Doom-Metal erlebt ja seit einigen Jahren eine Art Renaissance. Während die Helden aus den 80ern entweder durch Schweigen (St. Vitus), Abwesenheit (Solitude Aeturnus) oder Durchschnittlichkeit (Candlemass) auffallen, hauchen unzählige Jung-Doomsters der Szene beinahe täglich neue Langsamkeit ein. Egal um welche Spielarten des Slow-Slow-Metals es sich hierbei handeln mag, es ist für jede(n) etwas Neues am Köcheln – Classic Doom, Epic Doom, Sludge Doom, 70s-Doom oder Doom-Core.
Die größte Hoffnung derzeit am Epic Doom-Horizont sind aber sicher die Amerikaner
Khemmis, die mit
"Desolation" auf Nuclear Blast schon mit ihrem dritten Werk aufwarten können. War die Band zu Zeiten des Debuts
"Absolution" noch ein absoluter Insider-Tipp, den man außerhalb der Heimatstadt Denver kaum wahrnahm, so gelang
Khemmis mit dem Zweitling
"Hunted" der Sprung ins internationale Rampenlicht und in die Best-of-Listen zahlreicher Magazine. Decibel Magazine erklärte
"Hunted" gar zum Album des Jahres und trat damit eine Art Mini-Hype um die Denver-Doom-Szene los.
Nicht nur optisch sind
Khemmis Vertreter einer oft abfällig als Hipster-Metal gebrandmarkten Welle an neuen Bands, die neben der Kultivierung langer Bärte auch für sich verbuchen können, Genregrenzen niederzureißen und Fans verschiedenster Spielarten moderner Rockmusik für sich begeistern zu können. Somit verwundert es nicht, dass
Khemmis gemeinsam mit
Myrkur und
Wolves in the Throne Room tourten, beides Bands/Projekte, die den eng gesteckten Rahmen des Black Metal durchbrechen und dadurch vom veganen Hippie bis zum kuttentragenden Traditions-True-Metal-Anhänger alle Fans harter Rockmusik ansprechen – nur eben nicht die arg faschistoiden Black Metal-Puristen, die in ihrer Verbohrtheit immer noch eine schwarz-braune Märchenwelt voll brennender norwegischer Kirchen herbeisehnen, während ringsherum schon seit Ewigkeiten der Post-Metal für kollektives, genreverweigerndes Umarmen sorgt.
Trotz aller Hipster-Affinität bieten
Khemmis jedoch erstaunlich viel Reibungsfläche für traditionsbewusste Metal-Fans. Hier treffen tonnenschwere Gitarrenwände auf Iron Maiden-artige Gitarrenläufe, das Tempo ist durchaus variabel und die Songs großartig abwechslungsreich. Dazu hat man mit Phil Pendergast einen sehr fähigen Vokalisten an Bord, der mit seinem kraftvollen Gesang auch in den düstersten Momenten für große Melodien garantiert. Was
Khemmis beinahe einzigartig macht, ist der spärliche, aber stetig wiederkehrende Einsatz von Growls, der manche Passagen schon durchaus in die Black Metal-Ecke rücken kann, nur um im nächsten Moment wieder Platz für Twin-Gitarren oder zarte Akustik-Intermezzos zu machen. Zu den sechs allesamt superben Songs, von denen der längste erst nach über 9 Minuten durchs Ziel geht, gesellt sich eine phantastische Produktion, die modern klingt, jedoch niemals klinisch überproduziert wirkt, sondern organisch und vor allem absolut transparent alle Nuancen des
Khemmis'schen Sounds transportiert.
Zu alledem gibt’s dann noch ein absolut cooles Fantasy-Cover mit dem quasi Bandmaskottchen, einem Gandalf-Lookalike, und Texten, die es durchaus lohnt zu lesen, denn hinter all den Fantasy-Elementen gibt es bei
Khemmis immer auch etwas zum Nachdenken.
Somit vergibt der Professor für
"Desolation" 9 von 10 Gandalf-Bärten und dazu noch eine halbe Zauberkutte mit Hörnern, in der Gewissheit, dass ein gutes Doom-Album niemals zu früh kommt, ebensowenig zu spät. Es trifft genau dann ein, wenn es richtig ist.