Eine der Fragen der Rockmusik muss lauten: Wieso wird
Joe Lynn Turner nur als Randerscheinung wahrgenommen? Der Mann arbeitete an mittlerweile über 60 (!) Alben mit, darunter einige bei Größen wie
Rainbow,
Deep Purple,
Brazen Abot,
Sunstorm, etc. Seine Soloalben-und Projekte, man denke an das
Hughes-Turner-Project, lieferten bisweilen auch immer höchste Qualität an das Ohr des AOR/Hard Rock-Freundes. Nun singt er bei
Rated X an der Spitze einer Band, die mit Mitgliedern von
Vanilla Fudge und
Whitesnake aufwartet und ihren Sound in der Nähe von Blue Murder sieht.
Fans, die sich noch nicht hastig die Jacke übergeworfen haben und das Gaspedal durchgetreten in Richtung Plattenladen fahren, dürften dies beruhigt tun. Besser wird der Hard Rock im Jahr 2014 nicht mehr, so viel darf man ruhig vorwegnehmen. Mit einem manisch gebrüllten "Hits! Hits! Hits!" wäre die Angelegenheit am besten beschrieben. Nicht die Art Hits, die man dieser Tage in ein Radio setzen würde, sondern die für Fans der oben genannten Truppen. Beispiele? "I Don't Cry No More", "Maybe Tonight" (Melodic-Overkill!) und "On The Way To Paradise". Man könnte wetten, diese Titel findet man etwa bei Frontiers Records an die tausend Mal...
Das Cover ist unübersehbar zu vernachlässigen, das Booklet ist nur zweckdienlich; dafür richtet es der Inhalt umso mehr. Die Produktion von
"Rated X" ist schlicht perfekt für dieses Genre. Jedes einzelne Instrument ist sehr gut zu hören, was zwar etwas zu Lasten der Gitarrenkraft geht, aber diese ist auch nicht der Mittelpunkt des Songwritings. Interessant ist neben JLTs Gesang und den songdienlichen Keyboards das interessante Schlagzeugspiel von Carmine Appice (kennt man den Namen irgendwoher?); locker, groovig, im Notfall auch liedtragend. Dazu höre man das Album-Epos "Lhasa", das man getrost als instant-Klassiker sehen darf.
Wie zu erwarten, gibt es keine Geschwindigkeitsausfälle; der Blues durchzieht alle Kompositionen und hat damit etwas von neueren Europe. Nur dass diese keine so phantastischen Refrains mehr schreiben, wie man ihn auf "You Are The Music" hören kann. So ein Lied wäre in jeder 80er-Disco eine Party ohnegleichen gewesen. Hier sticht auch das melodische Gitarrenspiel Karl Cochrans gut hervor. Gibt es noch mehr zu besprechen? Ach, die Lyrics. Es wäre verwunderlich, wenn man sich die Love&Adventure-Themen nicht selbst vorstellen könnte.
Überraschung ist selbstverständlich anders, darum geht es aber auch nicht. Gäbe es mehr Hard Rock von dieser Qualität, müssten alle selbsternannten Retro-Bands Insolvenz anmelden, denn tiefer aus den 70ern/frühen 80ern als
Rated X kann Musik kaum klingen. Ganz groß und jedem Fan, der irgendwann mal irgendetwas von Joe Lynn Turner gehört hat (was nicht wirklich schwierig ist), bedingungslos zu empfehlen.