. Tja und Jolly…wie immer ein Sonnenschein, der das dunkle Separee des Nachtleben zum Erstrahlen bringt. Man merkt, objektive Berichterstattung ist an dieser Stelle nicht zu erwarten.
Mayfair ist für mich nach wie vor eine der innovativsten und sympathischsten Bands überhaupt. Mit dem neuen Material beschreiten die Alpenländer abermals völlig neue Wege und man darf gespannt sein, wo diese hinführen werden.
Es gibt nach dem
Mayfair-Gig viel zu erzählen, so dass ich mich etwas verquatsche und leicht verspätet im Souterrain zu
Subsignal erscheine. Ich staune nicht schlecht über das Fehlen von Ralf Schwager, der heute verhindert zu sein scheint, und durch einen niederländischen Landmann von Sänger Arno Menses vertreten wird. Der Mann ist sehr bewegungsfreudig und hat offensichtlich richtig Spaß an der Sache. Kein Wunder, hat er am heutigen Abend doch die Gelegenheit mit vier der wohl besten europäischen (Prog)Rock-Musiker zusammen auf der Bühne zu stehen. Dirk Brand (Axxis) zeigt nicht nur bei seinem Schlagzeugsolo, dass er ein wahrer Könner ist und Markus Maichel (Dante) knüpft nicht nur eng gewebte Keyboard-Teppiche, sondern unterstützt mit seinen Backing Vocals auch noch maßgeblich die gigantischen Gesangsharmonien, die den Sound von
Subsignal ausmachen. Diese wiederum intoniert Arno einmal mehr in Perfektion, dazu brilliert er abermals als Symphatikus erster Güte, der mit seinen witzigen Ansagen souverän durch den Abend führt. Schade, dass er dabei nur noch Englisch spricht, denn wie so viele Niederländer beherrscht er auch die deutsche Sprache sehr gut. Aber
"dafür kann er doch nix", wie Dirk an einer Stelle witzelnd einwirft und damit die Lacher auf seiner Seite hat. Nach der jüngsten 0:3-Schlappe der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Holland haben aber eher die beiden
"Käsköppe" gut lachen über uns „Kartoffeln“. Egal, denn der Kapitän (um beim Bild zu bleiben) von
Subsignal ist kein Geringerer als Markus Steffen, der mit seinem einzigartigen Gitarrenspiel mal wieder für staunende Blicke und offene Münder sorgt. Der Professor (eigentlich ja nur Doktor, aber dieser Titel wird ihm einfach nicht ganz gerecht) gibt sich gewohnt sachlich und lässt sein Instrument für ihn sprechen. Ich liebe seinen Gitarrensound, der für mich genauso unverwechselbar ist wie der eines Brian May (
Queen, ach näh?!) oder Jim Matheos (
Fates Warning, kennt leider nicht jeder!) und den er seit seligen
Sieges Even-Zeiten kontinuierlich weiterentwickelt hat. Neben Metal, Rock und Klassik hat er Maestro mittlerweile auch Jazz und selbst Reggae in seinem Repertoire.
Bevor ich aus dem Schwärmen gar nicht mehr rauskomme, muss ich den im zweiten Teil des Sets leicht übersteuerten Sound bemängeln, der weiter hinten jedoch wesentlich besser klingt als vorne vor der Bühne. Außerdem stehen die Musiker zu Beginn des leider zu kurzen Zugabenteils zunächst im Dunkeln. Hatte der Lichttechniker etwa schon Feierabend gemacht? Dieses Manko wird jedoch durch stylische La Muerta-Luftballons wettgemacht, die während des Titeltracks des neuen Albums in die Menge geworfen werden. Überhaupt fügt sich das aktuelle Material nahtlos ins Liveset von
Subsignal ein, besonders mein Favorit ‚The Passage‘, der Gott sei Dank gebracht wird. Auch sonst passt die Songauswahl am heutigen Abend, bei der ansonsten harte „Touchstones“-, ruhige „Beacons“-, fluffige „Paraiso“- und atmosphärische „Beautiful & Monstrous“-Stücke perfekt miteinander harmonieren.
Als Fazit kann heute nur von einem perfekten Konzertabend die Rede sein, an dem sich die vielleicht beste deutsche und beste österreichische Band die Ehre gaben. Diese beiden Combos sind eigentlich so unterschiedlich und haben doch so viel gemein. Berücksichtigt man die
Sieges Even-Ursprünge von
Subsignal und die Tatsache, dass
Mayfair bereits 1989 gegründet wurde, haben wir es hier zweifelsohne mit zwei Prog-Urgesteinen zu tun, die sich stetig weiterentwickeln. Ein Ende dieser Reise ist glücklicherweise nicht in Sicht, so dass auch in Zukunft weiterhin mit musikalischen Leuchtfeuern gerechnet werden darf.