Es scheint doch noch Gerechtigkeit auf dieser Welt zu geben, wenn eine Band wie Haken den verdienten Lohn für ihre harte Arbeit und ihre künstlerische Qualität in Form von ausverkauften Konzertsälen erhält. Schon ihr letzt jähriger Auftritt im Aschaffenburger Colos-Saal war sehr gut besucht und das ca. 350 Gäste fassende Kesselhaus des neuen Schlachthofs zu Wiesbaden ist heute sogar ausverkauft.
Mit
Next To One hat man sich eine blutjunge Nachwuchscombo ins Vorprogramm geholt, der durch ihren Drummer Max Portnoy ein gewisser Promibonus vorauseilt. Klein Max hält auch, was Papa Mike (u.a. Ex-
Dream Theater,
Transatlantic) verspricht und liefert eine beeindruckende Leistung an der Schießbude ab. Er ist bereits in seinem zarten Alter ein richtiger Showdrummer und lässt seine Lockenmähne im Takt zu seinen Doublebass-Attacken mächtig kreisen. Der Rest der Ami-Combo ist nicht minder talentiert und obschon lediglich Gitarrist Derrick im eigenen Land volljährig ist, wirkt das Quartett bereits jetzt völlig routiniert und professionell. Selbst als Sänger/Keyboarder Thomas beim Sprung von seinem Podest kurz strauchelt, bleibt er total cool und verpasst seinen nächsten Einsatz nicht mal um den Bruchteil einer Sekunde. Sein
Haken -Shirt gibt bereits zu diesem Zeitpunkt einen subtilen Hinweis darauf, dass er später beim Hauptact sogar einen kurzen Gastauftritt haben wird. Der moderne, angeproggte Stil der Jungspunde kommt beim teilweise recht jungen Publikum naturgemäß sehr gut an...
...was größtenteils auch für
The Algorithm gilt. Das kann ich persönlich jedoch leider gar nicht nachvollziehen. Ich hatte diese Farce bereits beim Euroblast-Festival vor anderthalb Jahren einmal live erlebt und wusste daher, dass mich ein Gitarrist und ein Drummer erwarten würden, die ein paar Allerweltsriffs und -Rhythmen raushauen, während der Rest in Form übler Trance- und Technotöne aus der Konserve kommt. Vielleicht bin ich nicht tolerant genug oder einfach zu alt für solcherlei Darbietungen, aber sowas geht meiner Meinung nach gar nicht! Da kann man ja gleich auf einen Rave gehen und dem DJ an seinem Laptop zujubeln. Sorry, aber da gehe ich lieber vor
Haken noch ein bisschen an die frische Luft und unterhalte mich mit ein paar Gleichgesinnten, die ebenfalls aus der Halle geflohen sind.
Ich muss ehrlich zugeben, dass ich selbst mit
Haken 's letztem Album
"Affinity" zunächst ein wenig fremdelte. Im Gegensatz zu den o.g. Franzosen sind die Briten jedoch in der Lage jeden Ton ihrer Studioalben live zu reproduzieren, ohne sich dabei ausschließlich auf die Computertechnik verlassen zu müssen. Die Jungs sind einfach großartige Musiker und vor allem können sie Songs schreiben, die den Intellekt herausfordern, ohne die Gefühlsebene zu vernachlässigen. Zudem glänzt die Truppe durch exzellente Sympathiewerte und den landestypischen britischen Humor, der als Erstes bei '1985' aufblitzt als Frontmann Ross Jennings ganz stilecht mit Neonbrille und giftgrünem Lederschlips die Bühne betritt. Im Zugabenteil werden den Herren Griffiths und Henshell sogar Masken der Hollywood Größen Nicolas Cage und Kevin Bacon übergestreift, was sie mit Nichten darin hindert, sich ein halsbrecherisches Gitarrenduell zu liefern. Oder Keyboarder Diego, der sich am liebsten eine Keytar umschnallt und die Rampensau gibt, anstatt hinter seinen Tasten zu verweilen und im Hintergrund zu agieren. Genau dort verrichten Ray Hearne und Connor Green präzise wie ein Uhrwerk ihren Dienst in der so genannten Rhythmusgruppe, die bei
Haken selbstverständlich keine ist, sondern vielmehr einen Mikrokosmos für sich darstellt. Zudem sind alle sechs Bandmitglieder hervorragende Sänger, was die typischen Chöre und Choräle immer wieder unter Beweis stellen.
Die Setlist wird zwar vom aktuellen Album dominiert, die Höhepunkte sind allerdings Klassiker wie das 'Aquarius Medley' und die Zugabe 'Visions', das als Zugabe gebracht wird. Und einen Hit wie 'Cockroach King' schreibt wohl selbst eine solch begnadete Band wie
Haken nur einmal. Der Sound ist während der gesamten Show sehr gut, für das kleine Kesselhaus aber leider etwas zu laut. Am Ende entschuldigt sich Ross, der ausnahmsweise nicht jeden hohen Ton perfekt getroffen hat, sogar noch für seine offensichtliche Erkältung. Lieber Herr Jennings, mit Ihrer heutigen Gesangsleistung wären viele ihrer gesunden Kollegen überglücklich, kein Grund zur Entschuldigung also!
Nach zwei Konzerten hintereinander bin ich froh, morgen einen Day Off zu haben und erst übermorgen wieder zu
Pain Of Salvation ran zu müssen. Für Progfans wird derzeit wirklich einiges geboten, ist es doch nicht mal eine Woche her, seitdem man sich von
Soen verzaubern lassen durfte. So darf das Jahr gerne weitergehen....