Ja, auch der Professor greift ab und an zu etwas deftigerer Kost, in diesem Fall zu den seit 2001 aktiven Santa-Cruz-Prog-Deathern
Decrepit Birth, die uns mit
"Polarity" bereits ihren dritten offiziellen CD-Output in die Pfanne schlatzen, ein wahrhaft derbes Stück technisch anspruchsvoller Todesfleisch-Kunst. Nachdem die Vorgängeralben
"And Time Begins" und
"Diminishing Between Worlds" ja schon weitgehend von der Kritik abgefeiert wurden, durfte man gespannt sein, ob die
Frickelmeister um den
sonnengegerbten Reinhold-Messner-Look-alike Bill Robinson das hohe Niveau der Vorgänger halten konnten.
Und die Antwort kann nur ein einstimmig gegrunztes "Fuckyeahgrrrrowl!" sein, denn an diesem Album passt einfach (fast) alles.
Decrepit Birth orientieren sich mit ihrer Kunst an den ganz Großen des US-Death Metal und kredenzen uns dementsprechend eine wohldosierte Mischung aus späten
Death,
Cynic,
Malevolent Creation oder
Morbid Angel, zeitgemäß versehen mit dem nötigen 21st century update 2.1. Klarerweise ist solcher Stoff
keine Easy Listening Elevator Music for Headbangers, sondern benötigt schon eine nicht zu unterschätzende Portion an Geduld. Und dies liegt nicht nur an Robinsons durchwegs urbrutalem Gegrunze, das auf Dauer leider etwas monoton wirkt und somit den einzigen Schwachpunkt an diesem durch und durch gelungenen Album darstellt. Die Songs von
Decrepit Birth sind derart komplex, dass ein einmaliger Durchlauf nicht annähernd die musikalische Vielfalt dieses Albums zu Tage fördern kann. Denn das gebotene Spektrum auf
"Polarity" gleicht einer
musikalischen Achterbahnfahrt und reicht von knüppelhartem Beinahe-Blast-Parts über melodiöse Gitarrensoli und halsbrecherische Instrumentalparts bis zu entspanntem Riff-Shredding. Gerade diese Vielfalt und die ständigen Rhythmus- und Riffwechsel machen dieses Album zu einer genüsslichen musikalischen Entdeckungsreise, die man gerne wieder und wieder antritt. Zudem reichern
Decrepit Birth ihren
fiesen Tech-Death-Cocktail mit frech platzierten Synthies und Akustikgitarren an und sorgen so für weitere Überraschungsmomente, bevor einem beim nächsten Takt mit Doublebass-Gekloppe der Schädel nur darum nicht vollständig abmontiert wird, weil es danach sofort wieder ein kurzes melodiöses Intermezzo zum Verschnaufen gibt.
Natürlich erfinden
Decrepit Birth mit dieser Scheibe den Metal nicht neu – wie gesagt sind die Parallelen zu den Großvätern aus Florida zu offensichtlich - doch ist das Gesamtwerk derart verspielt und technisch versiert, dass es eine wahre Freude ist, sich mit dieser CD mehrmals täglich die Ohrwascheln durchzublasen, wenn man die stumpfe Geradlinigkeit des Gros der Heavy Metal-Veröffentlichungen wieder mal satt hat. Vervollständigt wird das positive Bild noch durch das gelungene Cover von Metal-Veteran Dan Swanö und eine brutale und im Gitarrenbereich zugleich durch diverse Effektspielereien spacige Produktion, die jedoch auch durch zu präsentes Double-Bass-Geknatter nervt.
Beim Hören von Polarity darf man sich dann auch gerne die Texte von Bill Robinson zu Gemüte führen, denn anstatt über Leichenschändung, Beelzebub und schwarze Messen zu referieren, breitet er uns ein zugegebenermaßen
wirres Konglomerat an esoterischen und philosophischen Konzepten aus, laut Gitarrist Matt Sotelo "Reflexionen über die Welt um uns, Visionen über die Zukunft, den Zusammenstoß und die Balance von positiven und negativen Energien" … oder so ähnlich.
Vom Professor gibt’s für Polarity und den darin erkennbaren Fleiß verdiente
8 von 10 verfügbaren Streberbankplätzen, auf denen die Jungspunde aus California weiter schneller als der Rest der Death Metal-Klasse Riffs aneinanderreihen und bedeutungsschwanger-kryptische Lyrics, die eh niemand versteht, schreiben dürfen. Danke, setzen.