Stellt euch folgendes Szenario vor: drei junge Musiker schicken ihre Bewerbungen für eine Anstellung als Session bzw. Tour-Musiker an sämtliche gewichtige Adressen der amerikanischen Progressive Rock Szene. Doch anstatt eine konkrete Zusage entgegen zu nehmen, haben sich zwei namhafte Persönlichkeiten unabhängig voneinander entschlossen, mit diesen aufstrebenden Künstlern ein komplett neues Projekt ins Leben zu rufen. Die Herrschaften
Maynard James Keenan und
Jim Matheos haben das Talent im Handumdrehen erkannt und wollen, weil gerade kein Studiotermin und keine Gigs anstehen, gleich mal ein paar Soundfiles austauschen ...
Dieser kurze Exkurs ins Reich der Utopien sollte eigentlich nur Aufschluss darüber geben, wonach man von Zeit zu Zeit über höchst interessante Kapellen stolpert, deren Inspiration nicht durch verschleierte Marketingstrategie ad absurdum führt, sondern weit mehr als erfrischende Symbiose zu punkten weiß. Für mich persönlich ein Juwel wie aus heiterem Himmel – Tabula Rasa? Nö. Weil der Virginia-Dreier schon 2011 ein Debütalbum namens
"Convergence" in den Orbit pulverte.
Wie könnte man
"Karma Sown" nun grob umschreiben? Moderne Soundtupfer und Riffs wie sie
Fates Warning für ihre 2000er Alben aus der Feder kitzelten, vermischen sich mit der eigenwilligen Rhythmik aus dem Hause
Tool. Das Endergebnis klingt vielversprechend und dramatisch wie es letzten Endes ist: keine Sekunde entpuppt sich als langweilig, dafür werden aufmerksame Lauscher von unkonventionellen Songstrukturen mitsamt dynamischen Klangfolgen belohnt. Der Grundton ist fast durchgehend melancholisch und lässt nur zwischenzeitlich positive Vibes erahnen, die Songs unterscheiden sich mitunter im hohem Maße und man kommt des Öfteren schwer ins Grübeln, was und wer dieses außergewöhnliche Trio zu solch kompositorischen Leistungen treibt. Dennoch gelingt
Iris Divine der elegante Spagat aus Eingängigkeit und Komplexität. Anders gesagt: man folgt dem
flow und weiß die kleinen Details in jene Nischen einzubauen, wo sie zu guter Letzt effizient greifen. Löblich auch die melodische und durchaus eigenständige Gesangsdarbietung von Navid Rachid. Textlich gibt es innerhalb des "eingesäten Karmas" ebenso einiges zu entdecken, was abseits des geistigen Dünnpfiffs einzuordnen ist.
Bei
"Karma Sown" spricht nichts gegen eine höhere Bewertung. Songs, Performance & Sound tummeln sich latent auf einem derart hohen Level, dass man sich wünscht, man würde öfter so einem Überraschungsfall begegnen. Kurz gesagt: Progressive Metaller und Alternative Rocker werden sich bei einem gepflegten Fünf Uhr Tee über
Iris Divine und deren aktuellem Liedgut nicht in die Haare kriegen, sondern eine brillante Konversation führen. Ach ja. Und ich werde mir nach einer halben Ewigkeit wieder einmal
"Lateralus" reinziehen ...