Rein historisch betrachtet müssten eigentlich
Deftones an dieser Stelle stehen, da sie als "Mitpioniere" eines neuen Metiers die Spätzünder
Engine wohl am meisten inspiriert haben, man denke nur an das Referenzwerk
"Around The Fur" aus dem Jahre 1997. Aber die Sache lässt sich insofern erklären, als dass mir das Projekt
Engine mit vorliegender Perle die lang verschlossene Tür zum Nu & Alternative Rock leicht öffnete. Kaum zu glauben - plötzlich erwachte das Interesse für eine nicht gerade sympathisch wirkende Hüpfgeneration mit Vorliebe für Schlabberhosen und unmotivierten Riffs. Eine fast Ekel erregende Szene, die zuvor nur mit Hohn und Spott vernichtet wurde. Ein weiterer Judas in einer um das nackte Überleben kämpfenden Heavy Metal Szene?
Keine Sorge - es kam halb so schlimm, da sich die Neugier letztlich doch in überschaubaren Grenzen halten würde. Bei
Engine war das eben anders. Es war kein Bündnis orientierungsloser Highschool Bubis mit Suizidabsichten, sondern ein Quartett der hiesigen US Metal Szene, das einfach mal etwas anderes machen wollte. In einem Interview mit dem Rock Hard Magazin meinte der Sänger, zu dem wir später noch kommen werden, recht zynisch:
" ...wir wollten einfach mal ein Album machen, für das man nichts können muss ...".
Wer steckte nun hinter dieser gut geölten
Engine, die ja zwischen zeitlich wieder eingemottet wurde? Die Gitarrenarbeit übernahm kein geringerer als Bernie Versailles, der auch bei
Agent Steel und
Redemption die Saiten glühen lässt, den Bass schnallte sich Tausendsassa Joey Vera von
Armored Saint um, der sich zugleich für den trockenen Sound (in Kooperation mit Producer Bill Metoyer) auszeichnen konnte, und das Drumset bediente Pete Parada, der dazumal noch im
Steelprophet Line-Up aufschien, und heute bei den Chartbreakern
The Offspring den Takt vorgibt. Das Mikro übernahm einer der Besten überhaupt: Ray Alder von
Fates Warning und
Redemption.
Mit dieser Scheibe wurden zwar die simplen, Genre-typischen Elemente Marke
Deftones und Co. aufgegriffen, jedoch mit derart magnetischem Flair aufpoliert, dem der Hörer nicht entkommt. Im Gegenteil, möchte man in der richtigen Gemütslage samt Haut und Haar von dieser melancholischen Traumwelt gleichzeitig um- und verschlungen werden. Goldkehlchen Ray Alder setzte dank seiner emotionalen Wahnsinnsstimme zusätzlich Akzente in dieses äußerst Moll betonte Groove Monster, das in einem Spannungfeld zwischen Wut, Ohnmacht, Verzweiflung, Betrübtheit und Isolation nur selten ausschert. Letzteres trifft speziell auf das alles überstrahlende
"Falling Star" zu, ein von tiefster Trauer durchzogener Song, der in Worte kaum zu fassen ist, so tief bohrt er sich in die Seele hinein. Genau genommen ist
"Engine" zu jeder Sekunde ein ziemlich intensives Hörerlebnis, das mit
"Monster",
"Taste",
"Teach Me",
"Tree Of Life" und
"You’re Awake" weitere, wahrlich Sehnsucht auslösende Phonknospen bereit hält. Und auch hier gilt: Hit- und Gänsehautfaktor müssen sich nicht gegenseitig ausschließen.
Da hatte man als Alteingesessener plötzlich Toleranz (zugegeben nicht zuletzt wegen der Herkunft der hier werkenden Musiker) für die, bis dato als billig abgewerteten Schrammel-Riffs sowie für die gelegentlich verzerrten Vocalparts, welche längst schon die Neuzeit der Rock Musik eingeläutet hatten, wenngleich es nicht ganz so dissonant und hektisch wie bei
Static X oder bei
Korn zur Sache ging.
Dass diesem Rundling der auslaufenden Neunziger der große Erfolg verwehrt blieb, konnte man bei aller Qualität irgendwie erahnen. Für ein Indipendent Label wie Metal Blade Records war solch ein Experiment eine schöne Erweiterung des sonst recht traditionell gespickten Spektrums wie mit den
Galactic Cowboys. Jedoch repräsentierte es mitnichten das Produkt, welches den klassisch kompromißlosen Voll-auf-die-Zwölf-Metaller angesprochen hätte. Kaum anders verhielt es sich mit dem zweiten und zugleich letzten Output
"Superholic".