1983 war ein entscheidendes Jahr für die NWOBHM. Während
Saxon mit
"Power And The Glory" und
Iron Maiden mit
"Piece Of Mind" umjubelte und harte Alben veröffentlichen, unterziehen
Def Leppard ihren Sound einer Generalüberholung mit Blick auf den US-Markt.
"Pyromania" wird ein sensationeller Erfolg und nimmt die Charts im Sturm, was viele NWOBHM-Bands dazu animiert, es ihnen gleichzutun. So entfernen sich viele Bands von ihrem einstigen Stil und schlagen eine deutlich kommerziellere Richtung ein. Und
Mötley Crue hinterlassen mit dem Überfliegeralbum
"Shout At The Devil" natürlich auch noch Spuren. Gott sei Dank gibt es aber auch „neue“ Bands wie das Debüt des nach seiner Trennung von
Sabbath auf Solopfaden wandelnden Ronnie James
Dio, namens
"Holy Diver" oder
Ozzy Osbournes "Bark At The Moon". Und auch in England gibt es noch Bands, die ihrem Stil treu bleiben und sich nicht von Managern und Plattenfirmen die Sterne des star-spangled banners in die Augen streuen lassen. Eine davon ist die 1976 in Mansfield gegründete Combo
Witchfynde. Das Debütalbum
"Give’Em Hell" mit Hits wie
"Leaving Nadir",
"Ready To Roll" oder dem Titelsong schlägt ein wie eine Bombe. Die Mischung aus melodischen Gesangslinien, okkulten Texten und fett bratenden Sabbath-Riffs ist für viele Fans genau das richtig Futter. Der Geißbock auf dem Cover spricht Bände und war im Jahr eins vor
Venom noch lange nicht so inflationär präsent, wie heutzutage. Es folgt eine Tour mit
Def Leppard, spektakuläre Bühnenshows und das zweite, eher schwache
Stagefright-Album. Sänger Steve Bridges wird durch den charismatischen Luther Beltz ersetzt. Ein Auftritt in der Friday Night Rock-Show mit dem Song
"Belfast" bringt dann erneut die Wende und so trifft das dritte und vielleicht beste Album dieser NWOBHM-Helden -
"Cloak And Dagger" - wieder auf eine beachtliche Fanbasis.
Das Höllenintro in Verbindung mit dem tollen okkulten Cover im besten
Black Sabbath-Style versetzt den Hörer sofort in Hochspannung und schon schallen die ersten Riffs von
"The Devil’s Playground" aus den Boxen. Der ureigenen Gitarrensound, den
Witchfynde erschaffen sowie der eigenwillige Gesang von Sänger Luther Beltz weben augenblicklich eine herrlich mystische Aura, wie sie auch Bands wie
Angelwitch damals nicht besser hingekriegt haben und die einen sofort in seinen Bann schlägt.
Melodisch und mit genau auf Effektivität getrimmtem Timing drücken die Akkorde von
"Crystal Gazing" aus den Boxen. Und wenn Luther Beltz beim Refrain in höchste Höhen jault, dann raufen sich die Haare am Arm um die Stehplätze. Genial. Aber es geht Schlag auf Schlag und mit
"I’d Rather Go Wild" wartet noch DIE Hymne (und damalige Single-Auskoppelung) schlechthin auf den Hörer. Volle Power, dieses gnadenlos nach vorne treibende Mörderriff und immer wieder der beschwörende, magische Gesang – eine wahrhaft berauschende Mischung.
Weiter geht es mit dem flotten
"Somewhere To Hide" und dem Titelstück, ein herrlich vor sich hin stampfender Banger mit hymnenhaften Refrain. Ein toller Abschluss für Seite eins der ollen Vinylscheibe. Ja, genau – damals musste man nach ca. 20 Minuten seinen Allerwertesten vom Sofa stemmen und die Platte umdrehen. Händisch!;) Als Opener der B-Seite wählte man anno dazumal stets eines der härtesten und besten Stücke. Leider steht aber gerade im Fall von
"Cloak And Dagger" als Eröffnungstrack der Rückseite das eher unspektakuläre
"Cry Wolf" am Programm, aber mit
"Start Counting" ist man schnell wieder zurück auf Schiene. Der ultramelodiöse Refrain ist ein echter Ohrwurm.
"Living For Memories" schlägt in dieselbe Kerbe und ist auch ein echter Minihit mit sehr eingängigem Chorus. Beim im Gegensatz zu den anderen Stücken fast fröhlichen
"Rock And Roll" ist der Name dann Programm und es hört sich fast etwas
Def Leppard-inspiriert an, was in dem mystischen Soundgewand einen ganz eigenen Reiz entwickelt.
"Stay Away" ist dann das Gegenstück zum Titelstück der Platte, der ja Seite eins abschließt. Ein melodischer, fast schon relaxter Stampfer, der dann in das kurze Akustik-Instrumental
"Fra Diabolo" mündet.
Wer sich im Zuge des allgemeinen 70er Okkultrock-Trends auf die Suche nach kultigen, wegweisenden Alben jener Zeit macht, der sollte auch in die Zeit Anfang der 80er schielen. "Cloak And Dagger" ist ein fantastisches Beispiel für okkulten Heavy Metal mit starken 70er Wurzeln, einprägsamen Refrains, genialem Gesang und toller Dramatik im Songwriting. Definitiv eines der unterbewerteten Juwelen aus der Hochzeit der NWOBHM.