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"Heads Up!" Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich erwartungsvoll im Juli des Jahres 1990 zum hiesigen Plattenhändler meines Vertrauens gepilgert bin, um mir das heiß ersehnte Teil frisch von der Presse zu holen und voller Erwartung auf den Plattenteller zu legen. Ich wage einmal zu behaupten, dass Steve Vais "Passion and Warfare", gemeinsam mit Joe Satrianis "Surfing with the Alien" (zum Review) zu den beiden Veröffentlichungen zählen, die die Gitarrenwelt und das ganze dazugehörige und mittlerweile unüberschaubar gewordene Universum an Lehrbüchern, Instrumenten, Musikschulen, etc. in den letzten zwanzig Jahren, zumindest was den Hardrock und Metalsektor betrifft, am nachhaltigsten verändert haben. Neben einigen wenigen anderen Werken, haben oben genannte Scheiben neue musikalische und technische Standards gesetzt ....
In der Welt der Gitarrenheroen war der am 6. Juni 1960 auf Long Island geborene Virtuose zum Zeitpunkt er Veröffentlichung des Jahrhundertalbums natürlich bereits jedem Gitarristen ein Begriff. Vais Eltern, in den USA geboren, waren beide Kinder Einwanderer italienischer Abstammung (so wie Joe Satriani, John Frusciante, John Petrucci, Michael Romeo, Michael Angelo Batio, Chris Impellitteri, Joe Pass oder Frank Zappa übrigens auch italienische Wurzeln haben/hatten ...) Bereits mit sieben spielte er in seiner ersten Band. Ab seinem 13 Lebensjahr nahm sich Joe Satriani, damals selbst gerade erst 17 und in der Nachbarschaft gewissermaßen ums Eck wohnend, des kleinen Steve an und erteilte ihm für einige Jahre Unterricht. Steve Vai besuchte 1979 das Berklee School Of Music, von dem er 2000 die Ehrendoktorwürde verliehen bekam. Schon bald sollte niemand Geringerer als Frank Zappa auf das unglaubliche Talent des jungen Saitenzauberers aufmerksam werden. Vai, der übrigens mit der ehemaligen Bassistin von Vixen Pia Maiocco verheiratet ist, schickte, der Legende nach, Zappa Transkriptionen von dessen Gitarrensoli, die aufgrund ihrer enormen Komplexität als untranskribierbar galten. Beeindruckt von dessen Fähigkeiten, machte Zappa den jungen Mann mit seinen erst knapp zwanzig Jahren zum „Stuntplayer“ und fixen Bestandteil seiner Formation. In der Band war Vai zuständig für „Strat Abuse“ und „Impossible Guitar Parts“. Wahrlich kein schlechter Einstieg in die Welt des Profimusikbusiness ... Vais überdurchschnittliche technische Fähigkeiten brachten ihm auch den von Zappa verliehenen Spitzennamen „Little Italian Virtuoso“ ein. Schnell festigte sich so sein Ruf als Ausnahmetalent in der US-amerikansichen Musikszene. Kommerziell hatte Vai Anfang zum Zeitpunkt des Erscheinens von "Passion and Warfare" eigentlich schon alles erreicht. Wie er selbst einmal Anfang der Neunziger in einem Interview sagte, hatte er mit dem besten Entertainer (David Lee Roth) und dem besten Sänger (David Coverdale) zusammengearbeitet. Und mit Roths "Eat ’Em and Smile" (1986) (zum Review) und "Skyscraper" (1988), und Whitesnakes "Slip Of The Tongue" (1989) hatte er Musikgeschichte geschrieben. Bei einem Kaliber wie Vai es ist, konnte die nächste Steigerungsstufe daher nur die vollkommene Fokussierung auf ein Soloprojekt sein. "Passion and Warfare" war sein erst zweites Soloalbum. "Flex-Able" aus dem Jahr 1984 war gewiss kein schlechtes Album, aber kein Vergleich zu dem, was Vai im Sommer des Jahres 1990 auf die Musikwelt loslassen sollte. Als er mit diesem Album ankam, ging ein gewaltiges Beben durch die Gemeinde der Saitenjünger. Vergleichbar vielleicht noch mit dem Release des bereits angesprochenen "Surfing with the Alien" seines ehemaligen Lehrers Joe Satriani, hielt jeder, der eine Gitarre sein Eigen nannte, gespannt den Atem an und lauschte andächtig diesen Klängen aus sprichwörtlich anderen Sphären. Dass einige danach die Gitarre nie mehr in die Hand nehmen wollten, viele mehr aber durch die dargebotene Intensität nur noch verbissener neuen Maßstäben nacheiferten, ist nur einer der vielen Nebeneffekte, die dieses Album mit sich gebracht hat ... "Passion and Warfare" ist mit Sicherheit keine alltägliche Rockmusik, sehr experimentell gehalten und zugegebenermaßen nur schwer in einem Zug durchzuhören. Stücke wie "Liberty" oder "Erotic Nightmare" sind noch vergleichsweise eingängig, spätestens bei "Ballerina 12/24" oder "Alien Water Kiss" (der Eventide Harmonizer lässt grüßen) wird die Aufmerksamkeit des Hörers jedoch gehörig gefordert. Dennoch stelle ich immer wieder erstaunt fest, dass "Passion and Warfare" selbst Nicht-Musiker oder Metal-Verweigerern gefällt. Inspiriert wurden die meisten Songs von Steve Vais Träumen. Gemeinsam mit Elementen von Frank Zappa's Musik katapultiert das Album den Hörer stellenweise in stark surreal geprägte Sphären. Eingespielt wurde die Scheibe von "alten Bekannten", namentlich Stu Hamm am Bass, Chris Frazier und Tris Imboden an den Drums. Dazu gesellen sich noch David Rosenthal, Bob Harris, und Steves Frau Pia Maiocco and den Keyboards und Backing Vocals. In der langen Liste von "Gastmusikern" finden sich darüberhinaus noch so illustre Namen wie David Coverdale, Rudy Sarzo, und Adrian Vandenberg, die allesamt ebenfalls Backing Vocals beisteuerten ... Auf "Liberty"", einem Zweiminutensong, wird der Hörer gleich zum Einstand mit den Worten "Heads up!" auf die teils majestätisch getragene Atmosphäre des Albums eingestimmt. Eigentlich ein Gitarrensolo vom Anfang bis zum Ende ... Einen passenderen Titel hätte man für den ersten Track jedoch schwerlich finden können. "Erotic Nightmares" legt mit einem saucoolen, schnellen Riff los und macht mit Whammy-Bar Effekten ordentlich Dampf. "The Animal" - Funk-Metal trifft Shredding - für mich vielleicht der beste Track des Albums. Das erste Solo kommt nach ca. 30 Sekunden, beeindruckend die Whammy-Bar Effekte bei 0:52-0:54... "Answers" ist einer der vielleicht weniger einprägsamen Songs, der schließlich in "The Riddle" mündet. Wieder einer der besten des Albums. Das Interlude, in dem ein Mann und eine Frau den Liebesakt thematisieren, ist etwas schräg, macht den Track aber auch einzigartig. "Ballerina 12/24" wäre, wie schon angesprochen, wohl kaum ohne den Eventide H-3000 Guitar Harmonizer realisierbar gewesen. Abgedreht. Was soll man noch groß Worte über "For The Love of God" verlieren? Irgendwie ist es bei Vai Tradition, dass Track Nummer 7 irgendeine spirituelle Note hat. Der Track steht wohl wie kein anderer für Steve Vai. Angeblich hat er dafür zehn Tage lang gefastet und am vierten Tag mit den Aufnahmen begonnen. Mit "The Audience Is Listening" serviert der Saitenzampano aus New Jersey dem Hörer ein weiteres Gustostückerl. Für die weibliche Stimme konnte Vai doch tatsächlich seine ehemalige Lehrerin gewinnen. Sehr gelungen. "I Would Love To" animiert zum mitklopfen, "Blue Powder" ist hingegen eine langsame Ballade, die aber im Lauf des Songs an Intensität gewinnt. Es folgen mit "Greasy Kid's Stuff" und "Alien Water Kiss" zwei weitere kurze Schnappschüsse als Beweis für Vais Kreativität. " Sisters" ist Pamela und Lillian Vai gewidmet. Ein schöner Song, auf dem Steve einmal komplett aufs shredden verzichtet. Bei "Love Secrets", dem letzten Track des Albums, hat Steve alle Instrumente - außer den Drums, die übernimmt der Computer - selbst eingespielt. Die Credits dazu lesen sich so: "Steve Vai - Whatever" Dem Marketing Menschen, dem Ende der Achtziger einfiel, Steve Vai als Endorser für Ibanez zu verpflichten, hat besagter Person wahrscheinlich die goldene Mitarbeiter des Jahrzehnts-Plakette eingebracht. Sein 1987 vorgestelltes JEM Modell und die 1989 präsentierte siebensaitige „Universe“, die mit einer zusätzlichen tiefen H-Saite versehen wurde, sind noch immer Bestseller im Programm des Gitarrenherstellers. 2000 gründete Vai Favored Nations Entertainment, ein Plattenlabel, das immer wieder mit außergewöhnlichen Künstlern auftrumpfen kann. Vais Einfluss auf eine ganze Generation von Musikern kann nur schwer abgeschätzt werden. Insgesamt wurde er siebenmal für einen Grammy nominiert, den er erstmals 1993 als Künstler für die beste Rock Instrumental Performance für den Titel "Sofa" auf Zappa’s "Universe" gewann, sowie im Jahr 2002 als Produzent in der Kategorie Best Pop Instrumental Album für das auf seinem Label erschienene "No Substitutions" von Larry Carlton und Steve Lukather. "Passion and Warfare" ist Teil der Musikgeschichte und gehört zur "Pflichtlektüre" des Kanons der gitarristischen Allgemeinbildung. Gewiss, für den Hausgebrauch mag das Teil dem einen oder anderen eher schwer verdaulich erscheinen, aber jeder der nur irgendwann einmal eine elektrische Gitarre in der Hand gehalten hat, sollte dieses Album kennen und ihm in seinem Sammlerregal einen Ehrenplatz einräumen. "Passion and Warfare" hat auch mehr als zwanzig Jahre nach seiner erstmaligen Veröffentlichung nichts von seiner Faszination eingebüßt ... Trackliste
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