Eingebettet in die Festival/Open Air - Europagastreise der beiden Platinseller aus den Staaten bzw. Kanada lockten die Veranstalter
Blink 182 und
Billy Talent in das beschaulich-provinzielle Übersee am Chiemsee. Mit der Verpflichtung dieser Megaacts findet gleichsam eine Internationalisierung dieses bereits zum dritten Mal veranstalteten Events statt, das in der Vergangenheit mit Headlinern wie den deutschen Topacts
Die Ärzte und
Die Toten Hosen aufzuwarten vermochte.
Gleichsam als Aufwärmveranstaltung für das an den darauffolgenden Tagen stattfindende
Chiemsee Reggae Open Air mit Gentleman, Fettes Brot etc. wurde (bevor das Gelände von Hippies, Kiffern und sonstigen lockeren Gestalten in Grün-Rot-Gelben Nationalfarben belagert wird) noch kräftig die Stromgitarre gewürgt.
Nach den bisherigen wettertechnischen Reinfällen wurde die Wetterprognose zum entscheidenden Zünglein an der Waage auserkoren, ob der Verfasser dieser Zeilen dem Rockspektakel beiwohnt, um inmitten des Emo/Punk/Alternative/WasWeißIchWas/Rock-Jungvolks stellvertretend die Flagge des Metal hochzuhalten. Petrus zeigte sich ausnahmsweise gnädig und wartete mit hochsommerlichen Temperaturen auf, sodass einem Ausflug in den Chiemgau nichts entgegenstand. Rund 16.500 Besucher vernahmen den gleichen Ruf und ließen den Chiemsee mit moderner Soundbeschallung Wellen schlagen.
Als Einstimmung auf die Profirockliga durften am Nachmittag die auf den Opening-Act Stefan Dettl folgenden
State Radio aufgeigen, die dem Publikum mit ihrem frischen, flotten Punk-Ska-Rock-Pop erste nennenswerte Reaktionen zu entlocken vermochten.
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Madsen
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Begleitet von einem pompösen Rocky Balboa – Fanfaren –Intro enterten
Madsen um 18.15 die doch recht
groß dimensionierte Chiemsee-Bühne. Entgegen den schlimmsten Befürchtungen (langweiliger Schrammel-Indiepop mit deutschen Texten für Schüler) konnten sie Deutschen mit ihrem fast einstündigen Set nicht nur beim
stetig anwachsenden Publikum, sondern auch beim (durch die heißen Temperaturen und die wohlgelaunt-relaxte Stimmung beschwingten)
Darkscene-Redakteur punkten. Vor allem Single-Hits wie
"Die Perfektion" oder
"Nachtbaden" wurden inbrünstig mitgeträllert und offenbarten den Status, den die Band beim jüngeren FM4/Indie-Publikum innehat.
Setlist Madsen:
-Das muss Liebe sein
-Ja oder nein
-Vielleicht
-Lass die Liebe regieren
-Die Perfektion
-Panik
-Mein Herz bleibt hier
-Goodbye Logik
-Mit dem Moped nach Madrid
-Du schreibst Geschichte
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-Where Is My Mind? (The Pixies-Cover)
-Nachtbaden
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Billy Talent
![](/images/live/180_462882.jpg)
Pünktlich um 19.45 war die große Stunde des eigentlichen Grundes meiner Anreise zum Chiemsee gekommen. Der Hit
"Devil in a Midnight Mass" läutete den
Triumphzug der vier Kanadier ein und riss viele der anwesenden, bunt gekleideten und mit kecken Frisuren (Scheitel etc.) geschmückten, verträumte Teenager und Emo-Kiddies aus ihrer Lethargie…ja, es regierte die Stromgitarre, welche die teils schrägen Piercings der minderjährigen Schüler unter Strom setzte und die in Ballerinas steckenden Mädchenbeine in Schwung brachte.
Das Quartett aus Kanada brannte im Laufe ihres Sets ein
Hitfeuerwerk ab, das sich gewaschen hatte. Egal ob
"Surrender",
"This Suffering" oder dem aus vielen Kehlen frenetisch mitgebrüllten
"Fallen Leaves" (alle vom 2006er Durchbruchsalbum
"II"),
Billy Talent hatten zu jedem Zeitpunkt das Geschehen voll im Griff, überzeugten mit einer
intensiven Liveperformance und unterstrichen mit jedem aus den Boxen fließenden Ton, welche Klasse diese Band hat und welche Songperlen sich Stück für Stück zu einer ganzen Perlenkette an Livekonzert formierte. Mit dem „ihrer deutschen Lieblingsband“ (
Beatsteaks) gewidmeten
"Diamond on a Landmine" konnte das Quartett zusätzliche Pluspunkte sammeln.
Interessant ist dabei, dass
Billy Talent wohl in ihrem Heimatland Kanada Platinstatus innehaben sowie in Europa erfolgreich reüssieren konnten, jedoch den immens wichtigen US-Markt bislang nicht zu knacken vermochten. Nicht nur aufgrund seines Namens, sondern auch aufgrund seiner Frisur und Optik stellt Gitarrist Ian D'Sa gewissermaßen den Farbklecks in der ansonsten gleichförmigen
Alternative/Punkrocktruppe dar und fungierte neben dem hysterisch kreischenden Fronter Ben Kowalewicz als zweite Stimme im
B.T. – Hitreigen.
Einziger, aber doch entscheidender Kritikpunkt am
Billy Talent-Liveset war der zu
lasche Sound, der eigentlich aus den Boxen hätte drücken sollen. Mit Rücksicht auf das doch eher junge Publikum wurden die Laustärkeregler im Freistaat Bayern nicht bis zum Anschlag nach oben geschoben, was der Live-Performance der Kanadier doch etwas die rückendeckende Power raubte. Gleichsam als erzieherische Maßnahme erfolgte (wie bei allen anderen Bands auch) auch seitens
B.T. die doch etwas nervende, bei Publikum dieses Alters jedoch wahrscheinlich notwendige Aufforderung, sich gegenseitig aufzuhelfen, falls jemand umfallen sollte.
![](/images/live/180_24346.jpg)
Nach den
massiven Hits aus allen 3 Alben gab der Zugabenteil mit
"Devil on my Shoulder" (inkl. Sing-A-Long Part) und der finalen Teenie – Hymne
" Red Flag" dem elektrisierten Publikum den Rest und beschloß um ca. 21.00 Uhr ein tolles Livekonzert.
Setlist Billy Talent:
-Devil In A Midnight Mass
-Turn Your Back
-Try Honesty
-Line & Sinker
-Rusted From The Rain
-Saint Veronika
-Surrender
-River Below
-Diamond On A Landmine
-This Suffering
-The Dead Can't Testify
-The Ex
-Fallen Leaves
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-Devil On My Shoulder
-Prisoners Of Today
-Red Flag
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Blink 182
![](/images/live/180_371666.jpg)
Nach einer relativ kurzen Getränke- und Pinkelpause schlug um 21.30 Uhr die große Stunde von
Blink 182. Trotz der tadellosen Leistung von
Billy Talent wurde angesichts des sofort nach der Intonierung des Openers
"Dumpweed" einsetzenden
tosenden Applauses der Massen sofort offenkundig, wer der
Headliner dieses Abends ist und warum diese Position von
Blink 182 bekleidet wird.
Die 2009 reformierten Kalifornier ließen in jeder Minute des 90-minütigen Sets die
große Klasse der Band aufblitzen und machten mit den größten Hits aus immerhin 15 Jahren Banderfahrung klar, wer neben
Green Day oder
Offspring das
Pop-Rock-Punk-Genre maßgeblich mitgeprägt hat. Das fetzige Trio präsentierte einen
Querschnitt durch ihr reichhaltiges Hitrepertoire, wobei geile Uptemponummern und Riesenhits wie
"The Rockshow",
"First Date" oder
"What's My Age Again?" naturgemäß
mächtig Schwung ins Publikum brachten.
Gerade Titel wie
"Always" oder
"All The Small Things" versprühten eine
Riesenportion Charme und Feeling und ließen den von der unbändigen Livepower und den
locker-flockigen Pop-Punk-Hits förmlich überrannten Verfasser dieser Zeilen sich den guten Vibrationen hingeben und einen der letzten richtig lauen Sommerabende in vollen Zügen genießen. Die drei Fun-Pop-Punker sind die fleischgewordenen Manifestation des
Skatepunk-California-Styles, die mit ihren geilen, flotten Teenie-Hymnen über die Jahre
von rotzigen, tätowierten jugendlichen Chaos-Nachwuchspunks zu einem richtigen Stadion-Rockact gereift sind.
Ein umjubeltes Solo (in bester Tommy Lee – Drumriser – Manier) vom aus der peinlichen Semi-Reality-Dokuserie „Meet the Barkers“ bekannten Drummer Travis Parker (welches allerdings jedem gestandenen Rock-Drummer eher ein müdes Lächeln entlockt hätte) läutete den finalen Zugabenteil ein. Trotzdem
Blink 182 nicht ganz die Mega-Klasse einer Band wie
Green Day hatte, wurde doch recht bald klar, dass die Fun-Punks doch immer
noch kräftig am Puls der heutigen Zeit bzw. der Jugend sind. Pünklich um 23.00 Uhr wurde das überwiegend aus Teenagern bestehende Publikum wieder in die Nacht bzw. in die Obhut der Erziehungsberechtigten entlassen.
Setlist Blink 182:
-Dumpweed
-Feeling This
-The Rock Show
-What's My Age Again?
-Violence
-I Miss You
-Stay Together For The Kids
-Down
-Always
-Stockholm Syndrome
-First Date
-Man Overboard
-Don't Leave Me
-Not Now
-All The Small Things
-Reckless Abandon
-Josie
-Anthem Pt. Two
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-Drum Solo / Carousel
-Dammit
-Family Reunion
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Fazit: Chiemsee Rocks 2010 bot ideale Voraussetzungen für ein
perfektes Open Air.
Der Chiemsee rockte wirklich enorm! Die Veranstalter vermochten ein
hochkarätiges Line-Up aufzubieten, das
junge Publikum war
relaxt-friedlich und gutgelaunt und das Konzert mit knapp über
15.000 Besuchern beschaulich-überschaubar. Vor allem zu überzeugen vermochte die
Festival-Organisation deutscher Prägung…Dixie-WCs am Weg vom Parkplatz zum Festivalgelände, keine Wartezeiten an den Einlässen etc., genügend und verschiedene Fressbuden für alle Geschmäcker, ausreichende Dixies, minimalste Wartezeiten an den Getränkeständen.
Dass das Konzert bei
erstklassigem Wetter im strahlenden Sonnenschein „über die Bühne“ (sic!) ging, darf angesichts der bisherigen wettertechnischen „Reinfälle“ (
AC/DC, Sonisphere CH) etc. nicht als selbstverständlich hingenommen werden, womit dieses Open Air heuer auch atmosphärisch ganz weit vorne liegt. Generell stellen
Konzerte/Open Airs dieser Liga (wie z.B auch das
Pink-OA) das
Non-Plus-Ultra der Festivalkultur dar.
Perfekte Größe der Veranstaltung, ideale Sicht auf die Bühne, keine Überfüllung, Überschaubarkeit des Geländes, reibungslose Abläufe an Einlässen etc.
Die Horden von jungen Rockfans räumten das Gelände und machten Platz für die Massen (kolportierte 30.000) an Reggae – Fans, die in Vorfreude auf den „Chiemsee Reggae Summer“ quasi bereits in den Startlöchern scharrten (die zusätzliche, bereits aufgebaute Zeltbühne war noch geschlossen und geländemäßig abgesperrt). Als logischer Headliner des nächstjährigen „Chiemsee Rocks“-Festivals, das am 24. August 2011 stattfinden wird, kann eigentlich nur
Green Day in Kombination mit den
Beatsteaks im Vorprogramm in Frage kommen!