Keiner weiß im Moment, ob und wie es bei
Nevermore nach dem Abgang von Gitarrenhexer Jeff Loomis und Drummer Van Williams weiter geht. Auch um
Shatter Messiah, die ebenso in jener Nische wohnen, ist es verdächtig ruhig geworden. Doch so lang man mit Überraschungen wie dem vorliegenden Debüt von
FireScent konfrontiert wird, sind Sorgen solcher Natur letztlich halb so schlimm.
Nein,
FireScent stammen ausnahmsweise nicht aus den USA, sondern aus dem Deutschen Siegen. Würde man es bei den Vocals (Akzent) von Frontman Christoph Weller nicht gelegentlich merken, tippte man voreilig auf eine nordamerikanische Metal Hochburg in ihren besten Zeiten. Doch bei genauerem Hinhören bieten die neun Songs nicht nur progressiv angehauchten Power Metal mit Thrash-Vibes. Kleine, versteckte Details und stimmungsvolle Passagen skandinavischer Prägung, vertrackte, aber dennoch ins Gesamtbild passende Rhythmen machen auf
"Passengers" klar und deutlich das Salz in der Suppe aus.
Der eher verhaltene Startreigen
"Ascension Theory" mag noch nicht das ganze Potential aufzeigen, aber das folgende
"Silent Solitude" mit seinen tiefschürfenden Harmonien und das groovige, leicht an
Amorphis erinnernde
"Moving Skywards" hauen dafür mächtig rein. Verwöhnte Lauschlappen bekommen dann bei der Halbballade
"Convenience Mark" Fluten an Emotionen hinein gespült und bei einem ausladenden Power Metal Hammer wie
"Concrete Shores", der einen ab 3:50 in herrliche Prog-Gefilde entführt, weiß man definitiv Bescheid: die ersten Songs von
"Passengers" sind alles andere als Eintagsfliegen.
Da macht das von erwärmenden Refrains und im Mittelteil von tiefen Growls gekleidete
"In Response To Light" keine Ausnahme, zudem auch hier die Soloarbeit wieder dezent an
Nevermore erinnert. Wie bei dem meisten Tracks kommen ebenso bei
"Revealing Fire" feine Akustikparts zur Geltung, doch die eigentliche Überraschung sind die im puren '70ies Stil eingepflanzten Hammondorgelparts, die dem Ganzen ein spezielles Flair verleihen. Als weiterer Anhaltspunkt sei erwähnt, dass
FireScent aus der Asche von
Mindcrime (1999 - 2007) aufgestiegen ist.
Auch wenn die zweite Hälfte mit der ersten kompositorisch nicht ganz mithalten kann, hat das Siegener Quintett ein starkes Debüt am Start, das sich international keineswegs verstecken braucht, im Gegenteil. Technisches Können wird nicht zum Selbstzweck verschwendet, sondern songdienlich integriert. Der Gesang klingt obendrein überzeugend und kraftvoll, wenngleich die ganz brillanten Momente etwas mangelhaft erscheinen. Es sollte nicht lange dauern, bis
FireScent als legitime
Nevermore Erben bzw. als europäische Antwort derer gehandelt und mit einem Deal bei einem namhaften Label belohnt werden. Bis dahin solltet ihr euch die schön aufgemachte Originalpressung von
"Passengers" reinziehen.